blank

TODAY IS THE DAY: Sadness Will Prevail

Ein Film, in dem man selbst der Hauptdarsteller ist und, so brutal es auch sein mag, sich selbst darin wiedererkennt…

Ich glaube nicht an Horoskope, habe mit Astrologie nichts am Hut, aber ein Freund sagte einmal zu mir, dass Skorpione eine selbstzerstörerische Ader haben. Die habe ich, das gebe ich zu. Und zufällig bin ich auf in diesem Tierkreiszeichen geboren. Wenn diese Regel tatsächlich zutreffen sollte, weiß ich auch schon, was für ein Sternzeichen Steve Austin, seines Zeichens Gründungsmitglied und kreativer Kopf der amerikanischen Ausnahmeformation TODAY IS THE DAY ist.

Dieses Album ist unglaublich, nach jedem Hördurchlauf fühle ich mich, als hätte ich Drogen genommen, so sehr reisst dieses intensive Stück Musik mit. Es ist anders, als alles, was ich bisher gehört habe, ein manischer Brocken schwerstverdaulicher Musik, den man entweder liebt und vergöttert oder auf alle Ewigkeiten verdammt. Ich habe manchmal große Hemmungen einer der beiden CDs ins Fach zu werfen, aber ist sie erstmal drin, werde ich süchtig. Süchtig nach dem Schmerz, nach dem Tritt in den Magen und der finalen Erlösung.

Steve Austin schrieb an diesem Monumentalwerk des Lärms ganze drei Jahre und herausgekommen sind 30 Songs, die dem Wahnsinn verfallen sind. Ernsthaft, ich möchte Steve Austin nicht während des Aufnahmeprozesses miterlebt haben. Seine unkontrollierbaren Gefühlsausbrüche, die genauso vorhersehbar sind, wie der liebe Schoßhund, der plötzlich ein Familienmitglied anfällt, sind manchmal nicht auszuhalten. Die noisigen Gitarrenwände sind von Schmerz erfüllt, die Attacken auf den Drums sind völlig irre und der kreischende Gesang geht durch Mark und Bein. Viele kaputte Samples (Butterflies) stellen für den Hörer eine Zerreißprobe dar. Der gnadenlose Seelenstriptease wird durch ungewöhnlich ruhige Songs wie Death Requiem oder Invincible erweitert. Gerade bei letzterem Song ist die aufbauende Spannung schier unerträglich. Ich fand mich jedenfalls zusammengekauert auf meinem Sofa mit Ganzkörpergänsehaut wieder, als ich den Songs zuletzt gehört habe.

Die erste CD endet mit einem krassen Geräusche-Outro; danach hat sich der gebeutelte Hörer eine richtige Auszeit verdient. Ich schwöre euch, eine kleine Pause ist enorm wichtig um weiterhin mitfiebern zu können und die Aufmerksamkeit der kranken Ehrlichkeit von TODAY IS THE DAY zu schenken. So anstrengend wie die ersten 72 Minuten ist der zweite Teil dann doch nicht, es wird weit mehr Wert auf nachvollziehbare Songstrukturen gelegt und der Anteil an kranken Samples wurde reduziert, wenngleich das 23-Minütige Never Answer the Phone zu 90 % daraus besteht. Der Song wie Vivicide gibt dem Geschehen durch den klaren Frauengesang sogar eine hoffungsvolle Note. Dennoch ist auch dieser Teil von Sadness Will Prevail alles andere als geeignet für Otto Normalhörer. Und selbst, wenn es so scheint, als würde die erste Scheibe für dieses Album völlig ausreichen, so werden Austins Kompositionen in dem zweiten Block vertieft und stellen eine logische Fortführung des Themas dar.

Die Intensität dieses Werkes ist einfach unglaublich. Eine dichtere Atmosphäre schafften bislang nur NEUROSIS, die Emotionalität ist sowohl mit MY DYING BRIDE als auch mit CONVERGE gleichzusetzen und die ambitionierte Instrumentierung ist innovativ. Klassische Instrumente, wie die Violine von Kris Forge (AMBER ASYLUM) in konsequenter Verbindung mit modernen Samples und Synthis verschafft, wie oben bereits erwähnt, die reinste Ganzkörpergänsehaut.

Sadness Will Prevail, der Albumtitel ist Programm und lässt den Hörer ausgelaugt zurück. Danach braucht man Stärkung, doch Appetit hat man garantiert nicht. Man ist einfach leer, versucht nach Luft zu schappen, aber es gelingt nur mühsam. Ich habe noch nie ein Album gehört, dass mich so aufgepeitscht hat, das mich so runtergezogen hat um mich als leere Schale zurückzulassen. Dieses Album ist ein Film, in dem man selbst der Hauptdarsteller ist und, so brutal es auch sein mag, sich selbst darin wiedererkennt. Worte können Sadness Will Prevail eigentlich nicht beschreiben, ich hoffe für meinen Teil, dass ich euch wenigstens ein bisschen was rüberbringen konnte und ich hoffe, dass ihr, sofern ihr keine Scheuklappen besitzt, diesem Werk eine Chance gebt, so schwer es euch auch Fallen mag.

Spielzeit: 145:02 Min.

Line-Up:
Steve Austin – Vox, Guitars, Piano, Samples, Keys, Bass
Chris Debari – Bass
Marshall Kilpatric – Drums, Percussion

Additional Musicians:
Kris Force – Electric & Accoustic Violins
Jackie Gratz – Electric Cello
Mark Morton – Electric Guitars
Wrest Leviathan – Samples
Seth Putnam – Vox

Produziert von Steve Austin
Label: Relapse Records

Homepage: http://www.todayistheday.org

Tracklist:
CD1 (X):
1. Maggots and Riots
2. Criminal
3. Distortion of Nature
4. Crooked
5. Butterflies
6. Unearthed
7. The Descent
8. Death Requiem
9. Christianized Magick
10. Voice of Reason: Vicious Barker
11. Face After the Shot
12. The Ivory of Self-Hate
13. The Nailing
14. Mistake
15. Invincible
16. Aurora
17. Sadness Will Prevail

CD2 (Y):
1. Myriad
2. Spaceship
3. Flowers Made of Flesh
4. Your Life is Over
5. Control the Media
6. Vivicide
7. Miasma
8. Times of Pain
9. Breadwinner
10. Friend
11. Never Anwer the Phone
12. I Live to See You Smile
13. Sadness Will Prevail Theme

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner