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QUEENSRYCHE: Operation: Mindcrime 2

WOW – wer hätte erwartet, dass sich QUEENSRYCHE nochmals fangen. Zwar ist die erste Hälfte des Albums musikalisch nahezu belanglos, durch die Story und die zweite Hälfte des Albums kann "Operation: Mindcrime" dennoch fesseln und überzeugen.

Hand aufs Herz: wer behauptet, er würde an dieses Album völlig vorurteilsfrei herangehen, der lügt. Auf Operation: Mindcrime II liegt ein übermächtiger Schatten aus der Vergangenheit. Mit dem ersten Teil haben die Seattler Metal-, wenn nicht sogar Musikgeschichte geschrieben. Selbst nach vielen Jahren und unzähligen Hördurchläufen hat das 1988 veröffentlichte Operation: Mindcrime nichts und rein gar nichts von seiner Faszination verloren. Diese Mischung aus genialen Songs, einer nachvollziehbaren Storyline und einer unglaublichen Fülle an Interpretationsansätzen ist schlichtweg atemberaubend. Und auch heute habe ich immer noch das Gefühl, als hätte ich die Geschichte um Nikki, Sister Mary und Dr. X gerade mal zu einem Bruchteil durchdrungen.

Wer glaubt, QUEENSRYCHE könnten dieses Album nochmal toppen, und das, nachdem die Band in den letzten Jahren reichlich orientierungslos durch die Musiklandschaft zog, der kann nur enttäuscht werden. Der kleine Funke an Hoffnung, den ich noch in mir hatte, dass QUEENSRYCHE sich vielleicht doch nochmal fangen, war nach den ersten Hörproben aus dem Internet völlig erloschen.

Und nun das. Wie bringe ich am besten glaubwürdig rüber, dass Operation: Mindcrime II ein verdammt starkes Album geworden ist? Und das, obwohl die erste Hälfte rein musikalisch nahezu belanglos ausgefallen ist. Operation: Mindcrime II ist definitiv kein Album, das man rein an den einzelnen Songs bewerten sollte. Wer hiermit seine Freude haben möchte, der sollte es als Ganzes betrachten und selbst wenn man sich später einzelne Songs herauspickt wird man den Gesamtkontext nie außer Betracht lassen können, um die Stücke voll zu genießen.

Wie gesagt: rein musikalisch beginnt Operation: Mindcrime II relativ nichtssagend. Der erste richtige Song I´m American startet im The Needle lies-Beat und wirkt dadurch beinahe schon anbiedernd. Dennoch, nach zwei drei Durchläufen läuft einem der Song recht gut rein und Geoff Tate trägt einen großen Teil dazu bei. One Foot in Hell ist ein Paradebeispiel dafür wie es klingt, wenn amerikanische Metal-Bands ohne echte Inspiration Songs schreiben – ausgelutschte Riffs werden durch nichtssagende Melodielinien ergänzt. Dass QUEENSRYCHE auch musikalisch die Themen des ersten Teils weiterspinnen wollten, wird dann spätestens bei The Hands deutlich, bei dem die Gitarrenmelodie von Breaking the Silence mit viel Gefühl eingeflochten wurde. Das sind dann auch die Momente in der ersten Hälfte des Albums, die einen packen und die Spannung halten. Dies und einige hervorragende Vocalperformances von Geoff Tate.

Auch in der Geschichte passiert noch nicht allzu viel. Nach 18-jähriger Haftstrafe wird unser tragischer Held Nikki in die Freiheit entlassen und noch immer scheint er seinem Leben selbst keinen Sinn geben zu können. Rache ist es, was ihn vorantreibt, Rache an denen, die sein Leben zerstört und seiner großen Liebe, Sister Mary, das Leben genommen haben. Selbstverständlich finden auch einige gesellschaftskritische Töne ihren Platz in der Storyline.

Das, was den Hörer vorantreibt, das ist die unausweichliche Konfrontation. Das Aufeinandertreffen von Nikki mit Dr. X. Und dafür sollte man der Band auch die Möglichkeit geben, auf diese hinzuarbeiten. Natürlich fällt es nicht leicht, völlig unnütze Songs wie Speed of Light zu ertragen und ganz bitter wird es, wenn QUEENSRYCHE gegen Ende des Songs vermutlich unfreiwillig You win again von den BEE GEES zitieren. Doch die erste Hälfte des Albums hat nicht nur schlechte Musik zu bieten, da sind schon auch einige lichte bis sehr gute Momente enthalten.

Richtig in Fahrt kommt Operation: Mincrime II dann aber mit The Chase. Ab jetzt zeigen sich QUEENSRYCHE in einer Form, wie man sie schon Jahre nicht mehr erlebt hat. Das Zwiegespräch zwischen Dr. X, dargestellt von Ronnie James Dio, und Nikki ist einer der ganz großen Momente dieses Albums und lebt von der Theatralik der Performer. Nikki hat das Objekt all seines Hasses gefunden und bringt es zur Strecke. Der Moment, dem er seit Jahren entgegengefiebert hat ist gekommen. Doch was bleibt ihm nun noch? Völlige Leere. Erneut ist Nikki dort angekommen wo er war, als Dr. X ihn unter seine Fittiche genommen und seinem Leben eine Bedeutung gegeben hat. Verzweifelt sucht er nach dem Sinn in all seinen Taten und kämpft mit dem Gewissen der Gesellschaft, seinem eigenen und dem seiner großen Liebe. Und diese innere Zerissenheit haben QUEENSRYCHE wirklich spannend, abwechslungsreich und vielfältig inszeniert. Der zweite Teil von Operation: Mindcrime II bietet so viele musikalische und textliche Ideen, dass man sich selbst immer wieder völlig in der eigenen Gedankenwelt, in die einen QUEENSRYCHE führen, versunken vorfindet. Auch hier blitzen viele Leitthemen aus dem ersten Teil durch, aber auch genauso hervorragende Ergänzungen. Das bluesige Duett zwischen Geoff Tate und Pamela Moore in If I could change it all sei nur beispielhaft erwähnt, aber endlich, endlich kann Geoff Tate wieder sein ganzes Talent ausspielen. Das schafft Gänsehaut. Ergreifende Chorteile und dezent eingesetzte Orchesterarrangements runden das Gesamtbild ab und wer es zulässt, der erkennt, wie viel Arbeit QUEENSRYCHE tatsächlich in dieses Album gesteckt haben.

Auch nach mehrmaligem Lesen dieses Reviews stell ich mir immer noch die Frage, ob ich Operation: Mindcrime II zu gut bewerte. Denn tatsächlich ist es einfach so, dass QUEENSRYCHE hier nicht mit allen Songs überzeugen können. Hier gibt es keine Fülle an großartigen Liedern, die auch einzeln für sich stehen können, so wie es beim ersten Teil der Fall war. Aber kann das wirklich ein Kriterium sein, wenn einen ein Album derart fesselt, wie es Operation: Mindcrime II macht? Ich sage nein und nachdem QUEENSRYCHE für mich nach Promised Land in der Bedeutungslosigkeit verschwunden sind, haben sie mich jetzt wieder voll auf ihrer Seite. Und das hätte ich im Leben nicht erwartet. So will ich abschließend nochmal betonen, dass man Operation: Mindcrime II auf keinen Fall mit seinem Vorgänger direkt vergleichen sollte. Nach 18 Jahren Knast verändert sich alles, also auch die Musik. Und dennoch wird die Geschichte von Nikki überzeugend weitergeführt, aus der Perspektive betrachtet vielleicht glaubwürdiger, als mit der besten Kopie des Meisterwerks. Oh Mann, freu ich mich jetzt schon auf die Liveinszenierung beider Teile und auf die hoffentlich darauf folgende DVD-Veröffentlichun…

Veröffentlichungstermin: 31.03.06

Spielzeit: 66:46 Min.

Line-Up:
Scott Rockenfield – Drums

Mike Stone – Guitar

Geoff Tate – Vocals

Eddie Jackson – Bass

Michael Wilton – Guitar

Produziert von Jason Slater
Label: CMM

Homepage: http://www.queensryche.com

Tracklist:
1. Freiheit Ouvertüre

2. Convict

3. I´m American

4. One Foot In Hell

5. Hostage

6. The Hands

7. Speed Of Light

8. Signs Say Go

9. Re-Arrange You

10. The Chase

11. A Murderer?

12. Circles

13. If I Could Change It All

14. An Intentional Confrontation

15. A Junkie´s Blues

16. Fear City Slide

17. All The Promises

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