CASTLE ROCK 7: Der Bericht

Zweimal im Jahr verwandelt sich das Mülheimer Schloss Broich in eine Pilgerstätte für Fans von Gothic, Metal, Folk und Mittelaltermusik. Eines der beiden Festivals, die im Innenhof der im neunten Jahrhundert erbauten Befestigungslage stattfinden, das CASTLE ROCK, ist für dieses Jahr schon wieder Vergangenheit. Auch die siebte Auflage dieser Veranstaltung war wieder eine rundum gelungene Angelegenheit.

Remember Twilight | The Beautiful Disease | Thanateros | Scream Silence |

Zweimal im Jahr verwandelt sich das Mülheimer Schloss Broich in eine Pilgerstätte für Fans von Gothic, Metal, Folk und Mittelaltermusik. Eines der beiden Festivals, die im Innenhof der im neunten Jahrhundert erbauten Befestigungslage stattfinden, das CASTLE ROCK, ist für dieses Jahr schon wieder Vergangenheit. Auch die siebte Auflage dieser Veranstaltung war wieder eine rundum gelungene Angelegenheit. Zwar mag man darüber lamentieren, dass vier der sieben Bands nicht zum ersten Mal beim CASTLE ROCK auftraten – für SUBWAY TO SALLY war es sogar der dritte Auftritt innerhalb von sechs Jahren -, obschon es doch noch genügend andere hochkarätige Genrevertreter gibt, die man noch nie auf diesem Festival zu Gast hatte. Davon abgesehen aber konnte man sich nicht beklagen: Das Wetter war ebenso gut wie der Sound, die Musik erneut eine ausgewogene Mischung aus elektronischen Düsterbands sowie eher metallischen oder folkig angehauchten Kapellen, und im ebenso bunt gemischten Publikum konnte man jede Menge vertraute Gesichter erblicken, denen man hier auch schon in den letzten Jahren begegnet war, so dass man sich gleich heimisch fühlte. Selbst die Sanitäter waren zumindest teilweise die gleichen wie in den letzten Jahren und erfreuten sich denn auch stellenweise genauso an der Musik wie manch zahlender, schwarz gewandeter Besucher. All das trug zu der einzigartigen, familiären Atmosphäre dieses Festivals bei, welche, neben der Musik und der stets professionellen Organisation von Michael Bohnes, so viele Besucher anlockte, dass das CASTLE ROCK dieses Jahr wieder gute zwei Wochen vorher ausverkauft war.

Auch Mülheims Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld zeigte sich zufrieden und versicherte, dass das CASTLE ROCK, das einzige von einer Stadt veranstaltete Festival seiner Art in Deutschland, auch bis mindestens 2010 stattfinden kann – dann nämlich ist das Ruhrgebiet, offiziell vertreten durch die Stadt Essen, europäische Kulturhauptstadt. Bleibt zu hoffen, dass es das CASTLE ROCK auch über das Jahr 2010 hinaus noch geben wird und es nicht, nachdem es seinen Dienst als Vorzeige-Festival getan hat, plötzlich fallen gelassen wird.

REMEMBER TWILIGHT

Blieben etwas hinter den durch das starke Debütalbum geweckten Erwartungen zurück: REMEMBER TWILIGHT


Mit REMEMBER TWILIGHT wurde das siebte CASTLE ROCK von einer Band eröffnet, welche dem Namen des Festivals alle Ehre machte, denn als die Band pünktlich um 13 Uhr die Bühne betrat, wurde ordentlich gerockt – zumindest rein musikalisch, denn die Bühnenshow war im Kontrast dazu leider etwas verhalten. Sänger Timo bediente mit Anzug und Melone rein optisch genauso wenig gängige Rock’n’Roll-Klischees wie seine in weiße Hemden gekleideten Kollegen. Da man zudem noch wenig Bewegung auf der Bühne registrieren konnte, wirkte der Auftritt der Band insgesamt ein wenig steif. Entsprechend schwer fiel es der Band mit ihrem “Kammermusik-Core”, das zu diesem Zeitpunkt noch nicht sehr zahlreich erschienene Publikum zu begeistern. Möglicherweise traf diese eigenwillige metallische Eröffnung des Festivals aber auch rein musikalisch nicht ganz den Geschmack der anwesenden Besucher, denn statt Düsternis reagierte hier eindeutig die Aggression. Besonders Kracher wie “Tränen für Euer Blut”, in denen nicht nur der gewöhnungsbedürftige Schreigesang von Timo nur allzu deutlich machte, dass sich das “Core” in der Stilbezeichnung nicht völlig zufällig eingeschlichen hat, wurden von den mehrheitlich anwesenden Gothic-Anhängern nicht allzu enthusiastisch aufgenommen. REMEMBER TWILIGHT bemühten sich zwar und konnten mit einigen humorvollen Ansagen und einer interessanten Interpretation von “Die Moritat von Mackie Messer” aus der “Dreigroschenoper” punkten. Alles in allem aber blieben sie etwas hinter den durch das starke Debütalbum geweckten Erwartungen zurück.

THE BEAUTIFUL DISEASE

The Beautiful Disease auf dem Castle Rock 7
THE BEAUTIFUL DISEASE-Frontmann Chris Goellnitz wirkte wie entrückt.


Was folgte, war dann ein musikalischer Bruch, wie er größer nicht hätte sein können: Nach dem brachialen Metal-Klassik-Crossover von REMEMBER TWILIGHT unternahmen THE BEAUTIFUL DISEASE den Versuch, das Publikum mit ihrem größtenteils sehr ruhigen Wave in ihren Bann zu ziehen. Dabei bediente sich das Trio in erster Linie der sphärischen Synthesizer-Klänge von Stanley Carr, während Gitarrist Michael Schaffer kaum zu hören war. Im Mittelpunkt des Auftritts stand aber eindeutig Chris Goellnitz, im Grunde ein typischer Gothic-Sänger, der zwar technisch nicht überragend ist, dessen zerbrechliche Stimme aber perfekt zur Musik passte. Viele empfanden die Musik des Trios zwar ob des sonnigen Wetters als deplatziert oder konnten generell nichts mit der beinahe schon hypnotischen Musik anfangen. Im Grunde aber war der Auftritt eine extrem faszinierende Angelegenheit: Sänger Chris Goellnitz versank in seiner Musik und hatte dabei die ganze Zeit über einen derart leeren Blick, dass eine eigenartige, kranke Atmosphäre entstand, welche durch seine morbiden Texte noch verstärkt wurde. Im Grunde war es genau die Atmosphäre, die man von von einer Band mit diesem Namen erwarten würde. Ja, der Auftritt war anstrengend und viele konnten damit nichts anfangen oder wollten sich nicht darauf einlassen. Sicherlich hätte man stattdessen eine Band aufspielen lassen können, die festivaltauglichere Musik macht. Dass genau dies nicht getan wurde, sondern auch immer wieder mal solche Bands gebucht werden, die bei der Mehrheit der Besucher anecken, macht neben vielen anderen Dingen den Reiz dieses Festivals aus.

THANATEROS

Thanateros auf dem Castle Rock 7
Originelle Mischung aus Folk Metal, Gothic Rock und Electro-Einflüssen: THANATEROS


Konnten sie mit ihren Studio-Veröffentlichungen bislang nicht hundertprozentig begeistern, so entpuppten sich THANATEROS, die auch schon 2003 auf Schloss Broich zu Gast waren, nun als eines der eindeutigen Highlights des diesjährigen CASTLE ROCK-Festivals. Natürlich profitierte die Band auch davon, dass der Schlosshof mittlerweile deutlich besser gefüllt war. Offenbar aber trafen die Jungs mit ihrer Mischung aus Folk Metal, Gothic Rock und elektronischen Elementen, genau den Nerv des Publikums – eine Mischung übrigens, die es in der Form bislang noch nicht von anderen Bands zu hören gab. Originalität aber ist nicht alles. Wichtiger war, dass die Songs mit ihren irischen Melodien und den elektronischen Beats und dem manchmal schön rotzigen Gesang von Frontmann Ben extrem tanzbar waren und mit den harten Gitarren und dem hin und wieder eingesetzten Schreigesang nur kurze Zeit später die anwesenden Metaller zum Haareschütteln animierte. Wo andere, die mehrere Stile miteinander vereinen, am Ende niemanden wirklich zufrieden stellen, schafften THANATEROS es spielend, einen großen Teil des Publikums für sich zu gewinnen und ließen sich dabei auch nicht von anfänglichen Mikrofonproblemen aus dem Konzept bringen. Dass man sich mit seinen Eigenkompositionen aber noch steigern kann und sollte, zeigt die Tatsache, dass der Höhepunkt des Auftritts das Traditional “Dirty Old Town” war, welches vielen, die mit der Band vorher nicht vertraut waren, noch von den POGUES bekannt gewesen sein dürfte und entsprechend abgefeiert wurde. Ohne Zweifel die bisher beste Band des Festivals!

SCREAM SILENCE

Scream Silence auf dem Castle Rock 7
Der Auftritt von SCREAM SILENCE lebte in erster Linie von der Stimme und Ausstrahlung von Sänger Hardy.


Mit SCREAM SILENCE betraten anschließend einige alte Hasen die Bühne, die nicht nur seit vielen Jahren in Deutschland die Fahne des Gothic Rocks hochhalten, sondern 2001 auch schon auf dem zweiten CASTLE ROCK zu Gast waren. Offenbar haben die Stammbesucher des Festivals die Band äußerst positiv in Erinnerung behalten, denn schon von Beginn an genossen Sänger Hardy Fieting und seine Mannen die Sympathien des Publikums. So konnten die Berliner für ihre mit relativ harten Gitarren versehene, und doch nur selten richtig nach vorne rockende Musik mehr als ordentlichen Applaus einheimsen – und das, obwohl ihre Songs weder originell tönten, noch durch besonders herausragendes Songwriting auffielen. Vielmehr plätscherte die Musik ein wenig vor sich hin, wäre da nicht der charismatische Hardy Fieting, der mit seiner oft angenehm tiefen Stimme, seinen hin und wieder eingestreuten aggressiveren Tönen und seinem charismatischen Auftreten einiges wett machte. Wirklich begeistern konnten SCREAM SILENCE aber nur mit ihrer Interpretation von “Living In The Rose”, im Original von NEW MODEL ARMY auf deren “The Love Of Hopeless Causes”-Album.

XANDRIA

Xandria auf dem Castle Rock 7
Konnten selbst Skeptiker mitreißen: XANDRIA


Auch wenn die barfuß auftretende Frontfrau Lisa mit ihrem hohen und etwas schrillen Gesang noch immer nicht wirklich überzeugen konnte, war es doch in erster Linie ihr Verdienst, dass XANDRIA an diesem Abend selbst Skeptiker begeistern konnten. Zu Beginn wirkten ihre Ansagen, in denen sie dem Publikum voller Begeisterung versicherte, wie großartig es sei, noch etwas deplatziert: So toll, wie die Stimmung zu diesem Zeitpunkt angeblich gewesen sein soll, war sie nun wirklich nicht. Auch Sprüche wie “Eure Chance: Hände hoch, oder es knallt!” wirkten eher peinlich. Letztlich entpuppte sich die anfangs noch herbeigeredete superbe Stimmung aber als selbsterfüllende Prophezeiung, denn mit zunehmender Spielzeit feierten die Besucher die Bielefelder mehr und mehr ab, und das völlig zurecht. Die ganz und gar nicht aufgesetzt wirkende gute Laune von Sängerin Lisa, aber auch die enorme Spielfreude speziell von Bassist Nils, übertrugen sich zwangsläufig auf das Publikum. Zudem konnte Lisa im erfreulich harten “Snow-White” zeigen, dass sie auch richtig aggressiv schreien kann – eine Facette von ihr, die man ihr, wenn man die letzten Veröffentlichungen der Band nur oberflächlich verfolgt hat, gar nicht zugetraut hätte und die nicht wenige Besucher in Verzückung versetzte. Der Hit der Band, “Ravenheart”, kam erwartungsgemäß am besten an, doch war die Stimmung, nachdem das Publikum einmal aufgetaut war, konstant auf einem sehr hohen Level. Ein starker Auftritt, mit dem XANDRIA viele Kritiker überrascht haben dürften.

ASP

ASP auf dem Castle Rock 7
Asp legte diesmal auch gesangstechnisch eine respektable Leistung hin.


Vor zwei Jahren spielten ASP bereits auf dem CASTLE ROCK, damals noch als drittletzte Band – nun also schon wieder, allerdings eine Position höher, ein deutliches Zeichen dafür, dass Veranstalter und Fans einen Narren an den Frankfurtern gefressen haben: Vom Auftritt, den die Band 2004 hinlegte, blieb in erster Linie die ganz und gar nicht überzeugende, von viel zu vielen schiefen Tönen durchsetzte Gesangsleistung von Frontmann und Namensgeber Asp im Gedächtnis haften. Offenbar hat dieser in der Zwischenzeit an sich gearbeitet, denn wenn er auch weiterhin kein Sangesgott ist und wohl auch niemals werden wird, so legte er diesmal doch eine respektable Leistung hin, mit der sich auch weniger selbstbewusste Personen auf die Bühne trauen würden. Mit seinen irren Grimassen und seiner starken Austrahlung, der Pyroshow und einer Setlist voller Hits konnten ASP dann auch gar nichts mehr tun, um das Publikum gegen sich aufzubringen. Klassiker wie “Sing Child” oder “Und Wir Tanzten” wurden abgefeiert, und der Schlosshof verwandelte sich in eine große Tanzfläche. Als Zugabe gab es zudem die Hymne “Ich Will Brennen”, bei der als Showeinlage ein brennender Stuntman Bier brachte. Ein energiegeladener Auftritt, der stimmungsmäßig die Show von XANDRIA noch einmal toppen konnte.

SUBWAY TO SALLY

Subway To Sally auf dem Castle Rock 7
Jede Menge Pyro-Effekte: SUBWAY TO SALLY


Die “Julia und die Räuber”-Gesänge der zahlreich anwesenden SUBWAY TO SALLY-Fans in den Umbaupausen begannen schon mehrere Stunden vor dem Auftritt der Headliner, auf die Nerven zu gehen – zu oft hat man dieses Lied mittlerweile auf etlichen Veranstaltungen gehört. So gab es also einen Grund mehr sich darauf zu freuen, dass Frau Schmitt und ihre Jungs endlich loslegen würden. Dies taten sie dann auch mit dem Dreierpack “Sarabande de Noir”, “Schneekönigin” und “Feuerland” vom aktuellen Album, unterstützt von jeder Menge Kunstschnee, der auf die ersten Reihen hinab rieselte, Pyroeffekten und Feuerspucker-Einlagen von Eric Hecht. Alles in allem bot die Show wenig Überraschendes, sprich, die Setlist ähnelte der des letztjährigen SUMMER BREEZE-Gigs, wobei nun natürlich mehr Stücke vom damals erst kurz bevorstehenden “Nord Nord Ost” gespielt wurden. Ansonsten gab es, abgesehen vom akustisch dargebotenen “Minne”, einem kleinen Ausschnitt aus dem Akustikset, mit unter anderen “Die Schlacht”, “Henkersbraut”, “Falscher Heiland”, “Sag dem Teufel”, dem “Veitstanz” und der Zugabe “Julia und die Räuber” ein altbewährtes Best-Of-Programm, mit dem die Potsdamer aber offenbar immer noch punkten können. Die Songs haben ja auch nichts von ihrer Klasse verloren, wie die Reaktionen des Publikums zeigten. Aber nicht nur das Liedgut war altbewährt, sondern auch ein Teil der Ansagen, ganz zu schweigen vom obligatorischen, von Eric Fish eingeforderten Schrei, der doch ein wenig überstrapaziert wurde. SUBWAY TO SALLY agierten gewohnt professionell und schafften es mühelos, ihre Fans zufrieden zu stellen. Eine etwas gewagtere Songauswahl und ein wenig mehr Spontaneität hätten der Show aber dennoch gut getan.

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