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L´ACEPHALE: Mord und Totsclag

Grimmiger, intelligenter Black Metal in rauester Hülle – großartig!

Eine kontroverse Band sind L´ACEPHALE, das sei von vornherein gesagt. Nicht nur, dass die ungemütlichen, trendfreien, bitterbösen und räudigen Black Metal spielen, auch ihr Konzept ist verwirrend, bizarr und okkult, für schwache Nerven nicht zu empfehlen. Dazu gibt die Band als Inspirationsquellen diverse, schwer diskutierte Bands an, doch die politischen Bedenken werden schnell zerstreut, wenn man sich über den Namen informiert: Acephale war ein 1936 von George Bataille gegründeter Geheimbund, dem auch etliche Juden angehörten, sowie eine damals von diesem herausgegebene Zeitschrift, die sich um eine Wiedergutmachung an Nietzsche bemühte, da dessen Schwester sein Werk an den Nationalsozialismus anzubinden versuchte.

Aurora Borealis, das zum linken Label Southern Records gehört, veröffentlicht nun das erste Album von L´ACEPHALE wieder und das in einer großartigen, liebevollen Aufmachung, welche die finstere, misanthropische Musik besser nicht unterstützen könnte. Man weiß bereits vor dem ersten Hören, dass hier etwas Forderndes, Böses lauert. Etwas, dem man nicht Herr werden kann, das einen höchstens verschlingt und bricht. Nach einem kurzen Intro schöpft Bandkopf und zur Zeit der Aufnahmen einziges Bandmitglied, Set Sothis Nox La, aus den Vollen. Man hat das Gefühl, die folgenden 80 Minuten werden wohl nie enden: Unterproduziertes Geschrammel, völlig übersteuertes Gekreische, kaum zu hörendes, programmiertes Schlagzeug und wenig abwechslungsreiche Riffs lassen die erste Hälfte von Terror is Our Tenderness zunächst wie eine halbe Ewigkeit wirken. Mittendrin reißt dieses Stück dann doch mit und der erste Schritt, in die Musik zu finden, ist getan.

Es sind einige stilfremde Elemente in Mord und Totsclag zu finden, The Book of Lies beginnt opulent und okkult, den Einfluss von klassischer Musik merkt man hier deutlich. Heartless & Miserable hingegen macht erste Annäherungen in Richtung Neofolk. L´ACEPHALE verschmelzen dies in Against a Weeping Sea of Sleep, das nach leisem Beginn urplötzlich als rasendes, ekelhaftes Black Metal-Stück beginnt und dann leise, aber umso bedrohlicher den Hörer mehr und mehr fertig macht. Trotz seiner 21 Minuten weist der Song keine Längen auf, zumindest nicht, wenn man sich die Musik mit geschlossenen Augen anhört und sie richtig auf sich wirken lässt. Das ist pure Atmosphäre und lässt selbst den hartgesottensten Genrefreund noch erschaudern. Fast Drone Doom-mäßig ist dann Immeasurably Dreary, das auf eindrucksvolle Art und Weise die Verwandtschaft von Black Metal und den Drone-Meistern SUNN o))) aufzeigt. Etwas dezenter ist das epische Psalm of Misery, das leicht hymnenhafte Anflüge hat – gleichzeitig ist es auch das beste Stück des Albums.

Mit dem Industrial mäßigem, sich immer wiederholenden Outro Euntes Ibant et Flebant, das vom polnischen Komponisten Henryk Mikołaj Górecki inspiriert wurde, verabschieden sich L´ACEPHALE und beschwören dabei den Schrecken des zweiten Weltkriegs herauf, mit Samples, die schwer im Magen liegen. Nur hier schleichen sich ein paar Längen ein, durch den Charakter eines Outros wiegt dieser Punkt jedoch nicht allzu schwer. Der Gesamteindruck des Albums ist für diejenigen, die Black Metal jenseits von Satan und Corpsepaint suchen, ein ganz ausgezeichneter. Hier wird gedacht, sowohl musikalisch als auch lyrisch. Lärm ist Mord und Totsclag nicht, das ist bitterböse, atmosphärische Musik, die philosophisch und misanthropisch angehaucht, den Geist einiger europäischer Philosophen und Künstler des frühen zwanzigsten Jahrhunderts neu belebt.

Sicherlich ist Mord und Totsclag miserabel produziert, aber das ist hörbar so gewollt. Der enorme Abwechslungsreichtum lässt die Scheibe nicht langweilig werden, für dieses Debüt nimmt man sich gerne immer wieder 80 Minuten Zeit, um sich selbst – bevorzugt des Nächtens – in den düsteren Sphären des eigenen Gehirns treiben zu lassen. Wer an räudigem Black Metal wie TWILIGHT und WOLVES IN THE THRONE ROOM Gefallen findet, atmosphärische Passagen wie von HARVESTMAN mag und das SUNN o)))-Meisterwerk Black 1 liebt, der sollte L´ACEPHALE und ihrem einzigartigen Debüt auf jeden Fall ein Ohr schenken.

Veröffentlichungstermin: 17. August 2007

Spielzeit: 78:59 Min.

Line-Up:
Set Sothis Nox La – Vocals, Guitar, Bass, Programming

Produziert von Set Sothis Nox La
Label: Aurora Borealis

Homepage: http://www.myspace.com/lacephale

Email: bataille23@hotmail.com

Tracklist:
1. Bermib Ponitur Omnis Honor
2. Terror is Our Tenderness
3. The Book of Lies
4. Heartless & Miserable
5. Endless Holocaust of Night
6. Against a Weeping Sea of Sleep
7. Immeasurably Dreary
8. Funeral Procession
9. Psalm of Misery
10. Euntes Ibant et Flebant

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