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GREEN CARNATION: Light Of Day, Day Of Darkness

Ein Song? Über eine Stunde lang? Sowas kann doch eigentlich nur öde sein, oder? Isses aber nicht!

Ein Norweger, der mit seiner Band ein über einstündiges Monumentalwerk eingespielt hat? Wenn man da Übles denkt, liegt der Verdacht nahe, daß es sich bei GREEN CARNATION um die Ergüsse eines spitzohrigen Waldschrats handelt, dem die vielen Spaziergänge durch dichte, schneebedeckte Wälder und an vereisten Fjorden entlang auf die Hirnrinde geschlagen haben und der nun einen neuen Laaaangweilerrekord mit gepflegtem akustischem Nichts aufstellen will. Falsch gedacht!

Light Of Day, Day Of Darkness ist mit Sicherheit das inspiriertste überlange Epos, das ich seit Echoes und Shine On, You Crazy Diamond vernehmen durfte! Und diese Stücks haben immerhin auch schon so ein Vierteljahrhundert auf dem Buckel… GREEN CARNATION, ein Projekt um Tchort (einigen Lesern vielleicht noch von EMPEROR und SATYRICON her bekannt), begeistern mit einem facettenreichen, stets passend arrangierten Track, der, um das erstmal klarzustellen, rein gar nix mit Black Metal zu schaffen hat.

Überraschende Wendungen in epischer Breite

In epischer Breite werden hier vielmehr ergreifende doomige Riffs, sphärische Psychedelic-Klänge, DEAD CAN DANCE– bzw. DELERIUM-artige Ethnosounds und natürlich die unvermeidlichen PINK FLOYD-Anleihen zu einem homogenen Ganzen vermischt. Langweilig wird das zu keiner Zeit, vielmehr wartet man gespannt darauf, welche Wendung Light Of Day, Day Of Darkness als nächstes nehmen wird, um dann doch wieder überrascht zu werden von der kompositorischen Vielfalt dieses überaus inspirierten Stücks. Und auch beim mehrmaligen Hören blitzen plötzlich zuvor untergegangene Klangperlen auf und schlagen einen erneut in den Bann der mal besinnlich-meditativen, mal wehmütig-treibenden Musik.

GREEN CARNATION vereinen Düsternis, Hoffnung, Euphorie

Die klaren Gesänge fügen sich sehr schön in die Gesamtstimmung ein, gegen Ende des zweiten Drittels erklingt sogar eine fast schon an Lisa Gerrard herankommende Frauenstimme, bevor ein neuer Spannungsbogen in Angriff genommen wird. Dabei werden nicht schlichtweg nur Teile aneinandergereiht, sondern Motive aus dem steten Fluß des Songs heraus motiviert eingesetzt, später dort wiederholt und variiert, wo es sinnvoll erscheint, um dem Track einen gewissen Rahmen zu verleihen. Je mehr man sich mit diesem Werk auseinandersetzt, umso eindringlicher berührt es mit einem zarten Hauch die Seele, läßt einen tief durchatmen und in sich gehen. Was so besonders ist an GREEN CARNATION, ist auch die nicht durchgängig finstere Grundstimmung. Statt einfach nur Trübsal zu blasen, fängt die Band eine äußerst komplexe Atmosphäre ein, die durchaus auch Hoffnungsschimmer und Momente der Euphorie miteinschließt. Als Beispiel sei hierfür nur mal das ausufernde, majestätische Gitarrensolo im Schlußdrittel genannt.

Die Antithese zu allem Oberflächlichen, Seichten in der Musik dieser Tage

GREEN CARNATION biedern sich nicht an, plustern sich nicht auf, sondern konzentrieren sich auf das Emotionale in ihrer Musik, wobei sie sich auch mal improvisatorisch fallen lassen können. Natürlich kann man miesepeterisch behaupten, daß aus dem einen Mammutstück locker einfach mal acht, neun konventionelle Stücke hätte formen können. Doch wozu? In dieser Form wirken GREEN CARNATION gewissermaßen noch eindringlicher als Antithese zu allem Oberflächlichen, Seichten in der Musik dieser Tage. Sie fordern Aufmerksamkeit, Mühe und Beschäftigung mit ihren Klanggerüsten. Und das ist gut so.

Spielzeit: 60:08 Min.

Line-Up:
Tchort – Akustik- und E-Gitarre

Björn H. – Leadgitarre, Slide, E-Bow

Stein R. – Bass

A. Kobro – Schlagzeug

Kjetil Nordhus – Gesang

Produziert von Endre Kirkesola
Label: Prophecy Productions

Tracklist:
Light Of Day, Day Of Darkness

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