DER HERR DER RINGE – Teil 1: Die Gefährten [Filmkritik]

Der erste Teil der Herr der Ringe -Adaption ist exakt das Spektakel geworden, auf das man sich gefreut hat: Eine epische, werkgetreue Materialschlacht, die neue Maßstäbe in Sachen Bombastkino setzt. Mit rund 300 Millionen Dollar Produktionskosten, über 20.000 Statisten und einer vorzüglichen Besetzung wurde Tolkiens totale Traumwelt würdig und detailverliebt in Szene gesetzt…

Es gibt Menschen, die argwöhnen, John Ronald Reuel Tolkien (1892 1973) hätte nur eine griffige Geschichte gebraucht, um die von ihm entwickelten Kunstsprachen gebührend verbraten zu können. Vielleicht packte der Oxford-Professor für altenglische Sprache und Literatur jedoch tatsächlich einfach nur all die spannenden Märchen zusammen, die er sich für seine vier Kindern ausdacht hatte. Sein literarisches Erbe jedenfalls ist gigantisch: Mittelerde eine in sich geschlossene Fantasiewelt voller Fabelwesen, komplett mit Genesis und einer kompletten Geschichtsschreibung sowie eigenen Chroniken, Atlanten, Sprachen und Schriften. Der Herr der Ringe , das Hauptwerk Tolkiens, in dem er auf über 1000 Seiten den archetypischen Kampf zwischen Gut und Böse entwirft, ist auch fast 50 Jahre nach seiner Veröffentlichung das Nonplusultra im Fantasy-Bereich, hat mit seinen spirituellen Dimensionen das Genre wie kein anderes Buch geprägt und dem Autor rund um den Globus eine fanatische Fangemeinde beschert.

Keine Frage: Ein Lebenswerk, dem sich der neuseeländische Independent-Filmer Peter Jackson ( Ich mache keine Hollywood-Filme ) hier angenommen hat. Selbst Disney und Stanley Kubrick schreckten vor der Verfilmung der ewig-jungen Ringsaga zurück, der erste Versuch einer Visualisierung im Zeichentrickformat Ende der 70er Jahre blieb unvollendet. Jackson machte es sich zur Bedingung, den Epos getreu der Vorlage in drei Teilen zu verfilmen, die bereits komplett abgedreht – im Jahresabstand in die Kinos kommen. Ein gewagtes Unterfangen!

Teil 1, Die Gefährten , erzählt vom Halbling Frodo Beutlin, der im Auenland, der Heimat der Hobbits, einen unscheinbaren Ring erbt. Der Zauberer Gandalf erkennt die unheimliche Macht, die dem Schmuckstück innewohnt und schnell auf seinen Träger übergreift. Sauron, der Herr über das Schattenreich Mordor, hat den einen Ring einst in den Feuern des Schicksalsberges geschmiedet, um mit seiner Macht ganz Mittelerde zu unterwerfen und seine Bewohner zu versklaven. Jetzt ist sein Geist zurück, und der Ring will wieder an den Finger seines Meisters. Elben, Zwergen, Menschen und Hobbits bleibt nur eine einzige Möglichkeit, um Sauron zu stoppen: Der Ring muss zurück zum Berg Orodruin gebracht werden. Nur dort, tief im Lande Mordor an seinem Ursprungsort, kann er vernichtet werden. Doch auch Sauron und seine Schergen haben Wind vom Aufenthaltsort des Rings bekommen und setzen zur Jagd auf Frodo und die Gefährten an.

Man mag zur Visualisierung von Fantasiewelten, die bislang nur in den Köpfen von Bücherwürmern existierten, geteilter Meinung sein. Regisseur und Co-Produzent Jackson, bislang für bluttriefende Horrorspäße wie Braindead und Bad Taste bekannt, hat hier jedoch saubere Arbeit abgeliefert. Der erste Teil seiner Herr der Ringe -Adaption ist exakt das Spektakel geworden, auf das man sich gefreut hat: Eine epische, werkgetreue Materialschlacht, die neue Maßstäbe in Sachen Bombastkino setzt.

Mit rund 300 Millionen Dollar Produktionskosten, über 20.000 Statisten und einer vorzüglichen Besetzung (u. a. Elijah Wood, Ian McKellen, Cate Blanchett, Sean Bean, Ian Holm und Christopher Lee) wurde Tolkiens totale Traumwelt würdig und detailverliebt in Szene gesetzt. Rasende Schlachtszenen, atemberaubende Kamerafahrten und fantastische Kulissen, die per Computer in die Landschaft Neuseelands hineinmontiert wurden, sorgen drei Stunden lang für fesselnde Unterhaltung voll Zauber und Magie. Jackson erzählt die Geschichte temporeich und düster, driftet für Augenblicke immer mal wieder in unerträgliche Kitschgefilde ab (wie in der sich anbahnenden Liebesbeziehung zwischen dem Waldläufer Aragorn und der Elbenprinzessin Arwen, deren aufgewertete Rolle mit Liv Tyler streitbar besetzt ist), wahrt jedoch stets einen bemerkenswerten Respekt vor der literarischen Vorlage. Tolkiens Erbe ist nicht nur dem 40jährigen Neuseeländer heilig. Als im Vorfeld der über 14monatigen Dreharbeiten durchsickerte, dass der Gefährte Sam der Frauenquote geopfert und durch eine frischkreierte Heldin ersetzt werden sollte, blies die Tolkiengemeinde zum kollektiven Aufstand. Die Idee wurde verworfen.

Über das fertige Produkt dürfen sich auch eingefleischte Hobbitfreunde freuen. Zwar wird auf den zahllosen Fanseiten im Internet moniert, dass die Figur des Tom Bombadil gestrichen wurde und im Film Tomaten in den Kochtopf der Hobbits wandern, obwohl Tolkien penibel darauf geachtet hat, diese alien, new-world fruit nicht zu erwähnen, doch das sind Spitzfindigkeiten in einem stimmigen Gesamtbild. Eher dürfte sich die Anhängerschaft verwirrt die Augen reiben ob der bizarren Vermarktungsmaschinerie, die parallel zum Film anläuft. Das Buch zum Film ist da nur die Spitze des Eisbergs längst wirbt die Neuseeländische Tourismuszentrale mit dem Slogan Kommen Sie in die Heimat von Mittelerde , wird bereits über spezielle Tolkien-Themenparks nach Disneyland-Modell gehirnt. Neben Ork-Plüschtieren und Hobbit-Cornflakes steht auch der eine Ring aus dem Film zum Verkauf, wurde im Internetflohmarkt ebay zur Versteigerung feilgeboten. Bei Kinostart lag das aktuelle Gebot bei 51.050 Euro (99.845,12 Mark)! Das Auenland vor dem Ausverkauf – da liegt man nicht schlecht mit der Prognose, dass die Ringsaga, was Umsatzzahlen, vor allem aber den Fankult angeht, das Erbe des seit Episode 1 schwer schwächelnden Star Wars-Imperiums antreten könnte. Mittelerde hat seine Unschuld verloren, abseits der Kinokassen trägt Mordor den Sieg davon. Fortsetzung folgt Weihnachten 2002.

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