MY DYING BRIDE: Interview mit Aaron Stainthorpe , Oktober 1999

"MY DYING BRIDE Fans müssen verrückt sein – sie bezahlen Geld dafür, um traurig zu sein..!", sagt Sänger Aaron. Wie er darauf kommt und was er sonst noch interessantes zu erzählen hat, erfahrt ihr hier..!

MY DYING BRIDE Fans müssen verrückt sein – sie bezahlen Geld dafür, um traurig zu sein..!

MY DYING BRIDE sind mit einem neuen Album Namens The Light at the End of the World am Start, das Kunstwerk wird am 8. November veröffentlicht. Ich kann nur allen raten, holt euch diese Platte, denn was die Engländer mit diesem Album abgeliefert haben, ist fantastisch.

Aaron Stainthorpe, Sänger bei MY DYING BRIDE, war für einen Tag in München, um Fragen zu beantworten. Die Fahrt dorthin hatte sich gelohnt. Aaron beeindruckte mich ziemlich, Floskeln wie Wir machen nur das, was wir selbst machen wollen sagt dieser Mann nicht einfach nur so dahin. Man spürt, wie wichtig ihm seine Musik ist und dass er voll hinter dem steht, was er sagt und tut. Ich habe seit dem Gespräch jedenfalls gehörigen Respekt vor ihm und der Musik von MY DYING BRIDE . Leidenschaft und Liebe zur Musik sind für ihn nicht nur leere Begriffe, die man eben in seinen Antworten verwendet. Aber lest selbst…

Bevor nun jedoch das Interview losgeht, ein kleiner Hinweis: Aaron hat sich nach dem Interview nochmals bei uns gemeldet und uns das Angebot gemacht, alle Fragen, die durch das Interview nicht beantwortet werden, ausführlich zu beantworten. Wer also weitere Fragen rund um MY DYING BRIDE hat, der kann mir diese gerne mailen oder am Ende des Interviews als Kommentar anfügen. Nutzt diese einmalige Gelegenheit!!

Du hast zu einem Zeitpunkt als das neue Album noch längst nicht fertig war, in einem Interview gesagt, die neue Platte solle wieder mehr nach den alten MY DYING BRIDE klingen. Die Songs sollten sich an denen von The Angel and the Dark River und Turn loose the Swans orientieren. Das aktuelle Album The Light at the End of the World erfüllt diese Vorankündigung voll- Kompliment!

Wir wußten bereits, bevor wir angefangen haben, an den Songs für das Album zu schreiben, wie sie klingen sollten. Wir wollten wieder zurück zu den Ursprüngen. Wir wollten einfach wieder die Musik machen, für die MY DYING BRIDE früher stand.

In der Vergangenheit war das immer anders: Wenn wir begonnen hatten, ein Album zu machen, wußten wir nie, wie es klingen würde, wenn es fertig sein wird. Das Feeling für ein Album kam meist erst, als wir fünf, sechs Songs fertig hatten. Dieses Mal wußten wir genau, was wir wollten. Wir wollten das wieder tun, was wir auch früher gemacht haben. Wir haben uns gedacht, wenn wir das noch mal schaffen, ist das am besten für uns. Wir haben in der Vergangenheit genügend Experimente gemacht. Nun wollten wir wieder zurück.

War es denn schwer, die Songs auf ein bereits vorher definiertes Ziel hin zu schreiben?

An und für sich war es sehr einfach, die Songs zu schreiben, denn wir wußten ja, was wir wollten und dass wir es können.

Ich denke, manchmal dienen Experimente auch dazu, Erfahrungen zu machen. Wie weit kann ich mich über einen Abgrund lehnen, ohne hinunterzufallen? Ein Experiment gibt dir Antworten auf Fragen. Außerdem ist es interessant zu sehen, wie die Reaktionen auf etwas eher Ungewöhnliches sind. Bei The Light at the End of the World gibt es keine Experimente. Darum wußten wir auch von Anfang an, dass es gut werden wird. Wir müssen uns nichts mehr beweisen. Dort anzuknüpfen, wo wir einmal waren, das war das Ziel. Darum haben wir zum Beispiel einen dritten Teil von Seer Me geschrieben.

Aber habt ihr nicht den Druck verspürt, so klingen zu müssen wie früher? War das keine Einschränkung für euch?

Im Gegenteil. Da wir wußten, was wir wollen, war es ganz einfach. Wenn du aus deinen Erfahrungen schöpfen kannst, hast du andere Möglichkeiten und weitaus weniger Druck als sonst. Von allen unseren Alben war The Light at the End of the World am einfachsten zu schreiben. Wir waren auch in einer idealen Situation: Das Label hatte uns gesagt, macht, was immer ihr für richtig haltet. Es war so einfach, die Songs zu machen! Andy kam mit einem Riff an und ich dachte mir, wow, das ist es! Das Songwriting lief sehr schnell ab, und dennoch sind die Titel gut. Da das Album sehr lang ist, kann man auch sehen, dass uns sehr viel eingefallen ist. Wir hatten viel mehr Ideen als Platz auf dem Album war, und als wir genügend Tracks hatten, haben wir dennoch weitergeschrieben. Es war fast wie ein Rausch. Wir haben noch zwei fertige Songs, die gar nicht auf dem Album sind.

Das heißt, alle Titel sind neu? Manche der Titel könnten durchaus aus der Angel-Ära stammen… Oder sind auch Ideen dabei, die ihr beim Songwriting für 34.788 % complete hattet, die aber nicht auf jenes Album passten?

Nein, die Songs sind alle neu. Als wir 34.788 % complete gemacht haben, hatten wir uns auf eine andere Art Musik konzentriert. Nun standen wir vor einer Entscheidung: Wir hätten weiter in die Richtung des 34.788 % complete Albums gehen können. Aber wir hätten unsere Wurzeln aus den Augen verloren und die Leute hätten sich gefragt, was zum Teufel wir da machen. Die andere Möglichkeit war wieder zurückzugehen.

Die Situation war anders: Wir wollten nicht nach vorne, wir wollten nicht nach links und auch nicht nach rechts. Das Album hätte auch satanischer Blackmetal sein können – das war aber nicht unsere Absicht. Der richtige Weg für uns war der Weg zurück. Wir denken, dass nicht viele gute Bands diesen Weg gehen, obwohl er manchmal der beste ist. Paradise Lost oder Anathema machen etwas ganz anderes als früher. Wir sind froh, dass wir uns so entschieden haben.

Ich denke, dass es sehr ehrlich ist, einfach nur zurückzugehen. Jeder erwartet, dass man sich weiterentwickelt. Da ist es mutig, einfach den Spieß umzudrehen.

Auch wenn das arrogant klingen mag, wir werden nur das spielen, was uns gefällt. Wenn das irgendjemandem nicht passt, dann hat der eben Pech gehabt. Wir lassen uns nicht vorschreiben, was wir zu tun oder zu lassen haben. Das haben wir immer so gemacht. Als uns das Label gebeten hatte, wir sollen Drei-Minuten-Stücke für das Radio machen, haben wir abgelehnt. Wenn wir Lust darauf hätten, einen kurzen Song zu schreiben, gut, dann würden wir das machen. Wir machen es nicht, nur weil uns das Label oder sonst jemand darum bittet. Wenn wir nicht die Musik machen dürften, die uns gefällt, würden wir eben wieder Demos rausbringen und den Vertrag mit der Plattenfirma auflösen.

Gab es denn noch andere Gründe, warum ihr wieder zu Songs wie ihr sie früher gemacht habt, zurückgekehrt seid? Spielte vielleicht doch der Gedanke an die alten Fans, die das 34.788 % complete Album nicht mochten, eine Rolle bei der Entscheidung?

Wenn, dann höchstens unterbewusst. Wir sind aber noch immer extrem stolz auf dieses Album, denn wir haben auch damals gemacht, was wir gefühlt haben und es sind einfach ein paar tolle, schräge Songs mit dabei. Das Problem bei dem Album war sicher das Artwork und der Titel, beides passte nicht in den Metalbereich. Viele haben die Platte verurteilt, ohne sie anzuhören, weil sie eben aus dem Rahmen fiel. Vielleicht haben wir wirklich unterbewusst gedacht, mhm, lass es uns wieder so machen wie früher, weil so etwas wie 34.788% complete nicht ankommt. Diese Gedanken traten aber nie offen in mir zutage, ich fühlte es höchstens irgendwo ganz weit innen. Ich finde das Artwork und den Titel, genauso wie die Musik der letzten Platte, nach wie vor großartig.

Stimmt, eine Platte mit diesem Cover hätte ich ehrlich gesagt auch nicht unbedingt blind gekauft. Wer die Band nicht kennt, denkt, dass die CD falsch einsortiert ist. Beim Titel bin ich nicht so sicher, das habt ihr schließlich lang und breit erklärt, warum dieses Album so heißt. Zumal es ein interessanter Titel ist, wenn man die Erklärung kennt (Anm.: Der Titel besagt, dass 34,788% der Zeit der Erde nun verstrichen sind – die restliche Zeit wird im Verhältnis gesehen jedoch aufgrund des technischen Fortschritts viel schneller vergehen. Gitarrist Calvin hatte von dieser Zahl geträumt und die Band entschloss sich, die Idee als Konzept für das Album zu verwenden.)

Ja, sie fällt schon auf, hahaha. Es könnte auch ein Rave-Album, Dance oder sowas sein. Tradition beim Metal sind eben dunkle Cover, und auch dahin sind wir zurückgekommen, interessanterweise…

Ich finde das neue Cover ziemlich gelungen, auch unser altes Logo macht sich gut. Das Logo erschien bisher auch nur auf einem anderen Album, Turn Loose the Swans und auf Maxis. Das neue Cover ist sehr metal-typisch, aber es ist gut.

Stimmt es eigentlich, dass du diesen Schriftzug mit dem Mund gemalt hast?

Hahaha, ja. Als wir sehr jung waren, hatte jeder diese verrückten Logos, die kein Mensch lesen konnte. Wir wollten auch eins haben! So saßen wir dann rum, jeder hat irgendwie was gezeichnet, aber es kam einfach nichts vernünftiges dabei raus. Hunderte von Logos, aber alles Müll. Irgendwann schnappte ich mir einen dicken Stift, nahm ihn in den Mund und schrieb My Dying Bride. Jeder fand es gut, also sind wir dabei geblieben.

Ist das neue Cover ebenfalls von die gestaltet?

Jaja, wir machen alles selbst.

Nun habe ich mir überlegt, was es darstellen könnte…

(unterbricht) Und was ist es?

Ein brennender Engel auf einem Felsen?

Hey, sehr gut. Das ist genau das, was das Bild darstellen soll. Es bezieht sich auch auf den Titel des Albums, so stelle ich mir das Licht am Ende der Welt vor. Cover, Titel, Musik und die Texte bilden eine Einheit. Es geht um leidenschaftliche Liebeslieder, um tieftraurige, düstere Dichtung. Alles ist verzweifelt und traurig an dem Album. Willst du die Geschichte, die hinter dem Album steht erfahren?

Ja, natürlich!

Zwei Menschen sind in unsterblicher Liebe verbunden, und die Frau wird dem Mann weggenommen. Der Mann ist völlig verzweifelt über die Trennung. Einer der Götter sieht hinab auf die Erde und sieht ihn. Der Gott fühlt Mitleid, also steigt er hinab und macht ihm ein Angebot: Ich schenke dir noch eine einzige Nacht mit der Frau, die du liebst. Aber du musst ein Opfer dafür bringen. Du wirst nach dieser Nacht den Rest deines Lebens auf einer einsamen Insel verbringen. Der Mann würde alles für seine Geliebte tun und läßt sich auf den Handel ein. Er verbringt eine letzte, leidenschaftliche Nacht mit der Frau, die er liebt. Bedenken oder Reue fühlt er nicht, obwohl er weiß, dass er fünfzig, sechzig Jahre lang aus dieser einsamen Insel verbringen wird. Dort wird er irgendwann ein wenig verrückt und will sich umbringen. Er stellt sich auf einen Felsen und sieht hinab in das Meer, in das er sich stürzen will. Da bemerkt er, dass er Flügel hat und stellt fest, dass er schon lange tot ist. Er ist tot, seit er auf dieser Insel lebt. In der letzten Nacht mit seiner Geliebten ist er gestorben. Die Liebenden werden sich niemals im Himmel wiederfinden. Eine grausame schwarze Seite wollte das so. Es gibt kein glückliches Ende, der Mann ist weder im Himmel noch in der Hölle, sondern irgendwo dazwischen ganz allein und wird seine Geliebte niemals wiedersehen. Er ist in der Mitte vom Nirgendwo, in einer Vorhölle.

Das ist ein tiefromantische, wunderschöne schwarze Geschichte. Wie bist du darauf gekommen? Stammt sie von dir oder hattest du eine literarische Vorlage?

Die Geschichte habe ich erfunden. Aber ich lese sehr gerne, im Moment die Odyssee von Homer. Ich hatte das Buch schon vor langer Zeit gelesen und bin nun beim zweiten Durchgang. Es ist ein tolles Buch. Es ist super geschrieben. Für mich ist da nichts übertrieben oder gekünsteltes daran, es sind einfach schöne Geschichten. Ich mag auch Shakespeare, aber er ist zu überladen. Interessant, aber kompliziert. Die Odyssee ist einfach zu lesen und trotzdem faszinierend.

Du interessierst dich also eher für die griechische Mythologie. Eigentlich sind im Moment ja eher die Nordischen Sagen in der Metalszene beliebt. Wie erklärst du dir deine Vorliebe für die Griechen? Zumal die Geschichte hinter The Light at the End of the World auch eine griechische Sage sein könnte?

Ich bin nicht sicher, was mich an den griechischen Sagen anzieht. Vielleicht das Wasser. Ich liebe das Meer. Jemand hat mir mal erklärt, dass das an meinem Sternzeichen liegt. Ich bin Skorpion, und Skorpione haben eine starke Verbindung zum Wasser. Wenn ich mal genug Geld habe, dann baue ich mir ein Haus mit Blick auf das Meer. Die griechische Mythologie hat viel mit dem Meer zu tun. Die ganzen Inseln, Odysseus, Seeabenteuer, der Ozean. Das muss etwas sein, was mich daran fasziniert.

Vielleicht spielen auch die ganzen Liebesgeschichten eine Rolle. In der griechischen Mythologie gibt es mehr Liebe und Leidenschaft, während zum Beispiel die nordische Mythologie oder die Arthus Sage mehr mit Krieg und Gewalt oder Glaube und Magie zu tun haben. Insofern passt das Griechische besser zur Musik von MY DYING BRIDE, die ja eher leidenschaftlich als aggressiv ist.

Stimmt, die nordischen Legenden werden in anderer Musik verwendet. Allerdings hätte ich auch einen Bezug zur keltischen Mythologie, ich bin zur Hälfte irisch. Aber die Griechen faszinieren mich einfach mehr als Kerker und Drachen.

Das 34.788 %-Album hat sich nicht nur in Text und Musik vom aktuellen, viel romantischeren Album unterschieden, sondern auch im Sound. Auf mich wirkt es fast überproduziert, zu viel Technik steckt darin. Das neue Album klingt auch hier anders…

Das wollten wir damals so. Zehn Gitarrenspuren statt einer, warum nicht? All dieser ganze Lärm, das sollte schon so sein. Wir sind ehrliche Menschen und wenn uns der Sound nicht gepasst hätte, hätten wir ihn geändert. Ich bin noch immer sehr stolz auf dieses Album. Es ist zwar sehr unhöflich, das zu sagen, aber wir scheren uns einen Dreck um die Fans. Wir machen diese Musik, weil wir sie lieben, nicht um Geld damit zu verdienen. Mit dieser Form von Musik kann man auch gar nicht reich werden. Dazu ist es zu sehr Underground. Wollten wir richtig gut Kohle machen, so würden wir Musik wie Bon Jovi machen. Wir werden weitermachen, egal ob wir bei einem Label sind oder nicht. Wir müssen einfach ehrlich zu uns selbst sein und dazu gehört, dass wir nur das machen, was wir wollen und nicht das, was von uns erwartet wird.

Hat sich denn auch dein persönlicher Musikgeschmack zwischen den beiden Alben verändert?

Nein, eigentlich nicht. Ich mag noch immer dieselbe Musik wie früher, das hatte sich auch in der Zeit, als wir 34.788 % complete geschrieben haben nicht geändert. Ich bin ein großer Fan von Nick Cave and the Bad Seeds. Er kann Depression sehr gut in Musik umsetzten. Man kann von einer Band, die man mag, Ideen ausleihen. Man kann auch versuchen eine ähnliche Atmosphäre zu schaffen, vielleicht mit ganz anderen Mitten. Man darf nicht den Stil kopieren, sondern sollte eine ähnliche Stimmung schaffen. Nick Cave macht brillante Songs, die großartig klingen und starke Gefühle ausdrücken. Er schreibt tolle Stücke, in denen ich auch viele meiner eigenen Gefühle wiederfinde. Also versuche ich dasselbe auf meine Weise zu erreichen. Martin (Anm.: ehemaliger Violinist) kam ins Studio, als wir an den Songs schrieben. Er sollte eigentlich die Keyboards einspielen, doch er brachte Jonny Maudling von Bal Sagoth mit, der das dann übernahm. Ich dachte auch, dass Martin der richtige Mann dafür wäre, doch er ist einfach zu beschäftigt im Moment. Er spielt gerade Gitarre bei Anathema, er hat eine eigene Band gegründet und versucht nebenbei sein Glück an der Universität, er will Producer werden. Also kam Jonny und spielte die Keyboards ein.

Aber Martin müssten die neuen Songs doch gefallen haben, zumal er ja bei den Aufnahmen zu 34.788 % complete ausgestiegen ist, weil die Violine nicht mehr zum neuen Material passte. Was sagt er denn zu den neuen Songs?

Er mag die Sachen und wir hoffen sehr, dass er wenigstens auf Tour mitkommt. Wiedereinsteigen kann er nicht, durch seine vielen Projekte würde das in einem absoluten Chaos enden.

Es wird also auch bald eine Tour zum neuen Album geben?

Ja, auf jeden Fall.

Wie sieht es denn aus, besteht denn die Möglichkeit, dass jemand anderes die Violine übernehmen wird, vielleicht sogar als festes Bandmitglied? Zu den neuen Stücken würde sie ja wieder passen. Mir kommt es sogar manchmal so vor, als ob die Songs auch für Violine geschrieben worden sind.

Nein, entweder Martin spielt mit oder keiner. Die Violine war eines unser Markenzeichen, eines unter vielen. Wir hatten etwas, was nur mit unserer Band assoziiert wurde. Als wir aufhörten, Songs mit Violine zu schreiben, war dieses Stadium zu Ende. Die Stücke, in denen die Violine verwendet wird, zeichnen sich durch eine besondere Tiefe, eine besondere Düsternis aus. Wir denken, das wir diese Stimmung nun auch ohne Violine erreichen können. Wir brauchen sie nicht mehr, um das zu erreichen. Die Songs mit Violine sind in einer anderen Ära entstanden. Wir werden Martin nicht durch jemanden anderen ersetzten. Er gehörte mit zu dieser Zeit, als MY DYING BRIDE eben noch als Markenzeichen eine Violine hatten. Nun ist das eben vorbei.

Nun gut, dennoch finde ich dass diese Songs wie geschaffen für eine Violine sind. Manche Titel (Christliar) schreien geradezu nach dem wehmütigen Klang des Saiteninstruments. Manchen Gitarrenparts hättet ihr auch wieder mit einer Geige einspielen können. Das Feeling wäre meiner Meinung nach intensiver geworden. Auf der anderen Seite habt ihr erreicht, dass man eindeutig hört, welche Band hinter dem Song steckt – auch ohne Violine.

Natürlich kann man den Sound einer Violine nicht ersetzten. Eine Gitarre wird immer anders klingen. Dennoch, für mich ist das Kapitel abgeschlossen. Wir sind aber noch immer MDB. Ich denke, man kann uns nicht nur auf eine Violine reduzieren. Andy hat alle Gitarren auf dem neuen Album eingespielt. Er kam mit ein paar tollen Melodien an, die das ausdrücken, was MDB ausmachen.

Die Geige war für mich eben immer das, was mich an eurer Musik am meisten berührt hat. Sie gab mir den Stich ins Herz. Wenn du nun sagst, dass sie in eine andere Schaffensperiode gehört, hat sich dann auch eure Einstellung zur Musik verändert?

Es war eine Herausforderung für uns, dasselbe zu erreichen, ich denke es ist uns gelungen.

Ihr wart eine der ersten Bands, die ein klassisches Instrument fest in ihre Musik eingebaut hat. Würdet ihr gerne mit einem Orchester arbeiten?

Es gibt einfach praktische Gründe, die dagegen sprechen. Man kann nicht mit einem Orchester auf Tour gehen, das heißt man kann schon aber es ist verdammt teuer. Wie auch immer, es ist ein Riesenaufwand und wir wollen unsere Songs auch live so spielen können wie auf Platte. Die Fans würden sich doch verarscht vorkommen, wenn wir das, was wir auf der CD machen, live nicht bringen könnten. Man kann heutzutage das Orchester aber auch fast durch Keyboards ersetzten, das ist viel praktischer. Manchmal ist es auch einfach gut, noch ein gewisses etwas mit Keyboards einzuspielen. Ich mag eigentlich Musik, in der Keyboards verwendet werden. Allerdings wissen viele Bands nicht, wo die Grenzen sind. Man muss wissen, wo man aufhören muss. Zehn Geigen, zwanzig Geigen, die Menge an Geigen machen einen Song bestimmt nicht besser. Die Kunst ist, einen Song einfach und dennoch wirkungsvoll zu halten. Manche Band packen einfach viel zu viel Müll in ihre Songs.

Mit einem Orchester zusammenzuspielen ist auch eine Menge harter Arbeit. Du kannst nicht einfach bei einer klassischen Truppe anrufen und sagen: Hallo, wollt ihr mit uns spielen? Es dauert ein gutes Jahr, bis alles passt. Proben, Proben und nochmals Proben. Und dann muss man auch noch wissen wo… Es wäre sicherlich schön, das einmal ausprobieren zu können. Aber ich brauche das nicht für mein Seelenheil, ich bin ziemlich glücklich, mit dem, was wir erreicht haben.

Bist du also am Ziel? Und was hat sich denn in den knapp zehn Jahren MDB für dich verändert?

Nun, es scheint so, als ob wir das ganze viel entspannter sehen. Als wir früher geprobt haben, war es immer chaotisch. Jeder kam an mit neuen Ideen, jeder wollte etwas zu den Songs beitragen. Nun haben wir neue Bandmitglieder, die einfach noch nicht so viel beitragen. Es ist wohl so, dass sie noch ein bisschen unsicher sind, was zu der Band passt und was nicht. Sie sind ein bisschen nervös und darum sind sie still. So können Andy, Ade und ich schreiben, was wir wollen. Es macht die Sache einfacher. Es gab Zeiten, da wollte jeder an den Songs mitschreiben und das war einfach zu unübersichtlich. Nun waren wir nur zu dritt und alles ging viel schneller. Auf der anderen Seite ist es großartig, Musiker dabei zuhaben, die noch nicht so tief in der Band verwurzelt sind. Sie bringen viele neue Ideen ein, aber im Moment sind sie wohl noch nicht soweit.

Wie ist es denn mit Touren aus, ihr seid nicht unbedingt gerne unterwegs, oder?

Schäbige Hotelzimmer und zwanzigstündige Fahrten im Bus zum Auftrittsort machen mir gar nichts aus. Es ist etwas ganz anderes, was ich am Touren hasse: die Auftritte selbst. Ich bin jedesmal scheiß-nervös, bevor ich auf die Bühne gehe. Das fängt etwa eine Stunde vorher an, ich renne dann vor lauter Nervosität auf und ab. Die anderen sehen das nicht so eng, und regen sich über mich auf. Am liebsten würde ich die Show absagen, das habe ich aber noch niemals getan, haha. Wenn es dann soweit ist, müssen mich die Jungs auf die Bühne zerren. Die Nervosität bessert sich auch während des Sets nicht wesentlich. Lediglich bei den letzten zwei drei Titeln geht es dann besser. Bis ich mich dann beruhigt und an die Situation gewöhnt habe, ist der Gig vorbei… Wenn es dann zu Ende ist, fühle ich eine große Euphorie. Nicht weil ich es hinter mir habe, sondern weil die Meute vor der Bühne schreit und mitgeht. Das fühlt sich gut an…

Bist du so nervös, weil du fühlst, dass die Menschen etwas von dir erwarten oder weil deine Musik sehr viel mit Leidenschaft und Gefühl zu tun hat?

Es liegt wohl ein wenig an beiden. Ich drücke in der Musik und den Texten sehr viel an persönlichen Erfahrungen aus. Das kann gefährlich sein. Wenn du dein Herz öffnest, weiß jemand, der dich verletzen will genau, wohin er zielen muss. Du wirst verwundbar. Außerdem weiß ich, dass viele Leute im Publikum weit gefahren sind, um uns live zu sehen. Und sie haben Geld dafür bezahlt. Die Jungs von MY DYING BRIDE sagen zwar zu mir, dass sie weit gereist sind und Geld bezahlt haben, weil sie diese Band lieben, aber dennoch habe ich große Angst sie zu enttäuschen. Ich bin der Meinung, wenn sie angereist sind und bezahlt haben, dann haben sie ein Recht darauf, eine perfekte Show zu sehen. Der Druck wird für mich dann um so größer. Wenn wir live einen Fehler machen, dann denke ich immer, jeder hätte es bemerkt. Ich will dann am liebsten im Boden versinken. Ich weiß, dass Fehler passieren, aber ich fühle, dass das falsch ist. Fehler dürfen nicht passieren.

Bist du vor großen Gigs dann noch nervöser? 1995 wart ihr mit Iron Maiden unterwegs.

Die Größe ist nicht wichtig bei einem Gig. Es war damals nicht viel schlimmer. Als wir in den großen Städten wie Detroit gespielt haben, ging es eigentlich. Dort sind die Leute viel offener und toleranter als auf dem Land.

Trotzdem kannten uns die meisten wohl gar nicht, wir verkaufen in Amerika fast keine Platten. My Dying was? Wer sind die? Die sahen uns dann und dachten, Hey, was ist den das? Das ist ziemlich cool! Es war großartig. Allerdings, in den ländlicheren Gebieten, in Bauerndörfern sozusagen, war es ganz anders. Wir dachten, die Leute dort werden und hassen. Die wollen puren Heavy Metal und nicht das, was wir machen. In einer dieser Städte trugen alle in der ersten Reihe Thin Lizzy Shirts, lauter Cowboys, haha… und ich dachte mir nur, oh mein Gott, wie sollen wir hier spielen? Es gab dann auch immer ein paar Rednecks, die dummes Zeug riefen. Aber wir dachten uns dann auch, hey, was soll es, wir müssen hier nichts beweisen.

Und wie waren dann insgesamt die Reaktionen?

Wir sind eine sehr leidenschaftliche Band. Wir wälzen uns auf der Bühne, ich ziehe mich an den Haaren, schlage mich. Das fanden die Leute gut und so wurden wir auch bejubelt. Die meisten Fans waren eher älter und die waren an einer neuen Band interessiert. Mit Iron Maiden sind wir super klargekommen, die Jungs sind echt in Ordnung.

Wie kam es eigentlich zu dieser Tour? Stimmt es, dass Steve Harris bei dir angerufen hat?

Er hat bei Andy angerufen, als der gerade irgendein Star-Wars Spiel am Computer gespielt hat. Er dachte natürlich, ich wolle ihn verarschen. Er nahm die Sache absolut nicht ernst, er meinte nur, jaja, klar wir spielen mit Iron Maiden zusammen in Amerika, sicher, das machen wir. Dann legte er auf. Daraufhin hat es Steve nochmals versucht, aber Andy schüttelte nur den Kopf, als es aus dem Hörer tönte: Hey, hier ist Steve Harris von Iron Maiden. Irgendwann rief die Plattenfirma bei uns an, und sagte, dass Steve mit uns Kontakt aufnehmen wollte und wir ihn abgewimmelt hätten. Tja, und dann durften wir mit ihnen auf Tour. Steve hatte The Angel and the Dark River gehört, es hatte ihm gefallen und außerdem wollte er eine Vorgruppe aus England. Wir waren dann natürlich sehr geschmeichelt, dann viele Band träumen davon, mit Maiden auf Tour zu gehen. Es gibt viele, die auch bereit wären viel Geld dafür zu bezahlen. Damals hat es 10,000 Pfund gekostet, für Maiden zu eröffnen, wir hätten uns das niemals leisten können. Steve sagte uns, wir sollen das Geld vergessen. Also haben wir zugesagt.

Was sagst du denn zur Reunion von Maiden?

Es ist ein bisschen wie bei MDB, hahaha. Sie wollen auch das wiedertun, was sie am besten können. Es ist wie bei allen Bands: Man kann nicht jahrein, jahraus immer das selbe machen. Man muss neues ausprobieren. Damit kann man sich neue Freunde, aber auch neue Feinde machen. Toll ist es dann, wenn man wieder zurückgehen kann.

Siehst du denn auch bei anderen Band eine Tendenz, wieder zurückzukehren und das zu machen, was sie früher gemacht haben? Moonspell wäre vielleicht ein weiteres Beispiel…

Ja schon, das trifft auch auf andere Musikrichtungen zu. Alle diese achtziger Jahre Popbands reformieren sich, Boy George ist auf Tour, Duran Duran haben sich wiedervereinigt oder Eurythmics. Es ist eigentlich ganz schön, dass wieder alle auftauchen. Nur, manchmal klappt das, dann ist es toll. Klappt es nicht, ist es peinlich und lächerlich.

Was denkst du, was MDB Fans für Menschen sind?

Haha! Ich denke, sie sind nicht normal. Wir schreiben diese verrücken, traurigen Stücke. Wir sind nicht normal. Die Fans geben Geld aus, um diese Musik zu kaufen und um sie sich zuhause anzuhören. Also müssen sie noch viel verrückter sein. Aber, wer ist schon normal? Wer kann das beurteilen? Es ist immer gut, wenn man sich für etwas interessiert, ob das nun eine bestimmte Art von Musik oder etwas anderes ist. Aber irgendwie sind MDB Fans schon seltsam, sie bezahlen Geld, um traurig zu sein. Man kann auch umsonst traurig sein! Oder man kann andere traurige Musik kaufen, haha. The Swans zum Beispiel, die sind fantastisch. …Ich weiß nicht genau, was es für Menschen sind.

Macht es für dich einen Unterschied, ob du deine Musik hörst oder selbst spielst?

Wenn ich mir die Songs anhöre, fühle ich fast gar nichts. Das Gefühl, das ich hatte, als ich die Songs gemacht habe, war so intensiv, dass es nicht wiederholbar ist. Ich weiß, wieviel in den Songs steckt, aber beim Anhören empfinde ich es nicht mehr so. Wenn ich die Songs singe, durchlebe ich das alles noch einmal, aber auf eine andere Weise. Ich spüre dann noch immer die Leidenschaft. Ich könnte mich nie nur hinstellen und einen Song runtersingen. Wenn ich etwas tue, dann hundertprozentig. Live schließe ich die Augen und durchlebe es noch einmal. Es gibt Musiker, die sich live hinter einer Maske verstecken, das ist etwas, was ich nie könnte.

Ich brauche auch Anerkennung für meine Stücke, ich brauche es, dass mich jemand bestärkt und sagt, das sei gut. Ich denke, das geht jedem so. Es tut gut, wenn dir auf die Schulter geklopft wird, haha. Ich stecke 100% Leidenschaft in die Songs, da sollte auch etwas zurückkommen. So geht es mir, ich weiß nicht, wie andere Musiker das empfinden. Wenn ich im Studio was aufnehme, brauche ich Lob. Das liegt vielleicht daran, dass ich so viel Leidenschaft in die Musik stecke. Es ist viel einfacher zu lügen, als etwas richtig ehrliches, das aus deinem Inneren kommt, zu machen.

Wie erlebst du denn einen Live-Auftritt, bei dem du dann ja auch viel von dir preisgibst? Fühlst du dich in dieser Situation nackt? Oder fühlst du Macht über das Publikum, das du in Depressionen und Träume stürzen kannst?

Es ist eher anders herum. Ich fühle mich dem Publikum ausgeliefert. Ich versuche immer, die Augen geschlossen zu halten, damit ich der Menge nicht in das Gesicht schauen muss. Ich bin dann in einer anderen Welt,. Öffne ich die Augen zu lange, habe ich Angst, jemanden zu sehen, der sich nicht um uns kümmert. Es ist nicht einfach, wenn ich sehe, dass ich Menschen bewege. Denn sobald jemand zurückschaut, bewegt er mich. Das geht hin und her. Das trägt zur Intensität der Show viel bei, es geht darum, das Publikum zu füttern. Aber sie geben uns auch etwas zurück. Dieses Wechselspiel ist ziemlich überwältigend. Wenn wir scheiße drauf sind, merkt das die Menge und es überträgt sich. Je besser jedoch die Meute drauf ist, um so besser wird die Show.

Durch eure Musik werden die Livegigs um einiges intensiver als bei anderen Bands. Habt ihr eigentlich eine favorisierte Bezeichnung für euren Stil?

Es ist lustig, wie jeder Journalist nach einer Schublade sucht, in die er uns hineinstecken kann. Meist schreiben sie was von Gothic-Doom-Düster-dunkel-depressiv-metal. Immer sind es Mischungen. Wir selbst haben uns darüber nie Gedanken gemacht. Es stimmt aber, dass es nicht so einfach ist, einen Oberbegriff für uns zu finden. Das was wir machen, ist eben einfach MY DYING BRIDE. Ich weiß auch keine Kategorie, in die wir passen, man muß vieles heranziehen, um die Musik zu beschreiben. Das schöne daran ist, dass sich die Leute die Musik genau anhören müssen und sich Gedanken darüber machen müssen.

Wer hat euch denn zu eurer ganz eigenen Art Musik inspiriert? Black Sabbath und andere Klassiker des Heavy Metals?

Nein, ich gehe gar nicht so weit zurück. Für mich beginnt Heavy Metal mit der ersten Sodom-Platte. Um ehrlich zu sein, ich kenne nicht eine einzige Black Sabbath Platte, haha. Ich mag Black Sabbath auch gar nicht. Als ich fünfzehn war, hörte ich in einem Club Bathory. Das hatte meine Welt verändert. In einer Nacht wurde ich vom Popfan zum Black Metal Fan. Ich habe keine Metal Geschichte, auf die ich mich berufen könnte. Allerdings habe ich in meinem CD-Wechsler zuhause neben Nick Cave auch noch Bathory, durch dieses Gerät kann ich problemlos zwischen den verschiedenen Musikstilen hin und her wechseln. The Swans, Dead Can Dance, Bathory oder Persecution Mania von Sodom, alles ist möglich, haha. Das ist so in Ordnung für mich.

Wie hat sich denn deiner Meinung nach die Szene seit 1990, dem Jahr in dem Du MDB gegründet hast, und heute verändert?

Die Szene ist heutzutage viel lebendiger als sie es damals war. Es gab zwar damals auch eine Menge Bands, besonders Black und Deathmetal. Heute ist es aber anders. Es ist alles viel unübersichtlicher geworden. 20 neue Alben pro Woche, da kann sich doch kein Mensch mehr durchhören. Heute entstehen, wenn sich eine Band trennt, gleich drei neue, oder die Musiker haben x-Seitenprojekte. All diese Gruppen mit den verrückten Logos, die keiner lesen kann. Im Moment sieht es so aus, als ob Saison für schlechte Bands wäre, hahaha. Natürlich gibt es auch gute darunter, die werden auch überleben. Die schlechten werden sich auflösen und sich in anderer Besetzung reformieren. Es gibt im Moment einfach viel zu viele Bands, ich weiß aber auch nicht woran das liegt. Vielleicht ist etwas in der Luft , haha. Die Szene war früher viel intensiver, das gilt auch für die Bands. Als ich Bathory zum erstenmal hörte, hat mich der Sound weggeblasen. Gestern abend habe ich Marduk gesehen. Ohne Zweifel, das ist eine extreme Band, sie haben ein extremes Image. Die Musik ist nicht schlecht, aber es fühlt sich einfach nicht mehr wie früher an.

Aber kann man denn überhaupt noch so unbedarft wie vor zehn Jahren sein, irgendwie war doch alles schon einmal da. Entweder man konzentriert sich auf seinen eigen Stil wie ihr, oder man kopiert andere Bands…

Das stimmt, es ist unglaublich schwer, heutzutage etwas Neues zu machen, alles war schon mal da…

Auch in unserer Geschichte gab es ein Auf und Ab, zwischen dem, was wir können und den Experimenten. Es ist spannend, so etwas zu machen. Auf der anderen Seite ist es wirklich harte Arbeit, diese Musik zu machen. Es passiert sehr schnell, dass jemand aus der Band aussteigt. Wir verkaufen nicht viele Platten, wir werden nicht reich. Wenn du Musik wie wir machen willst, musst du 100 % dahinterstehen und viel einsetzten.

Auf dem neuen Album klingt auch der Gesang wieder wie früher – manchmal schon fast wie auf dem ersten Album. Hattest du nicht gesagt, du wolltest nie wieder zum Grunzgesang zurück?

Im Gegenteil, ich habe immer gesagt, dass ich zurückkommen werde. Das hat nur niemand geglaubt und niemand so geschrieben. Es ist viel einfacher, zu schreien und zu grunzen. Du musst keine Töne treffen. Wenn du dagegen klar singst, dann klingt es furchtbar, wenn du daneben liegst. Ein weiterer Vorteil des Grunzen ist es, dass du viel mehr Aggressivität vermitteln kannst. Man kann nicht aggressiv und klar singen. Ich liebe diese Art von Gesang, ich habe früher so gesungen und werde es wieder tun.

Nun gut, aber nun musst du praktisch umschalten zwischen den aggressiven Growls und dem intensiven klaren Gesang. Denkst du, dass das live ohne weiteres möglich ist? Zumal die beiden Gesangsstile völlig verschiedene Gefühle ausdrücken?!

Ich kann es, mental und körperlich. Wenn du schreist, dann befreist und weitest du deinen Hals und das macht es einfacher für mich, hinterher klar zu singen. Meiner Stimme macht das nichts aus, ich kann das eine ganze Nacht durchhalten, worüber ich sehr glücklich bin. Was vielleicht ein wenig schwierig ist, ist von einer Stimmung in eine andere zu kommen und das über die Stimme zu transportieren. Aber ich mache keine fest vorgeplanten Auftritte. Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Texte auf das Wort genau kenne, wie ich sie aufgeschrieben habe. Ich weiß, was in meinen Gedanken ist und das reicht eigentlich auch aus.

Eine fast schon unverschämte Frage: Die Texte von dir sind oft sehr persönlich oder haben Bezug zur Literatur. Du hast mir von dem neuen Konzept erzählt, ist das nun auch eine ganz persönliche Erfahrung oder bist du davon abgekommen, zuviel von dir preiszugeben?

Ich habe immer sehr viel persönliches in die Texte einfließen lassen, aber ich habe nie erklärt, um welche Erfahrungen es sich genau handelt. Ich kann auch nicht einfach jedem erzählen, worum es in den Texten genau geht. Wer gibt schon alles preis? Und, wie ich gesagt habe, dadurch macht man sich leicht verwundbar. Ich bin einfach ein Geschichtenerzähler und was davon persönlich ist, darf sich jeder selbst überlegen. Ich hätte wieder zurückkommen können und auch französische oder lateinische Texte für dieses Album machen können, aber ich wollte die Texte verständlicher machen. Sie sind aber noch immer ziemlich kompliziert. Ich mag es gar nicht, wenn mich Leute fragen, was bedeutet dieser Song und was jener. Diese Frage kommt sehr oft, aber ich beantworte sie einfach nicht, haha. Ich habe hier auch zum ersten Mal verraten, um was es in den Texten geht. Sicher, sie sind diesmal einfach zu verstehen, aber normalerweise mache ich das nicht. MDB Alben sollen wie ein Sex-Film ohne Sex-Szenen sein. Ich deute nur an und sage nichts konkretes. Es wäre einfach, Interviews damit zu bestreiten, die Texte zu erklären, aber das nimmt die Spannung. In meiner Kreation, in dem, was ich mir bei dem Album gedacht habe, steckt noch immer viel, das man für sich interpretieren kann. Ich will, das durch Andeutungen jeder etwas eigenes schafft.

Ich denke, dass das beim neuen Album für jemanden, der sich auf die Musik einlässt auch kein Problem ist…

Ja, das war auch das was ich erreichen wollte.

Leider ist die Zeit für das Interview begrenzt, ich wollte dir noch ein paar Fragen stellen, die jetzt keinen Bezug zu den vorigen hatten. Was ist denn mit eurem Fan Club? Auf eurer Homepage steht, er sei geschlossen?

Ja, das liegt daran, dass der Betreuer keine Zeit mehr dafür hat. Ich hoffe, das wir bald jemanden finden, der diese Aufgabe übernimmt. Wir nehmen dafür aber nicht jeden. Wir waren immer eine Band, die sich selbst um ihre Belange kümmert. Nur, für den Fanclub haben wir selbst zu wenig Zeit, wir brauchen jemanden, dem wir vertrauen können. Die Leute, die für uns gearbeitet haben, haben geheiratet oder aus anderen Gründen keine Zeit mehr dafür. Den Fanclub an jemanden zu geben, den wir nicht gut genug kennen, ist unmöglich. Uns bedeutet die Band und das Drumherum viel zu viel. Wir hoffen, bald wieder jemanden dafür zu finden. Wir machen auch die Albumcover und Shirts selbst und handeln Verträge aus. Das sieht immer so aus, als ob wir Geld sparen wollten. Das ist aber ganz bestimmt nicht der Grund dafür. Wir wollen nicht, dass andere Dinge für uns erledigen. MDB ist unsere Band und wir wollen das tun, was uns gefällt und selbst darüber entscheiden.

Ein schönes Schlußwort.

Nun möchte ich dich noch bitten, den vampster-Fragebogen auszufüllen:

Was waren die letzten drei Alben, die du dir gekauft hast?

Ludwig Einodi – La Onde. Das ist Klaviermusik. Ich habe das Stück nachts im Radio gehört. Ich habe alles stehen und liegen lassen und gehofft, dass sie noch sagen, von wen das war. Haben sie natürlich nicht. Also habe ich denselben Senden wochenlang gehört. Irgendwann spielten sie es wieder und nannten zum Glück auch den Musiker. Dann noch Suede – ich weiß aber nicht wie das Album heißt. Ich packe die CD aus und lege sie in den Wechsler, darum weiß ich oft die Titel nicht, haha. Nummer Sechs, das ist ein guter Song… aber der Name? Ach ja, ein Star Wars Soundtrack, es gibt bei MDB viele Fans davon, haha. Das ist so wabernde Keyboardmusik. Ansonsten kaufe ich nicht viele CDs. Wir bekommen viele von anderen Bands und hören uns die an. Es macht aber ehrlich gesagt einen Unterschied, ob man für die Musik bezahlt hat oder nicht. Wenn du Geld dafür hingelegt hast, dann hörst du sie dir anders an, weil du herausfinden willst, für was du bezahlt hast.

Wen willst du gerne mal treffen?

Den Sänger von den Swans, die sich ja leider aufgelöst haben. Aber ich habe gehört dass er ein Trottel sein soll. Also wäre ich vermutlich enttäuscht. Das ist die Gefahr, wenn du jemanden triffst, den du bewunderst. David Bowie würde ich auch gerne kennen lernen. Oder Messiah, der bei Candlemass gesungen hatte.

Musik und Internet?

Das ist sicher die Zukunft, es funktioniert aber nicht in allen Ländern. In England ist es sehr teuer, im Internet zu surfen. Aber in England ist alles teuer… In Amerika ist das anders. Aber es ist faszinierend, dass man Menschen aus der ganzen Welt kennenlernen kann. Und ich glaube, dass besonders die Metalszene vom Internet profitiert. Wenn es mal billiger und schneller wird, kommt man mit Sicherheit nicht mehr daran vorbei. Du wirst dann überall hingehen können. Aber im Moment ist es wohl noch nicht so weit.

Ein besonderes Erlebnis auf Tour?

Das habe ich schon einmal erzählt, ich hoffe, das macht nichts? Nach einer Show, einer richtig guten, haben wir alle recht heftig gefeiert. Ade trinkt ziemlich gerne Whiskey, so auch an diesem Abend. Irgendwann krochen wir alle in den Bus. Dort angekommen, fiel uns auf, dass Ade fehlte. Also sind wir nochmal aufgestanden und haben ihn überall gesucht. Schließlich haben wir ihn zufällig gefunden. Er lag in der Kabine des Busfahrers und schnarchte vor sich hin. Das witzige war, dass er praktisch auf dem Busfahrer drauf lag. Es hatte ihn wohl nicht gestört, dass schon jemand in diesem Bett lag, er hatte sich einfach dazu gelegt – der Busfahrer hatte wohl auch kein Problem damit, haha. Unser Bassist und unser Fahrer schlummerten einträchtig in dieser engen Koje, was natürlich sofort von jedem fotografiert wurde.

Vielen Dank für das schöne Gespräch und ich hoffe, dass ihr bald auf Tour kommt?

Geplant war, dass wir in diesem Jahr noch touren werden. Doch weil sich die Veröffentlichung des Albums verschoben hatte, werden wir wohl erst im nächsten Frühjahr kommen.

Vampiria + Boxhamster (Foto)

Wer weitere Fragen an Aaron oder MY DYING BRIDE hat, die in dem Interview nicht beantwortet werden, der kann mir diese gerne mailen oder als Kommentar anfügen. Es wird wohl eine Fortsetzung des Interviews geben, da Aaron mir angeboten hat, auch weitere Fragen zu beantworten.

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