ELDRITCH: Headquake [Re-Release]

Müsste ich die Entwicklung von ELDRITCH auf ihrem zweiten Album mit einem Wort beschreiben, wäre es Harmoniemutation. Die CD ist über weite Strecken ein ungebrochen zeitloses Qualitätswerk in Sachen postfatalistischer Progressive Metal – falls es so etwas gibt.

Müsste ich die Entwicklung von ELDRITCH auf ihrem zweiten Album mit einem Wort beschreiben, wäre es Harmoniemutation. Die fünf Italiener haben auf der ursprünglich 1997 erschienenen CD den Stil des Erstlings Seeds Of Rage beibehalten, jedoch einzelne Elemente stärker in den Vordergrund gerückt. Gleichzeitig fehlen die offensichtlichen DREAM THEATER-Einflüsse.

Headquake beginnt mit sich langsam steigernden Kadenz aus Flächenklängen, die in den Opener Ghoulish Gift münden. Ein qualvoller Schrei mischt sich ein, entpuppt sich jedoch als Synthesizer. Dann legt die gesamte Band los und gibt ordentlich Gas. Einzig der Gesang beschränkt sich anfangs auf ein hinterlistiges Flüstern. Die Stimmung entspricht der, die man beim Anschauen von überdimensionaler Vernichtung im Zeitraffer hat. Sie ist von Verlust und Qual geprägt, besitzt aufgrund ihres unnatürlichen Verlaufs jedoch ästhetische Reize. Besonders der eindringliche Refrain besticht durch seine direkte Wirkung und durch den kräftigen Gesang von Terence Holler.

The Last Embrace ist vergleichsweise schleppend ausgefallen. Erneut herrscht eine für Progressive Metal-Verhältnisse düstere Atmosphäre. Dazu kommt, dass ELDRITCH sich komplett von sozialkritischen Texten abgewandt haben und stattdessen (nicht minder gelungene) rätselhafte, metaphorische Emotionsfragmente erdichten. Folglich ist die Halbballade, die musikalisch einige Parallelen zu den ruhigen Momenten des Debüts aufweist, erstaunlich aufwühlend und bedrückend ausgefallen. Zuvor demonstriert die Band mit Lord Of An Empty Place, dass sie stilsicher eingängige Songs schreiben kann – sicherlich ein Höhepunkt des Albums!

Bis hier ist Headquake ein ungebrochen zeitloses Qualitätswerk in Sachen eigenständiger Progressive Metal. Bei At The Restless Sea beginnt dann jedoch die eingangs erwähnte Harmoniemutation. Dissonante Akkorde werden mit perlenden Tonfolgen verziert und werden unvermittelt von metallische Riffs abgelöst. Der Gesang greift nicht mehr nach der Aufmerksamkeit der Hörerschaft, sondern setzt sich neben sie auf das Sofa und gemeinsam schauen sie sich im Fernsehen den Weltuntergang an. Die Keyboards ergänzen das Klangbild nicht durch Weichfärberei – sie geben mit einem aggresiven Unterton zu verstehen, dass die Chips alle sind. Das Cover (aus der Feder von Keyboarder Oleg Smirnoff) fängt diese Grundstimmung perfekt ein.

Wenn Salome´s Dance ein Tanzlied ist, spielen PAIN OF SALVATION Samba. Erase flirtet offen mit rastlosem Speed Metal. Nicht zuletzt deshalb ist es mein Lieblingslied auf dem Album. Zwischendurch gibt es einen gedankenverlorenen Mittelteil, der am Ende ein zweites Mal aufgegriffen wird und das Stück kontraintuitiv mit einem entrückten Solo beendet. Die letzten drei Stücke unterstreichen anschließend, dass Headquake keine nette CD ist. Was in der ersten Hälfte noch anspruchsvoll wirkte, wird zunehmend anstrengend und manchmal sogar unangenehm. Erst der vormals nur in Japan erhältliche Bonustrack Walking Alone weist wieder die mitreißenden Qualitäten auf, die ELDRITCH seinerzeit zu einer der interessanten Bands des Genres machten.

Die beiden Demos Challenger und Public Opinion stammen aus der Zeit vor dem ersten Album und klingen dementsprechend relativ unreif. Die stilistischen Merkmale sind zwar erkennbar, die großen Melodien fehlen aber noch. Zu unschlüssig wurden die beiden Nummern strukturiert. Außerdem landeten die besseren Demo-Songs dieser Zeit auf Seeds Of Rage. Zuletzt gibt es eine hörenswerte Neuaufnahme von Erase. Die unerwartet effektiven cleanen Gitarre im Refrain verleihen dem Song eine ungewohnte Dynamik. Das Arrangement wirkt durch die fehlenden Keyboards kompakter. So sollte postfatalistischer Progressive Metal klingen – falls es so etwas gibt.

Das Bonusmaterial, das besser als das von Seeds Of Rage ist, rechtfertigt den Zweitkauf jedoch nur bedingt. Aufgeschlossenen Prog-Fans, die Headquake bislang nicht kennen, kann ich die Wiederveröffentlichung jedenfalls empfehlen.

Veröffentlichungstermin: 26.05.2006

Spielzeit: 79:15 Min.

Line-Up:
Terence Holler: Gesang
Eugene Simone: Gitarre
Martin Kyhn: Bass
Adriano Dal Canto: Schlagzeug
Oleg Smirnoff: Keyboard

Produziert von ELDRITCH
Label: Limb Music Products

Homepage: http://www.eldritchweb.com

Tracklist:
1. Blood From The Cradle (Intro, ursprünglich Teil von Ghoulish Gift)
2. Ghoulish Gift
3. The Last Embrace
4. Lord Of An Empty Place
5. Sometimes In Winter
6. At The Restless Sea
7. Salome´s Dance
8. Erase
9. The Quest(ion)
10. Clockwork Bed
11. Dawn Of The Dying

Bonustracks:
12. Walking Alone (Japan Bonus)
13. Challenger (Demo 1993)
14. Public Opinion (Demo 1993)
15. Erase (Rehearsal 2006)

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