Statt erst umständlich nach Ägypten zu fliegen und sich dort zusammen mit einer Horde Fotoapparat-bewehrter Touristen durch Pyramiden scheuchen zu lassen, kann man sich den Pharao-Grusel auch bequem ins heimische Kämmerlein holen. NILE haben ein neues Album rausgebracht, und wer sich Amongst The Catacombs Of Nephren-Ka wohlfühlte und bei wem die Black Seeds Of Vengenaceaufgegangen sind, wird von der aktuellen Veröffentlichung begeistert sein.
„In Their Darkened Shrines“ zeigt NILE von einer gereifteren, komplexeren Seite: Wo früher stimmungsvolle Intros, Zwischensequenzen und Outros für grabestiefe Dunkelheit sorgten, erklingen heute kompakte, homogene Hörspiele. Geprügelt wird noch immer ordentlich, doch mittlerweile verschmelzen die Amis Blasbeats und unheilvolle Beschwörungsformeln zu einer einheitlichen und undurchdringlichen Atmosphäre, statt beides nebeneinander wirken zu lassen. Extremgeschredder-Fanatikern mag das alles zu überladen und vollgestopft erscheinen. Doch was NILE allein mit dem ausufernden, knapp zwanzigminütigem titelgebenden Opus „In Their Darkened Shrines“ abliefern, ist eine songwriterische Meisterleistung. Dynamisch, mit nachvollziehbarem Konzept und fesselnd erzählen die Ägyptologen mit diesen Track eine Geschichte, die in sich stimmig und beeindruckend intensiv umgesetzt ist. Wer sich die Texte nicht durchliest und die wie immer sehr ausführlichen Erklärungen im Booklet nicht beachtet, bringt sich allerdings um ein Hörerlebnis der besonderen Art. Übrig bleibt nichtsdestotrotz hochklassiger Death Metal, der eigentlich gar kein Death Metal mehr ist – dafür sind die Songs einfach zu vielschichtig.
NILE verlieren durch die epischere Ausrichtung mitnichten an Brutalität. Doch statt nur den Knüppel aus den Mullbinden zu wickeln, schafft die Band auf viel subtilere Art Grauen: „Sarcophagous“ zum Beispiel vermittelt mit melodischen Parts undurchdringliche Dunkelheit, die man förmlich mit Händen fassen kann. Alle Songs sind mit unendlicher Liebe zum Detail arrangiert, zwischen typischen Death Metal Riffs erklingen Chöre, finstere Beschwörungen, exotische Instrumente, Samples und alles ist untrennbar miteinander verwoben.
Neben dem Titelsong sticht „Unas Slayer Of The Gods“ heraus, bei dem sich NILE ganz frech die Melodie von „Well Of Souls“ beziehungsweise dem Intro „Gothic Stone“ ausgeliehen haben – auf den nicht zu verleugnenden Einfluss des CANDLEMASS Albums „Nightfall“ weist Sanders übrigens in seiner Thanxlist hin. Wenn man aber eine Idee so zielsicher auswählt und so stimmig in den eigenen Sound integriert, dann darf man auch klauen.
Einziger Kritikpunkt an diesem Hammeralbum ist der Sound. Mit Tony Laureno (Ex-ANGEL CORPSE) haben die Amis einen begnadeten Drummer in die Probe-Katakomben gelockt. Schade nur, dass viele der Feinheiten des abwechslungsreichen Druming etwas im Soundmatsch untergehen. Doch wer genau hinhört, erahnt, wie wertvoll dieser Mann für NILE ist.
Eigenständig, atmosphärisch und unglaublich vielseitig beweisen NILE mit „In Their Darkened Shrines“ dass Death Metal viel mehr sein kann als Geballere. Dieses Album MUSS man haben.
Tracklist:
The Blessed Dead
Execration Texts
Sarcophagus
Kheftiu Asar Butchiu
Unas Slayer Of The Gods
Churning The Maelstrom
I Whisper In The Ear Of The Dead
Winds Of Horus
In Their Darkened Shrines
I – Hall Of Saurian Entombment
II – Invocation To Seditious Heresy
III – Destruction Of The Temple Of Enemies Of Ra
IV – Ruins
Besetzung:
Karl Sanders – Vocals, Gitarre, Bass
Dallas Toller-Wade – Vocals, Gitare
Tony Laureno – Schlagzeug
Jon Vesano – zusätzliche Vocals
Mike Breazeeale – zusätzliche Vocals
Spielzeit: 58:43
VÖ: 2. September 2002
Label: Relapse Records
Hompage: http:// www.nile-catacombs.net