Würde in der Metalszene ein Award für den Pechvogel des Jahres vergeben werden, so wären THE EXPERIENCE sicherlich heiße Anwärter darauf. Übel spielte ihnen das Business mit, so dass nach zwei exquisiten Alben über AFM – Realusion und Insight – das nicht minder hörenswerte Drittwerk Cid: Reflections of a Blue Mind als Eigenproduktion erscheinen musste. Entsprechend desillusioniert zeigte sich Bandkopf Roman Biewer im Interview, doch auch die Musik selbst sollte zur Sprache kommen…
Lass uns zunächst vielleicht das Geschäftliche klären: Nach zwei Alben bei AFM kommt Cid: Reflections of a Blue Mind nun als Eigenproduktion raus. Was waren die Gründe dafür, dass ihr nicht mehr bei AFM unter Vertrag seid und sich kein anderes Label für ein so professionell ausgearbeitetes und produziertes Album fand?
AFM war das Album zu sperrig, die hätten sich wahrscheinlich etwas mehr Hauruckmetal gewünscht. Danach waren wir ja kurzfristig bei B-Mind unter Vertrag, die aber ihren Vertrieb verloren, kurz, bevor unser Album erscheinen sollte, so dass die schließlich keine neuen Platten mehr veröffentlichen wollten. Na ja, irgendwann war das Album zweieinhalb Jahre alt, so dass wir uns genervt dazu entschlossen, das Ding alleine rauszuhauen.
Wie groß war der Frust bei euch, als klar war, dass Cid: Reflections of a Blue Mind lediglich als Eigenproduktion erscheinen kann und daher wohl nicht die Aufmerksamkeit bekommt, die das Album eigentlich verdient hätte?
Na ja, riesengroß, schließlich haben wir über ein Jahr daran gearbeitet.
Eigentlich wart ihr ja nach Insight fleißig wie die Bienchen und habt Cid: Reflections of a Blue Mind schon 2000 aufgenommen, erschienen ist die CD aber erst 2002. Lag das allein an der vergeblichen Labelsuche?
Ja, das Album lag wie oben bereits erwähnt ewig auf Eis, weil immer gerade jemand meinte, dass er es in einem halben Jahr veröffentlichen würde, es aber dann doch niemand gemacht hat.
Wie fühlt es sich an, über ein für euch bereits vor mehr als zwei Jahren entstandenes Werk nun Auskunft zu geben?
Ich mag die Platte ja noch, aber wir klingen mittlerweile recht anders und könnten locker wieder eine Platte aufnehmen. Aber bevor wir kein Label an der Hand haben, werden wir nie wieder mehr als Demos aufnehmen…
Besetzungstechnisch hat sich auch was getan, die Posten an Gitarre und Bass wurden mittlerweile neu vergeben. Wie kam´s?
Olli an der Gitarre ist ja schon länger dabei, und Carsten am Bass kam, weil Joe immer mehr Arbeit in seinem Studio hatte, und da wurde ihm die Zeit knapp…
Wie bist Du auf die Grundidee des Textkonzepts gekommen?
Ganz am Anfang stand die Idee, eine Art Siddhartha (von Hermann Hesse), das in der Neuzeit spielt, zu schreiben. Irgendwann baute ich mehr und mehr eigene Sehnsüchte und Wünsche ein, so dass höchstens noch der Name Cid: Reflections of a Blue Mind ein wenig was mit Siddhartha zu tun hat.
Hattet ihr auch Befürchtungen, bei einem so aufwändigen lyrischen Konzept die musikalische Seite ein wenig aus dem Augen zu verlieren bzw. ihr nicht genügend Sorgfalt zukommen zu lassen?
Nein, denn die Songs entstanden zunächst völlig unabhängig zu den Texten und wurden erst später an die Geschichte angepasst. Uns war zu jeder Zeit wichtig, dass auch jeder Song für sich stehen kann, sowohl textlich als auch musikalisch.
Wieviel Roman Biewer steckt in der Figur Cid?
Ich schätze mal, eine ganze Menge. Allerdings nicht nur Eigenschaften, die ich habe, sondern auch die, die ich gerne hätte.
Gib bitte Deinen Senf zu folgenden Alben ab, so Du sie kennst:
-PINK FLOYD: The Wall
Schöne Platte, ich bevorzuge allerdings eher die älteren Sachen wie Wish You Were Here oder Meddle, auf The Wall klingen sie mir schon fast ein bisschen zu 80er-like.
-QUEENSRYCHE: Operation Mindcrime
Habe ich früher sehr verehrt, ist natürlich immer noch eine richtig große Platte, aber zur Zeit kann ich einfach keine zweistimmigen Gitarren und hohen Gesang hören. Außerdem fehlt der Produktion der Bass und ein bisschen Rotz
-DIE ÄRZTE: Le Frisur
Kenne ich nicht.
Im Review wagte ich den Vergleich mit PAIN OF SALVATION, ist das für euch eine akzeptable Parallele oder nerven euch Vergleiche generell?
Nein, man vergleicht doch immer, obwohl natürlich jeder Musiker gerne hören würde, dass ausgerechnet er was ganz Neues erfunden hat, was seinesgleichen sucht. PAIN OF SALVATION habe ich erst einmal im Auto von einem Kumpel gehört, ich kann wirklich nicht sagen, ob es da Ähnlichkeiten gibt, kam mir damals eher nicht so vor.
Musikalisch berühren sich verschiedenste Genres bei euch. Powermetal, Prog, Gothic, PINK FLOYD – all das hat seine Spuren in eurem Sound hinterlassen, scheint es mir. Spiegeln sich darin verschiedene Geschmäcker der Bandmitglieder wider oder habt ihr alle so ein breitgefächertes Spektrum?
Eigentlich hört jeder dieses Spektrum. Irgendwie finde ich es traurig, dass das heute offenbar so erstaunlich ist. Wer musikalisch ist, und das sollte ein Musiker doch sein, muss doch merken, dass es nicht nur in einer Sparte Spannendes mit Qualität gibt.
Ich war so frei, in meinem Review Kritik an Deiner Stimme anzubringen. Wie sieht Du selbst Dich, fühlst Dich als Sänger oder mehr als Gitarrist, der den Gesang übernommen hat?
Eindeutig als Gitarrist, der den Gesang übernommen hat 😉 . Im Ernst: Ich habe mich nie als den Sänger vor´m Herrn empfunden, allerdings haben wir es auch nie geschafft, jemand zu finden, der uns ähnlich charakteristisch für unsere Musik erschienen hätte.
Gab es schon mal Überlegungen, den Gesang oder die Gitarre an ein weiteres Mitglied abzugeben, um Dich auf eins der beiden voll konzentrieren zu können?
Ja, wie gesagt schon oft, aber wir waren nie so richtig glücklich mit den Kandidaten…
Wie wichtig ist es euch, eure Songs live möglichst originalgetreu umsetzen zu können?
Ziemlich, aber das klappt ja auch. Schließlich sind wir fünf Leute auf der Bühne, und im Studio werden bei keineswegs 20 Gitarristen simuliert, die es nicht gibt. Jeder spielt seinen Part und fertig.
Wie sähe eine visuelle Umsetzung von Cid: Reflections of a Blue Mind aus, wenn ihr Geld für eine große Live- oder Videoproduktion hättet?
Haha, wie oft habe ich das schon geträumt. Ich denke mal, das Geschehen würde eher symbolisch dargestellt werden, die Band hätte nach wie vor großes Gewicht. Man könnte das ja auch eins zu eins spielen, aber das fände ich peinlich, schließlich sind wir eine Rockband und kein Puppentheater.
Dass euer Bandname mit Jimi Hendrixens Begleitband nichts zu tun hat, haben wir bereits im letzten Interview, damals für´s Eternity, geklärt. Nun würde mich noch interessieren, was der Bandname mittlerweile für euch persönlich bedeutet. Was für eine Erfahrung ist THE EXPERIENCE?
Ganz einfach, sich immer wieder musikalisch neu zu erfinden. Wie soll man sonst als erfolgloser Musiker den Spass daran behalten?
Nachdem Cid: Reflections of a Blue Mind zumindest für euch auch schon seine zweieinhalb Jährchen auf dem Buckel hat, gehe ich mal davon aus, dass ihr in der Zwischenzeit einiges an neuem Material zusammengetragen habt. Wohin führt der musikalische und auch der textliche Weg THE EXPERIENCE?
Also es gibt wie gesagt schon eine Menge neue Songs, die alle wesentlich moderner ausgefallen sind. Allerdings meint das keineswegs anbiedernder, ich glaube eher, dass wir jetzt noch mehr zwischen allen Stühlen sitzen werden. Textlich bin ich jetzt erst mal wieder rudimentärer an die Sache herangegangen, heißt: ganz normale Texte über mein Gefühlshaushalt, äußerst dicht am Geschehen und ohne metaphorischen doppelten Boden.
Wie sehen ansonsten eure Zukunftspläne aus? Besteht die Hoffnung, dass wir THE EXPERIENCE-Alben bald auch wieder im Plattenladen zu sehen und kaufen bekommen?
Wer weiss das schon? Ich habe keine Ahnung. Wir werden ein paar Songs aufnehmen, die rumschicken und auf den Erlöser hoffen.
Abschließende Worte?
Kauft unsere Platte, damit sich unsere Arbeit ein bisschen gelohnt hat. Danke!