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SPOCK´S BEARD: Snow

Obwohl mir bislang alle Alben der Band mehr oder weniger gut gefielen, fehlt mir jeglicher Zugang zu den neuen Stücken. Dabei bietet "Snow" objektiv gesehen die gewohnte BEARD-Kost mit ausladenden Instrumentalpassagen, balladesken Songs und eher kurzen, erdigen Progrock-Nummern.

Im Gegensatz zu dem heiteren Grinsen von mir auf dem Foto rechts neben dem Artikel ist mein Gesicht momentan von Ratlosigkeit gezeichnet. Was um Himmels Willen/zur Hölle (Unzutreffendes je nach Konfession streichen) soll ich zu so einem Album schreiben!? Das Bild entstand übrigens kurz vor der Mitternachtspremiere zum ersten Herr der Ringe-Film. Damals wusste ich noch nicht, dass ich mir den Streifen noch sechs weitere Male im Kino anschauen würde. Trotzdem strahlte ich fröhlich in die Kamera, schließlich bin ich ja Optimist!

Zugegeben, ich war noch nie der größte BEARD-Anhänger, denn auf bislang jedem Album befanden sich Stücke, die mir im Gegensatz zu vielen anderen Fans nie sonderlich gut gefielen, so zum Beispiel June, The Great Nothing und Time Has Come. Doch Überflieger-Songs wie The Light oder die beiden Thoughts-Teile, sowie die energiegeladene Liveshow des sympathischen Fünfers konnten mich restlos begeistern, was bislang nicht vielen anderen Bands gelungen ist. Groß war deshalb auch meine Freude, als ich das Päckchen mit dem neuesten SPOCK´S BEARD-Album aus dem Briefkasten angelte.

So schaute ich zu, wie der erste Silberling (56:30 Minuten) im CD-Schacht verschwand, drückte dann die Taste mit dem Dreieck, das nach rechts zeigt, und lauschte. Bei anderen Geräten steht vielleicht Play drauf oder Abspielen, aber das soll hier keine Rolle spielen. Was geschah anschließend!? Nichts geschah! Keine Elben, keine Orks, nicht einmal einen Zwerg gab es auf der ersten CD. Aber das hatte ich auch nicht erwartet. Schließlich steht ja SPOCK´S BEARD und nicht BLIND GUARDIAN auf dem Cover. Da hatte ich aber noch einmal Glück gehabt. Zumindest versuchte ich mir das einzureden, was mir aber nicht so recht gelingen wollte. Frohen Mutes (ich bin ja Optimist) legte ich die zweite CD (58:17 Minuten) ein und drückte abermals die Taste mit dem Dreieck, das nach rechts zeigt. Auch diese CD hörte ich mir von vorne bis hinten an. Wieder geschah nichts. Leicht entmutigt fütterte ich meine Stereoanlage mit der dritten CD (51:21 Minuten) und betätigte abermals die Taste mit dem Pfeil, der nach rechts zeigt. Bei Track Nummer zwei, The Good Don`t Last vom The Kindness of Strangers-Album in einer Akustikversion, huschte dann plötzlich so etwas wie ein Lächeln über mein Gesicht. Erinnerungen an mein zweites SPOCK´S BEARD-Konzert wurden wach, wo es die Band als Opener spielte. Ich kannte das Stück damals noch gar nicht, doch mochte es von der ersten Sekunde an. Wo wir schon bei Bekanntem sind: Ausnahmegrafiker Thomas Ewerhardt lieh sich für das aufwendig gestaltete Booklet u.a. auch das Motiv von CORONERs No More Color-Platte, aber das nur am Rande. Der Anfang von Track Nummer vier weckte dann wider Erwarten ebenfalls Erinnerungen, nämlich an den Beginn von Love Should Be A Crime von O-TOWN. Nun stellt sich die Frage, was fragwürdiger ist: dass SPOCK`S BEARD von einer Boygroup abkupfern, oder dass ich die Songs einer Boygroup kenne?

Schnitt. Gut eine Woche später sitze ich nun hier und habe soeben wieder einmal alle drei CDs am Stück angehört, und noch immer fehlt mir jeglicher Zugang zu den neuen Stücken. Einzig das ruhige Solitary Soul kann mich ansatzweise begeistern. Doch im Vergleich zu einem Gänsehautsong wie The Distance To The Sun (vom Day For Night-Album) klingt es trotz der schönen Streicherarrangements eher oberflächlich. Dabei bietet Snow objektiv gesehen die gewohnte SPOCK´S BEARD-Kost mit ausladenden Instrumentalpassagen, balladesken Songs und eher kurzen, erdigen Progrock-Nummern.

Liegt es vielleicht daran, dass Snow ein Konzeptalbum ist? Dies ist mit Sicherheit einer der Gründe. Denn der Aufstieg und Fall von John Snow Sikeston ist nicht wirklich bahnbrechend. Die Zusammenfassung der Geschichte liest sich zwar aufgrund des herrlich selbstironischen Schreibstils von Neal Morse sehr gut, doch ich kann den Texten an sich nicht viel abgewinnen. Zu weltfremd erscheinen mir Alles-ist-prima-Botschaften wie Open Wide The Floodgates und Wind At My Back, zu konturlos bleiben Liebeslieder wie Carie und Looking For Answers.

Doch die Texte alleine haben nur bedingt Einfluss auf die Musik. Also muss es auch hier Unterschiede zu den Vorgängeralben geben. Mammutstücke im zweistelligen Minutenbereich gibt es keine mehr, was aber auch schon bei Day For Night der Fall war. Dennoch sind viele Lieder arg kurz geraten. Zusammen mit der Tatsache, dass alle Stücke ineinander übergehen, entsteht so sehr rasch der Eindruck, als bestünde das gesamte Album nur aus aneinandergereiten Zwischenteilen. Dabei haben SPOCK´S BEARD den Prog-Faktor auf Snow auf ein Minimum reduziert und noch öfter als sonst `normale´ 4/4-Rockmusik am Start. Es gibt zwar genügend Breaks und Taktwechsel um jeden Hobbymusiker in den Wahnsinn zu treiben, doch beschränkt sich die hemmungslose Frickelei auf drei Blöcke (die beiden Ouvertüren sowie Snow`s Night Out samt dem folgenden Orgelsolo von Ryo Okumoto). Für mich ist das aber wiederum ein bisschen so, als würde ich Spaghetti essen und zwischendurch immer mal wieder separat ein paar Löffel Sauce dazu nehmen. Ganz so extrem ist es natürlich nicht. Doch ich habe es mehrmals angedeutet: Ich habe vom selben Koch schon schönere und bekömmlichere Nudeln serviert bekommen.

Eins steht aber auf alle Fälle fest: Aus dem Metal-Bereich werden SPOCK´S BEARD mit diesem Album keine neuen Fans gewinnen können. Metaller, die die Band (immer) noch nicht kennen, muss ich ohnehin warnen, dass die Band nach wie vor lediglich Hardrock-Einflüsse der Marke DEEP PURPLE in ihren Songs verarbeitet. Metalriffs und Doublebassattacken sucht man vergeblich. Doch dafür ist Snow absolut Mainstream-kompatibel, mal abgesehen von der Tatsache, dass Doppelalben es nur selten an die Spitze der Charts schaffen.

Fans haben hier zudem noch die Möglichkeit, sich die Limited Edition mit Bonus-CD, Konzeptgeschichte und Aufklebern zu besorgen. Diese Anschaffung lohnt sich meines Erachtens wirklich nur für Fans, die absolut alles haben wollen. Denn außer einer mir unbekannten Coverversion (Southside of The Sky von den SWINGING STEAKS), die sehr durchschnittlich klingt, gibt es hier wenig Neues zu hören. Eine Reihe von Demo- und Arbeitsaufnahmen geben einem zwar einen kleinen Einblick in die Entstehung von Snow, können aber zu keinem Zeitpunkt mit dem faszinierenden und ausführlichen Making of V-Video mithalten. Die bereits angesprochenen Akustikversionen wurden zwar teilweise sehr ansprechend umarrangiert, doch auch hier gilt der Hinweis, dass die Band auf ihren Konzerten den wesentlich abgefahreneren Livemitschnitt Two Separate Gorillas von Neil Morse und Nick D`Virgilios Akustiktour ´99/´00 verkauft.

Das Review hätte ich hiermit geschrieben, und meine Ratlosigkeit ist einer neuen Befürchtung gewichen: Die werden doch nicht etwa das komplette Album auf ihrer nächsten Tour spielen!? Ich glaube nicht, ich bin ja Optimist!

Veröffentlichungstermin: 26.08.2002

Spielzeit: 165:08 Min.

Line-Up:
Neal Morse: Gesang, Klavier, Synthesizer, Akustik-Gitarre

Alan Morse: E-Gitarre, Gesang, Cello

Ryo Okumoto: Hammond Orgel, Mellotron, Jupiter 8, Minimoog, Vocoder

Dave Meros: Bass, Gesang, Waldhorn

Nick D`Virgilio: Schlagzeug, Gesang

Produziert von Neal Morse und SPOCK`S BEARD
Label: Inside Out

Homepage: http://www.spocksbeard.com

Tracklist:
1. Made Alive/Overture

2. Stranger In A Strange Land

3. Long Time Suffering

4. Welcome To NYC

5. Love Beyond Words

6. The 39th Street Blues (I`m Sick)

7. Devil`s Got My Throat

8. Open Wide The Flood Gates

9. Open The Gates Part 2

10. Solitary Soul

11. Wind At My Back

1. Second Overture

2. 4th of July

3. I`m The Guy

4. Reflection

5. Carie

6. Looking For Answers

7. Freak Boy

8. All Is Vanity

9. I`m Dying

10. Freak Boy Part 2

11. Devil`s Got My Throat Revisited

12. Snow`s Night Out

13. Ladies And Gentlemen, Mister Ryo Okumoto On The Keyboards

14. I Will Go

15. Made Alive Again/Wind At My Back

1. Southside of The Sky

2. Good Don`t Last/Open Wide The Flood Gates (live acoustic)

3. Working On Devil/Fiddly/Disco

4. Looking For Answers (live acoustic)

5. Stranger In A Strange Land Demo

6. 4 O`Clock

7. Working On Ryo`s Solo

8. Lost Bass Solo Demo

9. The Light (live acoustic)

10. Working On I Will Go

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