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SAGA: House Of Cards

Im 23. Jahr ihrer Bandgeschichte erleben SAGA tatsächlich einen zweiten musikalischen Frühling. Ein Album voller Höhepunkte, das auf Anhieb überzeugt, seine wahren Stärken allerdings erst nach und nach und im Detail entfaltet. Typisch SAGA eben. Und gänzlich demenz- und rheumafrei…

Rockmusik hat im Laufe ihrer Geschichte schon so Manches mitmachen müssen. Eine der widerlichsten Heimsuchungen war und ist fraglos DIE Sorte ergrauter Altherren-Combo, der das nötige Maß an Stolz und Anstand fehlt, um sich rechtzeitig in den Ruhestand zu begeben. Und die zu allem Überfluss noch glaubt, die Welt wolle halbgare Aufgüsse alter Hits und vergangener Großtaten.

Was das mit SAGA zu tun hat? Nichts – Gott sei Dank! Obgleich ich 1999 mehr als skeptisch war, als die berühmt-berüchtigte Ankündigung, man wolle back to the roots gehen, die Nachrichtenrubriken einschlägiger Medien zierte. Doch das folgende “Full Circle” machte seinem Namen tatsächlich alle Ehre und schloss den Kreis zum Frühwerk der Kanadier. Kein müder Abklatsch, sondern eine Sammlung vertraut klingender Songs, die trotz aller Anklänge an alte Tage weder angestaubt noch abgegriffen wirkte. Der Band war es tatsächlich gelungen, den altbekannten Sound solcher Klassiker wie “Silent Knight” oder “Worlds Apart” noch einmal aufzupolieren und in ein modernes, frisches Gewand zu stecken.

In puncto Songwriting ist “House of Cards” sogar stärker als der Vorgänger

Das präzise Drumming des Schlagzeugers Steve Negus, die sphärischen Keyboards Jim Gilmours, der dezent vibrierende Bass Jim Crichtons, die abgehackten, prägnanten Gitarren-Riffs und -Leads seines Bruders Ian Crichton: Alles war an seinem Platz und klang so unverkennbar wie eh und je. Selbst die Stimme Michael Sadlers ließ keinerlei Anzeichen von Verschleiß erkennen, und wäre da nicht die ungemein saubere und druckvolle Produktion, man hätte sich noch einmal im Jahre 1982 wähnen können. Doch das Erstaunlichste: Nicht nur klanglich konnten SAGA an alte Tage anknüpfen, auch qualitativ fehlte nicht viel zu besagten Meilensteinen anspruchsvoller Rock-Musik.

Und 2001? Da erscheint “House Of Cards” und belegt eindrucksvoll, dass die Renaissance des klassischen Bandsounds mehr war als nur ein vorübergehendes Strohfeuer. Logo und Cover-Stil (Motiv ist einmal mehr die berühmte SAGA-Ameise Lost Boy) sind ebenso gleich geblieben wie die neue alte musikalische Ausrichtung, und selbst die legendären “Chapters” werden fortgesetzt. Und entpuppen sich als Höhepunkte eines Albums, das in puncto Songwriting gar noch stärker ausgefallen ist als sein direkter Vorgänger. Chapter 11, genannt “Ashes To Ashes”, klingt über weite Strecken sphärisch-melancholisch, entlädt sich aber in einem typischen SAGA-Refrain, den Sadler souverän dramatisch interpretiert. Chapter 15, “We`ll Meet Again”, erinnert gar entfernt an eine Kreuzung aus “Wind Him Up” und “Don’t Be Late” und geizt nicht mit spielerischen Feinheiten, die ebenso kompakt wie unprätentiös in Szene gesetzt wurden.

SAGA finden den optimalen Mittelweg zwischen Anspruch und Zugänglichkeit

Zweifellos eine der Stärken SAGAs: Kaum eine andere Band hat es jemals so perfekt verstanden, technisch komplexe Arrangements mit der Kraft energetischen (Hard) Rocks und der zwingenden Eingängigkeit pop-naher Arrangements zu versöhnen und so einen Stil zu schaffen, der den optimalen Mittelweg zwischen Anspruch und Zugänglichkeit geradezu definiert.

Die souveräne Leichtigkeit, mit der die Band die Songs wie den Opener “God Knows” (ein betont rhythmisch angelegtes Stück im Stile von “Humble Stance”, dessen Refrain enorme Tiefenwirkung entfaltet und sich nach mehreren Hördurchgängen tief ins Gedächtnis gräbt), das flott-treibende “Runaway” oder das überaus melodische, in den Strophen geradezu lässig klingende “Always There” (das auch auf dem eher poplastigen “Wildest Dreams” nicht deplaziert gewesen wäre) inszenieren, ringt Bewunderung ab. Der stille Hit des Albums heißt allerdings “Only Human”: ein melancholisches, im besten Sinne sentimentales Stück Pop Rock, wie es perfekter nicht klingen könnte.

Fazit: Im 24. Jahr ihrer Bandgeschichte erleben SAGA tatsächlich einen zweiten musikalischen Frühling. Ein Album voller Höhepunkte, das auf Anhieb überzeugt, seine wahren Stärken allerdings erst nach und nach und im Detail entfaltet. Typisch SAGA eben. Und gänzlich demenz- und rheumafrei…

Veröffentlichungstermin: 12.02.2001

Line-Up:

Michael Sadler – Vocals
Ian Crichton – Guitars
Jim Gilmour – Keyboards
Jim Crichton – Bass
Steve Negus – Drums

Label: SPV

SAGA “House of Cards” Tracklist

  1. God Knows
  2. The Runaway
  3. Always There
  4. Ashes to Ashes (Chapter 11)
  5. Once in a Lifetime
  6. Only Human
  7. That’s How We Like It!
  8. Watching The Clock (Instrumental)
  9. We’ll Meet Again (Chapter 15)
  10. Money Talks
  11. House of Cards
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