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THEATRE OF TRAGEDY: Wenn die Frontfrau einmal klingelt…

Hoher Besuch in der Villa Vampiria… Liv Kristine Espenaes von THEATRE OF TRAGEDY kam vorbei, um mit vampster bei Pizza und Tee über das neue Album "Assembly" sowie über die Anfangstage der Band und vieles, vieles mehr zu reden.

Hoher Besuch in unseren heiligen Redaktionshallen: Liv Kristine Espenaes von THEATRE OF TRAGEDY kam vorbei, um mit vampster bei Pizza und Tee über das neue Album Assembly sowie über die Anfangstage der Band und vieles, vieles mehr zu reden.

Die wohl auffälligste Veränderung gegenüber Musique dürfte wohl deine variabler eingesetzte Stimme sein, wie kam es zu dem Wandel?

Ich hatte zunächst ein paar Demos per mp3 von der Band bekommen und gemerkt, dass der Ausdruck und das Feeling der Lieder sich ziemlich geändert hatten. Musique war sehr technologisch gewesen, würde ich mal sagen. Bei Assembly ist der Gesamtsound einfach besser, die Gitarren sind mehr im Vordergrund, das war schon bei den Demos so. Da dachte ich, dass ich nun auch mit meiner Stimme was machen muss. Ich wollte mich weiterentwickeln, nachdem ich ja die letzten 20 Jahre immer in dieser Erste-Sopran-Angelic-Gothic-Female-Voice gesungen habe. Es war an der Zeit, dass ich mich auch verändere. Als wir ins Studio gegangen sind, habe ich mit dem Produzenten, Hiili Hiilesmaa, darüber gesprochen. Er meinte daraufhin, dass wir erstmal eine Oktave tiefer ausprobieren. Daraus hat sich alles dann entwickelt. Er hat mich sehr bei meinem Wandel unterstützt. Die Produzenten, mit denen wir vorher gearbeitet hatten, meinten jedes Mal nur: Mach´ so, wie du immer singst. Das war dieses Mal nicht so, ich hatte dabei außerdem viel Spaß. Die Aufnahmen meiner Vocals haben auch nur drei Tage gedauert, das ist super gelaufen.

Du hast von Stimmbruch geredet…

(Lacht) Ja, ich glaube, mit 25 ist irgendwas mit meiner Stimme passiert. Ich weiß nicht so genau, was, aber plötzlich ging es einfach, eine Oktave tiefer zu singen. Wir haben außerdem bei den Takes immer versucht durchzusingen und nicht aus 40 Takes eine Spur zusammenzuschneiden, sondern das Beste aus zwei, drei Takes rauszufiltern. Das hört man auch, sonst hatten wir immer viele Effekte und vier, fünf Doublings drauf.

Hattest du früher schon mal probiert, tiefer zu singen?

Für mich schon, aber nicht in der Band, weil ich immer wußte, dass die Band und auch der Produzent eine gewisse Erwartung von mir hatten. Ich habe jedoch gehofft, dass ich mal die Chance bekomme, anders zu singen.

Wie haben deine Bandkollegen den Wandel aufgenommen, als sie das Ergebnis zum ersten Mal hörten?

Die fanden es total gut. Ich war vor den Aufnahmen drei Mal in Norwegen, um mit Raymond zu arbeiten, damit wir die Demovocals fertigbekommen. Es hat ihnen allen gefallen, und deshalb hat Raymond gemeint, ich solle überall da singen, wo ich möchte. Daher ist das Verhältnis weiblicher zu männlicher Gesang nicht mehr 50:50, sondern eher so 70:30, würde ich sagen. Er wollte das selbst so.

Wie kam es, dass nicht Raymond, sondern du diesmal die Texte verfasst hast?

Dadurch, dass Raymond sehr mit dem Programmieren beschäftigt war. Ihm fehlte einfach die Zeit, also sagte er, ich solle welche schreiben. Ich habe mich zwei Tage, bevor wir alles aufnehmen wollten, hingesetzt, aber es hat ganz gut geklappt. Diese Aktion in letzter Minute war nötig, weil sich die Demos immer noch geändert haben.

Um was geht es in deinen Texten?

Das Komische ist, dass ich mir eigentlich kein Konzept vorgestellt hatte, sondern einfach so schrieb, wie ich es für die einzelnen Lieder im Gefühl hatte. Im Nachhinein habe ich dann aber gemerkt, dass die Lyrics immer um ein Thema kreisen: wie eine Frau zu einem Mann spricht, nachdem er ihr etwas Böses getan hat. Es gibt nur zwei Ausnahmen, zum einen Superdrive, das ist von Frau zu Frau, was nicht bewußt war. Ich habe schon die ersten Fragen bekommen, ob ich lesbisch geworden bin (lacht). Das ist aber nicht der Fall, ich werde schließlich ja dieses Jahr heiraten. Die andere Ausnahme ist das letzte Lied, Motion. Die Texte sind alle sehr direkt.

Bist Du inzwischen mit dem von euren Gitarristen betreuten und dementsprechend gitarrenlastigen Mix von Assembly zufrieden?

Ja, ich wußte, dass es zwei Versionen des Mixes gab, eine mit lauterem Gesang und eine mit lauteren Gitarren. Ich hatte zuerst die mit den lauten Gitarren gehört, auch wenn die laut unseren Gitarristen nicht wirklich laut sind (lacht). Da war ich ein bißchen skeptisch, als Sängerin höre ich halt als Erstes auf den Gesang. Wir haben dann bei vier Liedern die Versionen vom anderen Mix genommen.

Wie kamt ihr auf Hiili Hiilesmaa als Produzenten?

Eigentlich nicht durch seine Arbeit mit anderen Bands. Klar, er hat mit MOONSPELL, STRATOVARIUS usw. gearbeitet, aber für uns war entscheidend, dass wir mit jemandem zusammenarbeiten wollten, der Wissen aus beiden Bereichen hat, von den technologischen Sounds wie auch von den metallischen Sachen. Wir wußten einfach, dass er der Richtige für uns war. Er hatte sich unsere Demos angehört und sofort zugesagt. Bei ihm sind wir auch zum ersten Mal pünktlich fertig geworden.

Hat er versucht, seinen doch sehr typischen Sound einzubringen?

Bei uns nicht so, weil wir darauf bestanden haben, dass wir auch was zu sagen haben. Er hat nebenbei mal gemeint: Ihr seid ziemlich schwierig (lacht). Aber er hat das gut hingekriegt, es kam das dabei raus, was wir erhofft haben. Er arbeitet sehr effektiv, die Gesangsaufnahmen z.B. haben wie gesagt nur drei Tage gedauert, das war echt super.

Mit Vegard habt ihr einen neuen Gitarristen in euren Reihen, wie groß war sein Anteil an Assembly?

Ein Lied konnte er noch beigesteuert, unsere erste Single Let You Down. Dazu haben wir letzte Woche auch ein Video gedreht. Er kam erst spät in die Band, eigentlich zu spät, um mitzuschreiben, aber er hat quasi in letzter Minute noch dieses Lied geschrieben.

Was werden wir in dem Video zu sehen bekommen?

Die Jungs selbst sind nicht im Video zu sehen, nur auf Fotos. Beim Videodreh war ich ganz alleine. Der Inhalt entspricht dem, um was es in den meisten Texten geht, in diesem Fall ist der Mann der schwache Part sozusagen. Wir sitzen uns gegenüber, ich rechts am Tisch, er links. Wir schauen uns gegenseitig an, bevor ich am Ende des Videos aufstehe und er zusammengesunken am Tisch sitzt. Ich kann aber eigentlich gar nicht so böse schauen (lacht), es war also ziemlich schwierig vom Schauspielerischen her. Ich hoffe aber, dass es einigermaßen geklappt hat.

Videodrehen, ist das etwas, was dir liegt?

Es macht schon Spaß, ist aber auch ziemlich anstrengend. So ein Dreh geht über elf, zwölf Stunden, manchmal sogar über 15, mit nur kurzen Pausen dazwischen. Dabei ist man dann geschminkt und was weiß ich nicht alles, außerdem muß es so schnell wie möglich gehen. Wir haben diesmal mit einer neuen Firma gedreht. Ich weiß noch, als wir unser erstes Video für Image gedreht haben vor anderthalb Jahren, da hatten meine Jungs irgendwann die Schnauze voll. Sie sind duschen gegangen und haben die Schminke und alles einfach weggewischt. Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb sie diesmal mich alleine rangelassen haben…

Was genau ist mit dem Titel Assembly gemeint?

Wir hatten wieder das gleiche Problem wie beim letzten Mal, da wußten wir auch lange nicht, wie wir die Platte nennen sollten und haben sie dann einfach Musique genannt. Es wäre vielleicht logisch gewesen, einen Titel von einem Lied als Albumtitel zu verwenden, aber so leicht wollten wir es uns nicht machen. Wir haben uns zusammengesetzt und nachgedacht… Es ist ziemlich schwierig, die Platte zu definieren, in welches Genre sie gehört bei so vielen Elementen… Metal, Elektro, 80er-Jahre-Pop ist auch mit drin. Und da so viele Dinge zusammengesetzt werden, kamen wir auf Assembly.

Eine wahrscheinlich eher abwegige Frage, aber habt ihr eigentlich bei eurem Stilwechsel auf Musique mal an einen Namenswechsel gedacht? THEATRE OF TRAGEDY läßt einen ja an und für sich eher an Shakespeare und Co. denken als modernen, urbanen Elektro Metal vermuten…

Naja, auf unserer Homepage haben wir schon die Anfrage bekommen, ob wir uns nicht in THEATRE OF HAPPINESS umbenennen wollen (lacht). Selber haben wir aber nicht über einen Namenswechsel nachgedacht, denn wir fühlen uns ja nicht anders als zuvor, wir sind THEATRE OF TRAGEDY, egal, welche Musik wir unter dem Namen machen. Das Einzige, was ich mir unter Umständen noch vorstellen könnte, wäre die Abkürzung T.O.T., aber ich glaube nicht, dass das jemals passieren wird.

Hast du das Gefühl, mittlerweile mehr Akzeptanz von Seiten der Fans und Journalisten für eure neue Ausrichtung zu bekommen, nun da seit dem krassen Einschnitt zwischen Aégis und Musique einige Zeit vergangen ist?

MusiqueJa, das habe ich in den 30 Interviews, die ich mittlerweile zur neuen Platte hinter mir habe, ganz deutlich zu spüren bekommen. Assembly gefiel den meisten besser als Musique, die war einfach zu krass, ein zu großer Schritt. Das freut mich natürlich. Wenn man sich die beiden Platten so anhört, wäre es vielleicht logischer erschienen, Assembly vor Musique zu veröffentlichen, weil Musique doch noch elektronischer und steriler ist, während Assembly mehr von den Metalelementen hat, die wir ja schon von Anfang an mit drin hatten.

Was antwortest du Leuten, die nur eure alten Gothic Metal-Alben akzeptieren können und euch den Stilwechsel verübeln?

Finde ich völlig in Ordnung, es gibt Bands, über die ich genauso denke, andererseits mag ich Bands, die nicht drei- oder viermal hintereinander genau das Gleiche machen. Bei Aégis haben wir einfach gemerkt, dass es an der Zeit ist, etwas anderes zu machen. Zu dem Zeitpunkt gab es schon so viele Bands, die genau in unser Genre reingerutscht sind, deswegen war es für uns wichtig, einen Schritt weiter zu gehen. Aber nicht jeder fand das in Ordnung, schau dir nur mal das Gästebuch unserer Homepage an (lacht). Da ging es nach der Veröffentlichung von Musique ziemlich hart ab.

Wie gehst du allgemein mit Kritik um? Stört es dich, wenn du – die du diese Art von Frauengesang im Gothicmetal einführt hast, als es noch originell war – als Synonym für die nachfolgende Schwemme an Sängerinnen in The Beauty and the Beast-Bands behandelt wirst?

Eigentlich gar nicht, es war ja die selbe Idee, die wir vor sieben Jahren hatten. Es wurde eben nach drei, vier Jahren zu einem Klischee…

Naja, nur war es bei euch eure Idee, während andere Bands das kopiert haben…

Ja, schon, aber ich finde das nicht so schlimm. Klischees können auch schön sein.

Was hättest du damals, als du zur Band gekommen bist, von einem Album wie Assembly gehalten?

Vor sieben Jahren? Hm, damals gab es keine Band, die so etwas gemacht hat, es wäre mir vermutlich einfach zu krass gewesen. PARADISE LOST, BLACK SABBATH, das waren damals so unsere Vorbilder.

Wie bist du damals überhaupt zur Band gekommen?

Raymond, mit dem ich damals zusammen war, hat versucht Gitarre zu spielen, und sein Nachbar hat versucht Schlagzeug zu spielen. Sie haben dann Donnerstag nachmittags bei einer Musikschule einen Proberaum für eine Stunde bekommen. Ich war halt zum Zuhören dabei, weil ich Raymonds Freundin war. Irgendwann hatten sie dann endlich ein Lied fertig, und Raymond entschloss sich, lieber zu singen, weil er sowieso nicht richtig Gitarre spielen konnte, woraufhin ein richtiger Gitarrist und ein richtiger Schlagzeuger sowie der ganze Rest dazukamen. Ich wurde zwei Proben lang Backgroundsängerin, bei der dritten Probe war meine Stimme schon mit im Vordergrund. Ich weiß aber noch, als ich das vorgeschlagen hab´ bei der zweiten Probe, haben sie mich schon schräg angeschaut (lacht), nach dem Motto: Das machen nicht mal PARADISE LOST!

Was waren Deine Erwartungen damals?

Ich kann dir eigentlich nur sagen, was ich mir nie vorgestellt habe, nämlich das, was passiert ist. Es ging auch so schnell, wir haben damals in vier Monaten beim Proben vier Lieder aufgenommen für ein Demo, das wir dann an 20 Labels rausgeschickt haben. Nach zwei Tagen kam schon das erste Angebot. Wir haben dann zwei Monate lang mit vier unterschiedlichen Firmen verhandelt und uns für Massacre entschieden. Kurz drauf schon haben wir unsere erste Platte aufgenommen, da waren wir wahnsinnig nervös, als wir das erste Mal in ein richtiges Studio gegangen sind. Danach ging´s auch noch gleich schnell auf Tour. Ich weiß noch, wie wir unsere erste Abrechnung bekommen haben, da standen 820 verkaufte Exemplare drauf und wir dachten: Mann, sind wir toll! (lacht). Für das Geld sind wir zu McDonald´s gegangen und haben richtig viel gegessen.

Eure erste Tour war die mit ATROCITY und DAS ICH…

Oh ja, eine Tortur war das…

Wie war das für euch, das erste Mal auf Tour… hattet ihr zuvor schon ein paar Konzerte gespielt?

Wir hatten mal im lokalen Jugendhaus gespielt, das war eine absolute Katastrophe (lacht), sonst hatten wir eigentlich keine Liveerfahrung. Wir waren natürlich dementsprechend nervös. Bei der ersten Show in Stavenhagen, das weiß ich noch, da waren 800 Leute, das war ziemlich spannend. Nach zehn Konzerten war aber dann alles o.k. Wir wußten anfangs aber nicht mal, ob wir überhaupt Betten kriegen oder im Auto rumfahren müssen, alles war ganz neu für uns, und letzten Endes haben wir einen kompletten Tourbus für uns alleine bekommen! Wir waren erstmal total happy, doch das war, bevor nach zwölf Stunden die Heizung im Bus ausgefallen ist (lacht). Da waren wir nicht mehr so glücklich, das war ausgerechnet der härteste Winter bis zum diesjährigen. Es war so richtig kalt. Wir sind alle krank geworden. Ich habe sogar das erste und bislang einzige Mal in meinem Leben meine Stimme verloren. Die Tour werde ich nie vergessen, ich weiß nicht, ob ich das heute nochmal mitmachen würde, denn es war wirklich ziemlich heftig.

Nun lebst du schon seit geraumer Zeit in Deutschland, während der Rest der Band in Norwegen lebt. Vorteil oder Nachteil?

Ich sehe es als Vorteil, denn so gibt es weniger Krach. Aber gerade am Anfang war es doch recht schwierig, muss ich zugeben. Vor fünf Jahren gab es ja noch nicht die Möglichkeit, Songs als mp3-Dateien zu verschicken. Seit das geht, läuft aber alles ziemlich reibungslos. So sehen wir uns zur Probe oder auf Tour, das reicht. Davor gab´s viel mehr Ärger (lacht). Wenn wir jetzt proben, dann proben wir richtig, eine Woche am Stück… wenn schon, denn schon. Und wenn es doch mal Probleme gibt, die Jungs z.B. mit Demos nicht weiterkommen, dann kann ich ja immer noch nach Norwegen fliegen, oder eins der Bandmitglieder kommt zu mir und wir setzen uns zusammen und lösen das Problem.

Wo siehst du die größten Unterschiede zwischen Norwegen und Deutschland bzw. Norwegern und Deutschen?

Die Unterschiede habe ich erst bemerkt, als ich schon ein paar Jahre hier gelebt habe. Dann wurde mir irgendwie klar, was für ein Volk die Norweger sind und wie die Deutschen sind. Wenn man immer nur in einem Land lebt, sieht man das Typische nicht so sehr. Mit ein bißchen Abstand bemerkt man jedoch Unterschiede… in der Natur vor allem, würde ich sagen. Aber du hast auch nach den Menschen gefragt. Die Norweger sind ein bißchen skeptischer gegenüber allem, was ihnen irgendwie fremd ist, EU und Euro zum Beispiel (lacht). Die Norweger sind schwieriger zu überzeugen, die Deutschen sind da einfacher.

Gibt es etwas, das du hier besonders vermisst?

(Mit sehnsüchtigem Unterton) Die Berge! Aber sonst fühle ich mich hier sehr wohl. Ich wohne ja auch sehr schön auf dem Land. Ich bin ein Landei, das gebe ich ganz offen zu (lacht). Ich werde auf jeden Fall hier bleiben.

Und was vermißt du auf keinen Fall hier?

Den ewigen Regen. In Stavanger regnet´s immer…70 Prozent des Jahres mindestens.

Wie hast du so gut Deutsch gelernt?

Ich hatte Deutsch von der siebten bis zur neunten Klasse. Aber das war nur Auswendiglernen von Grammatik und so. Ich fand das schlimm. Wir waren alle froh, als wir die letzte Prüfung geschrieben hatten, und jubelten Nie wieder Deutsch! (lacht). Nach meinem Abitur habe ich Englisch fertigstudiert in Norwegen und auch mit Deutsch angefangen, aber ich habe das Studium dann abgebrochen, weil es nicht sehr viel gebracht hat. Der Unterricht war auf Norwegisch… Für mich stand zur Wahl, entweder nach Irland oder nach Deutschland zu gehen, damit ich von meinem Studium auch was habe. In der Zwischenzeit hatte ich dann den Alex (Krull, ATROCITY, Livs Verlobter – Anm. d. Verf.) kennengelernt, und so ging alles ziemlich schnell. Liebe, Studium… jetzt bin ich hier!

Hattest Du zu Beginn Probleme mit dem schwäbischen Dialekt?

Eigentlich nicht, die Tante von Alex redet z.B. den breitesten Backnanger Dialekt, den ich überhaupt je gehört habe, und selbst damit kam ich ziemlich gut klar. Jetzt kann mich nichts mehr erschrecken (lacht). Ich muss mittlerweile selber aufpassen, dass ich nicht zu sehr Schwäbisch red´.

Welche Ausdrücke schleichen sich denn so ein?

Dieses ´i´ statt ´ich´…´i han gseah´, ´i liab di´ (lacht). Es gibt da einiges, fängt mit Personalpronomen an und hört bei Adjektiven auf.

Auf deiner Website steht, dass dein Vater nicht ohne seine tägliche Dosis BLACK SABBATH leben kann, hat er dich auch zur Musik und speziell zu harter, düsterer Musik gebracht?

Auf jeden Fall. Er hat auch ehrlich zugegeben, dass er, als ich noch im Bauch meiner Mutter war, sei gebeten hat, sich direkt vor den Lautsprecher zu setzen, damit er mich da schon beeinflussen konnte (lacht). Er hat sich da nicht verändert. Er ist Autohändler, sieht auch ganz brav aus mit grauen Haaren und Brille, aber wenn er abends nach Hause kommt, wird die Stereoanlage aufgedreht und BLACK SABBATH gehört. Er hat mich auf jeden Fall beeinflusst. Als ich nach Deutschland gezogen bin, hat er mir sogar seine Original-BLACK SABBATH-LPs mitgegeben!

Wie klappt es mittlerweile, Musik und Uni zu koordinieren, gerade jetzt, wo es auf´s Examen zugeht und ihr eine neue Platte am Start habt?

Bis jetzt ging das recht gut. Ich habe mir das immer fifty-fifty eingeteilt. Einmal mußte ich mir wegen der Tour letztes Jahr ein Semester freinehmen. Jetzt, wo es auf die Prüfungen zu geht, ist es stressig. Die Band meinte, ich kann meine Prüfungen machen, und gleich am Tag nach meiner mündlichen Prüfung geht es auf Tour. Eigentlich wollten wir viel länger auf Tour gehen, aber das geht noch nicht anders.

Ist der graue Unibetrieb ein nützlicher Kontrast zum Studio- und Tourleben für dich, der dich wieder runterholt auf den Boden der Tatsachen?

Ja, klar, schon alleine, weil man da morgens um viertel vor zehn, manchmal auch um acht an der Uni sein muss. Das bringt so ein wenig Ordnung ins Leben. Auf Tour stehst du irgendwann gegen zwei Uhr mittags auf und gehst um fünf Uhr früh ins Bett. Du siehst alle möglichen Wände, nur nicht die eigenen vier (lacht). Egal, wo du bist, ob in einem Industriegebiet, in einer Großstadt oder manchmal auch weit außerhalb, jeden Tag bist du wieder woanders. Davon hat man irgendwann dann die Schnauze voll und will nur noch nach Hause. So ungefähr nach 14 Tagen kommt eine kritische Zeit, wenn man sich da durchkämpft, hält man die restliche Tour bis zu Ende durch. Bei den Aufnahmen zur ersten Platte sind auch drei Mitglieder nach 14 Tagen nach Hause gefahren. Mittlerweile kennen wir uns aber gut genug, um zu wissen, was man nicht machen sollte, wenn einer oder eine diesbezüglich Probleme hat.

Du hast mir mal von einer Gruppe Griechen erzählt, die dich an der Uni erkannt haben…

Ja, das war bei der Eingangsprüfung der deutschen Sprachkenntnisse. Damals konnte ich kaum Deutsch und hab´ nur eins verstanden – als jemand meinen Namen aufgerufen hat. Ich hob meine Hand hoch – Ja, ich bin da – und das genügte, dass plötzlich 20 Köpfe hochgeschaut und mich angestarrt haben. Das waren alles Griechen, die wohl unsere Platten kannten… Naja, es gab nach der Prüfung ein ziemliches Gedrängel im Aufzug (lacht)!

Hattest du schon mal ernstere Probleme mit aufdringlichen Fans?

Da sind ein paar, aber darüber rede ich ungerne. Es gibt da aber eine eher lustige Geschichte, und zwar auf der letzten Tour in Österreich. Da schaffte es ein Fan auf die Bühne und kniete vor mir nieder, heulte und fing an, mir die Füße zu küssen, das wurde mir dann ein bißchen zu viel, ich konnte nicht mehr singen in dem Moment. Raymond ist auch schon wild attackiert worden, als wir in Budapest gespielt haben. Er ist selber Ungar und ist dort fast schon ein Nationalheld unter den jungen Leuten. Da sind drei Frauen gleichzeitig auf die Bühne hochgeklettert und haben ihn einfach auseinandergenommen, seine Klamotten kaputtgerissen, ihn geküsst und alles (lacht).

Gibt es sonst lustige Erlebnisse bzw. schlechte Erfahrungen, die dir aus den mittlerweile sieben Jahren THEATRE OF TRAGEDY besonders im Gedächtnis geblieben sind?

Ja, das letzte Zillo-Festival. Da haben zwei von uns, der eine Gitarrist und der Bassist, in Oslo verschlafen und haben den Flieger nicht mehr bekommen, so dass nur fünf von uns da waren…und 30.000 Leute im Publikum! Das war eine unserer beschissensten Shows überhaupt in unserer Bandgeschichte (lacht). Jetzt lache ich drüber, aber damals haben wir uns sogar kurz überlegt, ob wir uns auflösen sollen.

Sehr interessant fand ich auch, dass ihr bereits durch Mexiko getourt seid. Wie war das, hat das gut gepasst, dieses helle, heiße Land und eure mal kalte, mal romantische Musik?

Theatre

Ich denke, dass die Südländer diese Art von Musik sehr gut umsetzen können, sie machen es zu etwas sehr Emotionalem. Irgendwas muss sie bei der romantischen Musik besonders berühren. Was bei den Shows dort los war, habe ich noch nie erlebt. Das Publikum hat richtig gekocht, die hatten auch zu viele Leute reingelassen. Wir hatten gar nicht vor, noch weitere Zugaben zu spielen, aber sie wollten unbedingt noch mehr, so dass wir insgesamt eine Stunde überzogen haben. Es war fantastisch!

Während euer Drummer Hein mir auf eurer Listeningsession vom Glühwein vorgeschwärmt hat, lebst du meines Wissens abstinent, ist das eine bewußte Entscheidung oder schmeckt dir Alkohol einfach nicht?

Also, total abstinent bin ich auch nicht, ein Glas Sekt oder ein Bierchen trinke ich schon mal ab und zu. Aber dass ich nur wenig Alkohol trinke, hat mit der Alkoholpolitik in Norwegen zu tun. Weil Alkohol dort so teuer ist, brennt man sich eben selbst Schnaps. Und wenn du einmal von dem zuviel getrunken hast, bist du vorsichtiger mit Alkohol (lacht). Aber ich kann mir gut vorstellen, dass Hein der Glühwein geschmeckt hat, gerade weil Alkohol bei ihm in Norwegen so teuer ist. Deswegen sind meine Jungs auf Tour im Ausland gerne im Dauerrausch und haben dann beinahe Entzugserscheinungen, wenn sie nach der Tour wieder daheim sind (lacht). Ich beschränke mich dagegen auf ein Glas Weißwein ab und zu.

Hast Du dafür andere Laster?

Mein Sportwahn, ich brauche jeden Tag meine Dosis Sport. Jeden Morgen gehe ich schon früh joggen, auf Tour eben etwas später. Meine Band hat mich schon für verrückt erklärt, aber ich brauche das einfach, weil ich sonst zuviel Energie hab´. Außerdem brauche ich die frische Luft…

Das stelle ich mir in Mexico City z.B. aber ziemlich schwer vor…

Da bin ich kaum aus dem Tourbus raus, weil mir die Luft einfach zu verschmutzt war, zu dick. Ich war auch mal in Chicago beim Metalfest, da ging es mir wegen der schmutzigen Luft richtig schlecht. In Großstädten versuche ich oft das durch Sauna auszugleichen, oder ich setze mich in den Zug und fahre auf´s Land. Ich brauche das manchmal einfach, über Stock und Stein. Tja, und sonst… da wäre noch mein Putzwahn (lacht).

Wie sieht es eigentlich mit deinem Soloprojekt aus, wird es wieder aktiviert werden in absehbarer Zeit?

Geplant ist schon seit drei Jahren, dass es weitergeht, aber da das Business nicht immer fair ist, müssen wir erst einmal ein paar Dinge klären. Wenn ich da sozusagen frei bin, wird es weitergehen. Die Ideen sind schon vorhanden. Es ist einer meiner größten Träume, damit endlich wieder anfangen zu können. Hoffen wir, dass alles gutgeht.

In welche Richtung gehen die neuen Ideen, ähnlich wie bei Deus Ex Machina?

Ja, ich denke schon, das ist meine Basis. Es muss aber nicht immer so atmosphärisch sein, ich will durch meine Musik, meine Texte und meinen Gesang auch andere Gefühle ausdrücken.

Du hast es als großes Manko damals beim Release von Deus ex… bezeichnet, dass du selbst kein Instrument beherrschst. Hast du dir mittlerweile Gitarre oder Keyboard beigebracht?

(Lacht) Gut, ich habe mein ganzes Leben schon versucht alle möglichen Instrumente zu spielen. Ein bißchen Gitarre kann ich spielen, ein bißchen Klavier… Flöte kann ich ziemlich gut spielen, aber halt nicht so richtig. Ich habe mir vorgenommen, dieses Jahr Klavierunterricht zu nehmen, weil es einfacher ist, Ideen umzusetzen, wenn man ein Instrument spielt.

Wird es nach dem Tatort-Song und dem Schimanski-Song von dir einen weiteren Beitrag zu einem Fernsehfilm geben?

Keine Ahnung, wäre schön, wenn das klappt. Schauen wir mal…

Was war das für ein Gefühl, deine eigene Musik im Hintergrund eines Fernsehkrimis zu hören?

Ich war zu dem Zeitpunkt nicht im Ländle, ich war in der Türkei, habe es also gar nicht gesehen, als es ausgestrahlt wurde, aber man hat es für mich aufgenommen. Ich fand es schön, war was Neues halt. Es ist nicht so, wie wenn man sich selbst auf Platte hört, denn die eigene Musik wird in einem ganz anderen Zusammenhang verwendet. Wenn ich etwas schreibe, habe ich eine recht genaue Vorstellung im Kopf, und wenn das dann im Fernsehen verwendet wird, ist das wieder was Anderes.

Bei 3 a.m. fand ich es komisch, dass der Song gerade bei einer Verfolgungsjagd eingesetzt wurde…

Ja, genau, das war natürlich nicht meine Entscheidung.

Apropos 3 a.m.: Es geht das Gerücht um, dass Nick Holmes damals ziemlich verkatert war, als ihr ihn zum Einsingen von 3 a.m. abgeholt habt…

Ja, er saß in der Hotellobby, als Alex und ich ihn ins Studio abholen wollten. Er war kreidebleich und hat auf dem Weg zum Studio kein Wort gesagt. Ich wußte nicht, will er nun doch nicht das Duett singen? Was haben wir jetzt falsch gemacht? Aber es lag nicht an uns, es lag an ihm. Irgendwann hat er sich getraut, nach einer ´cup of tea´ und einem Brötchen zu fragen. Das haben wir beim Bäcker schnell geholt und dann war alles o.k. Er brauchte halt seine 20 Minuten… Er ist ein sehr netter Typ, wir treffen uns immer wieder bei Festivals, dann erzählen wir uns gegenseitig, was in letzter Zeit so alles passiert ist. Mit ihm arbeite ich sehr gerne.

Soweit das Interview mit Liv. Abschließend sollte sie jedoch nicht aus der Villa Vampiria entlassen werden, ohne nicht vorher ein Opfer unseres vom Innenminister persönlich empfohlenen

GROSSEN LAUSCHANGRIFFS

geworden zu sein.

PRIMUS, feat. OZZY: N.I.B.

(beim anfänglichen Basssolo) Siebziger Jahre… (lacht und singt mit, als das erste Riff erklingt)… Oh yeah. Das ist auf jeden Fall BLACK SABBATH …oh, ist das wirklich BLACK SABBATH? Das ist ein Cover, oder? Aber das ist Ozzy… (als das Geheimnis gelüftet ist) Ah, das ist es… cool! Wußte ich gar nicht, dass PRIMUS das nachgespielt haben. Muss ich mir besorgen!

A-HA: Summer Moved On

(beim ersten Ton) A-HA! Ich dachte nicht, dass der Sänger das live bringen kann, diesen ganz hohen Ton, aber er hat es letztes Jahr in Stuttgart auf ´nem Open-Air geschafft. Großartig. Ich fand´s super. Man hatte ja auch lange nichts von ihnen gehört, und plötzlich kam da dieses Hammerlied.

Ein Glück, dass du nicht aus Schweden kommst, sonst hätte ich dir ABBA stattdessen vorspielen müssen, hehe…

Naja, immer wenn mein Papa an Weihnachten kommt, höre ich ABBA, er mag die. Mittlerweile gibt´s ja Bands, die ABBA covern… A-TEENS oder wie die heißen. Meine Schwester wußte gar nicht, dass dieses Gimme, Gimme, Gimme ein Coverlied ist.

TIAMAT: The Return Of The Sun Of Nothing

Da muss ich erstmal den Sänger hören, oder die Sängerin… TIAMAT? TIAMAT! Genau, von der neuen CD… Letzte Woche habe ich Johan getroffen, um Bilder zu machen, da hat er seine neue Platte vorgespielt. Da hatte ich Glück, hm? Schon drei von dreien erraten (lacht). Die Single von dem Album hat mir am besten gefallen. Johan selber ist supernett. Das Beste war, dass wir ein Interview zusammen machen mußten und beide die gleichen Antworten gegeben haben, das war echt unglaublich. Das Interview dauerte eine Stunde, irgendwann fand der Interviewer es nicht mehr lustig (lacht).

DELERIUM: Duende

DELERIUM. Von der zweit- oder der drittletzten Platte? Sowieso genial. Ich weiß noch, als ich die Platte zum ersten Mal gehört hab´. Da war ich mit ATROCITY im Studio…

ELÄKELÄISET: Humpparaakki

(lacht lauthals) Ist das Finnisch? ITAR-SAKSA ist es nicht? Von denen kenne ich nur die Version von Der Kommissar von FALCO… das haben sie genial gemacht.

Ist das die Band von Hiili Hiilesmaa?

Ja, genau.

Du mußt trotzdem weiterraten, was das hier ist, hehe…

Ist DAS eine Coverversion??? Was gibt es noch für finnische Bands…AMORPHIS ist es nicht (lacht).

Es sind ELÄKELÄISET…

Ah. Jetzt bin ich neugierig, was für ein Cover das ist… (nach der Aufklärung, dass es sich um Holy Diver von DIO handelt) Neee! Echt? Erst dachte ich: Wie kann man ein Coverlied so schlecht machen?, aber jetzt finde ich das einfach genial (lacht). Ist absolut super! Cool… ich kannte nur den Namen bisher.

DESPAIRATION: Transcen-Dance

Hm, ich versuche immer erst rauszufinden, welche Sprache es ist, und probiere es da herzuleiten, aber das kenne ich jetzt nicht. Für mich klingt das wie eine Mischung aus BJÖRK, weil sie genau so eine Atmosphäre hat und diese neue Zusammensetzung von musikalischen Elementen. BJÖRK, würde ich sagen, und CHRIS ISAAK, wegen den Gitarren im Hintergrund, dieses Warme, wie bei Wicked Game. Innovativ.

FEAR FACTORY: Linchpin

Das ist nicht meine Musikrichtung…

Sicher?

Normalerweise schon, aber…

Na, auf deiner Website stehen die bei deinen Faves…

FEAR FACTORY! Jetzt erkenn´ ich das, durch dieses getriggerte Schlagzeug und die melodische Stimme. Ich hab´ schon länger keine Platte mehr von denen gekauft, aber die zweite Scheibe von denen war aktuell, als ich den Alex kennengelernt habe, er hat sie immer gehört, die ganze Zeit. Daher ist das mit schönen Gefühlen verbunden.

THE BLUE SEASON: D.A.

Cooler Gitarrensound! Da ist ein Flanger drauf… BLUE SEASON, den Namen habe ich mal gehört, mehr aber nicht bisher. Die weibliche Stimme finde ich gut…

BJÖRK: I´ve Seen It All

Das ist jetzt BJÖRK. Das Geniale bei ihr finde ich dieses Klassische. Aber wer ist der Sänger, kenne ich den?

Der von RADIOHEAD…

Ah, o.k. BJÖRK muss man ja erkennen, mit der Stimme…

PAIN OF SALVATION: Ashes

Das ist mal ein cooler Gitarrensound. Die Stimme kenn´ ich von irgendwoher. Das ist nicht so ganz meine Musikecke, aber die Stimme kommt mir bekannt vor…(Nachdem das Rätsel gelüftet ist) Aha…ich wollte erst DREAM THEATER sagen.

NICK CAVE: God Is In The House

NICK CAVE? Weil er der einzige männliche Sänger ist, der nicht immer so ganz die Töne trifft, aber er darf das, ihm steht das zu (lacht).

Und so ging ein gemütlicher Abend seinem Ende zu, während wir noch ein wenig über farbenfrohe Schlagzeugerunterhosen und andere Musikerspleens redeten… abschließend noch ein dickes Dankeschön an Liv, weil sie sich die Zeit genommen hat, sowie an vampiria und Lauschangriff-DJ boxhamster.

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