MACHINE HEAD/ILL NINO/RISING DOWN, Offenbach-Capitol, 26.11.01

…wenn all das kein Metal war, was ist es dann?

Ich kann mir lebhaft die Gesichter der VAMPSTER-Redaktion vorstellen, als bekannt
wurde, dass Rachendrachen und Psycho sich vorgenommen hatten den MACHINE
HEAD/ILL NINO-Gig in Offenbach zu besuchen.
Sicherlich wurden Fragen in den Raum gestellt wie z.B. „Werden sie dort auch
wirklich ankommen, geschweige denn zurück? oder „Wird das gute Ansehen von
VAMPSTER innerhalb eines Abends ins Jenseits befördert?.

Liebe Kollegen, ich kann euch beruhigen. Wir sind wieder gesund ins Schwabenländle zurückgekehrt und durch keinerlei Exzesse im hessischen
Offenbach aufgefallen.

Nach ca. zweieinhalbstündiger Fahrt erreichten wir das Capitol in der Offenbacher
Innenstadt, wo auch schon ein Menge Fans in der Schlange warteten, um die wieder
erstarkten Kalifornier MACHINE HEAD zu bewundern.
Als wir uns kurz nach 20 Uhr den Weg in Richtung Bühne bahnten, war die erste
Band des Abends RISING DOWN aus Hamburg auch schon fast mit ihrem Set fertig.
Einem unspektakulären Song – einer Coverversion von DEPECHE MODEs
„Blasphemous Rumours – konnten wir noch lauschen. Musste die Combo etwa
schon vor der Öffnung der Hallentüren mit ihrem Gig beginnen?

Naja, die Umbaupause ging sehr zügig vonstatten, und mit exotischem Intro enterten
die Newcomer ILL NINO stürmisch die Bretter. Ausgestattet mit einem Drummer und
einem Percussionisten, welche ein unheimlich tightes Zusammenspiel darboten,
gaben die Amis fünf Songs ihres Debüt-Albums „Revolution Revolución zum Besten.
ILL NINO wirbelten über die Bühne und brachten den Moshpit zum Kochen. Allen
voran Sänger Cristian Marchado und Karate-Teletubbie…äh… Gitarrist Marc Rizzo,
welche den gesamten Raum der Bühne ausnutzten. Ersterer konnte auch stimmlich
überzeugen und brachte sowohl die Growls, als auch die cleanen Gesangparts fast
originalgetreu wieder. Zudem besitzt er eine gute Ausstrahlung und hatte die
lechzende Menge stets im Griff.
Leider war der Gig von ILL NINO nach etwa 25 Minuten schon zu Ende. Aber diese
hatten es wenigstens in sich und hatten die Zuschauer ordentlich für den Headliner
MACHINE HEAD aufgewärmt.(Psycho)

Nach so ziemlich der längsten Umbaupause seit MOTÖRHEADs Aufwärmphase betraten diese dann endlich wieder eine deutsche Bühne, um selbige sofort mit dem Bulldozer einzuebnen. Robb Flynn, der momentan mit einer Übergangsfrisur zu kämpfen scheint, fremdelte zunächst jedoch ein wenig, obwohl ihm der herzliche Empfang und die moshenden Massen dazu eigentlich keinen Anlass gaben. Die gesamte untere Ebene des Zuschauerraums im Capitol sollte nämlich eineinhalb Stunden lang nicht zur Ruhe kommen, so tobte der Mob.
Mit diesem Enthusiasmus konfrontiert ließen sich MACHINE HEAD dann auch selber
mitreißen und eventuell noch angezogene Handbremsen lösen. Das Ergebnis war eine intensive und musikalisch aggressive Show, die lediglich von ungewohnten kurzen Pausen zwischen den Songs, in denen gar nichts passierte, unterbrochen wurde. Dabei redet der Herr Flynn doch sonst so gerne und viel bei Auftritten… Sei´s drum, der Gesamteindruck stimmte, und wer Brecher wie Ten Ton Hammer, The Blood, The Sweat, The Tears und Take My Scars im Gepäck hat, könnte eh vermutlich verträumt im Blumenkleid auf der Bühne stehen und immer noch dem Körper akuten Bewegungsdrang aufzwängen. Ab circa der Hälfte des Sets taute dann sogar der introvertiert wirkende zweite Gitarrist ein wenig auf, ohne jedoch an die wahnwitzige, aggressive Rampensau heranzukommen, die Logan Mader
verkörperte. Robb Flynns Fuck yeah!s und Fucking hell!s wurden ebenfalls zahlreicher, er versuchte sich sogar an der hessischen Aussprache von Prost!, was dann aber im Endeffekt (I´m Californian – I´m never gonna lose my accent!) zu Psychos und meiner Freude eher schwäbisch klang. Ein paar Überraschungen hatten die Maschinenschädel auch in petto, zumindest ich hätte sicher nicht zu hoffen gewagt, den Burn My Eyes-Kracher None But My Own und die ebenfalls vom Debüt stammende finstere Halbballade I´m Your God Now jemals live dargeboten zu bekommen, noch dazu in einer derart tighten Version. Von
wegen olle Kamellen! Auch das verzweifelte Deafening Silence vom neuen Album kam zum Einsatz. Ansonsten ließen die Herren aus Oakland den Dampfhammer regieren und servierten mit Crashing Around You, American High (inklusive dem kaputten Tarzanschrei am Anfang, hehe) und White Knuckle Blackout! die heftigeren Songs der aktuellen Scheibe. Im Zugabenblock fragte Robb Flynn dann mit schelmischen Grinsen, ob es o.k. wäre, if we fuck around a little bit. Damit dachte er nicht etwa an irgendwelche Sauereien, sondern an einige Coverversionen. Eingeleitet mit der Bandvorstellung und den Worten …and I am…Bruce Dickinson of IRON MAIDEN, haha! wurde Number Of The Beast in einer astreinen, leicht punkigen Version dargeboten, worauf noch Territory von SEPULTURA und was von BLACK SABBATH dran glauben mussten. Den Abschluss bildete dann das vom ehemaligen VIO-LENCE-Gitarrero mit dem Darth-Vader-Motiv aus
Star Wars eingeleitete Supercharger, bevor man die abgekämpfte Meute ins regnerische Offenbach entließ. Durchaus beeindruckend also. Das einzige, was mir allerdings als Europäer wohl auf ewig ein Rätsel bleiben wird, ist, wie man sich auf alle Instrumente dick die amerikanische Flagge kleben und zugleich kritische Zeilen wie War for territory und Let freedom ring with a shotgun blast! herausbrüllen kann… andererseits war der Abend ja auch nicht als politische Veranstaltung, sondern als Metalkonzert gedacht. Und Metal waren MACHINE HEAD an dem Abend auf jeden Fall, mögen Reinheitsgebotsfetischisten auch noch so sehr Einspruch einlegen. Die Gitarrenwände, die Aggressivität der Musik, das
hammerharte Drumming von Dave McClain, der zwischen zwei riesigen MH-Logos postiert war – wenn all das kein Metal war, was ist es dann? (Rachendrachen)

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner