In Zeiten von NIGHTWISH, LULLACRY und anderen verkaufsfördernden Frontschnuckelchen tut es gut, sich einer Band zu entsinnen, die mit ihrem Debüt 1994 in meinen Augen oder vielmehr Ohren einen absoluten Meilenstein im Bereich düsteren Metals mit einer Frau am Mikro errichtet hat: THE 3RD AND THE MORTAL.
Bereits das von Sängerin Kari alleine intonierte Intro Vandring nimmt den Hörer mit seinem mystisch anmutenden norwegischen Text und seiner einfachen, aber ergreifenden Melodie gefangen und entführt einen in eine Welt, die man ansonsten lediglich in den kurzen Momenten zwischen Wachen und Schlafen erahnt. Die letzten Fetzen Bewusstsein betten sich zur Ruhe, während der Vorbote des ersten Traumes durch´s ermüdete Hirn spukt. Why So Lonely, das fragt sich die erschöpfte Seele und findet Trost in den Zeilen Here you may rest/With your head down at my chest. Schon ist der Hörer becirct von der Magie in Karis Stimme. Bei Atupoéma erklingen dann erstmals die später für THE 3RD AND THE MORTAL so typischen komplexen Gitarrenharmonien, die durch klare, traurige Gesangsmelodien zusammengehalten werden. Death-Hymn weckt im Anschluß die Erinnerung an die eigene Sterblichkeit, aber nicht ohne zugleich die Gewißheit zu erzeugen, dass die begrenzte Zeit, die jedem von uns hier zusteht, von vorneherein vergebens ist. Denn da ist die Liebe, die selbst von den sonst so verklemmten Christen als größte Kraft von allen akzeptiert wird. Und diese macht das Leben lebenswert, selbst wenn sie, wie bei Death-Hymn der Fall, einen Menschen sein Leben beenden läßt. Die teils bittere, teils warmherzige Musik könnte diesen Zwiespalt und die Paradoxie unseres Seins auf Erden nicht besser einfangen. Shaman und Trial Of Past, zwei Instrumentals (bei Shaman wird Karis einzigartige Stimme als Instrument eingesetzt), sorgen mit ihrer reflektiven, tiefgehenden Grundstimmung dafür, dass man diese aufgewühlten Gedanken und Gefühle erstmal verarbeiten kann, bevor die restlichen Songs einen erneut mitreissen in emotionale Strudel. Erwähnenswert auch noch das textlich im Vampirmythos angesiedelte, herzzerreißende Salva Me und das abschließende, ausufernde Epos Oceana, bei dem Kari wie auch die drei Gitarristen nochmals alle Register ihres Könnens ziehen, womit weniger Saitenhexerei denn die Errichtung feingliedriger, mitreissender Klanggebäude gemeint ist. Doch auch Drummer Rune gehört zu den besten seiner Zunft, mit unaufdringlichen und zugleich einzigartigen Breaks bildet er zusammen mit Bassist Berni das rhythmische Fundament für THE 3RD AND THE MORTALs einzigartige Musik, die auf Tears Laid In Earth irgendwo zwischen Gothic, Doom und äußerst dezenten Progeinflüssen angesiedelt ist.
Später erging sich die Band ohne Kari in zunehmend experimentellen und fernab aller Songwritingkonventionen angesiedelten Soundkollagen bis hin zu jazziger und Trip Hop-lastiger Avantgarde. Was blieb ihr auch anders übrig, denn auf Tears Laid In Earth hatte das Sextett bereits einen Grad an Perfektion in ihrem Genre erreicht, das weder von ihnen noch von nachfolgenden Acts jemals wieder erreicht werden konnte. Dass man heute auf den Covers der großen Magazine oben erwähnte Frontschnuckelchen sieht und eben nicht Kari und ihre Jungs, die mittlerweile in der Obskurität verschollen sind, sollte jeden von uns stutzig machen und einen Appell an unsere Individualität richten, sich nicht zu sehr von Trends die Augen verkleistern zu lassen, sondern auf eigener Faust nach den wahren Juwelen zu suchen. Die Belohnung wird fürstlich sein. Egal, wie tief der Ausschnitt diverser Gothic- und Metalstarlets auf Promofotos sein mag, Karis Stimme alleine wird immer mehr Erotik ausstrahlen, und das eben auf eine ganz und gar nicht plakative Art und Weise. Und damit beschließe ich mein Wort zum Sonntag mit der Empfehlung, auf Plattenbörsen, im Internet und anderswo nach Tears Laid In Earth zu suchen.
Tracklist:
Vandring
Why So Lonely
Atupoéma
Death-Hymn
Shaman
Trial Of Past
Lengsel
Salva Me
Song
In Mist Shrouded
Oceana
Line-Up:
Kari – Vocals
Finn Olav – Gitarre
Geir – Gitarre
Rune – Schlagzeug
Trond – Gitarre
Bernt – Bass
Produziert von:
Hans-Petter Vik & Lars Lien
Spielzeit:
66:30
Label:
Voices Of Wonder