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BEEHOOVER: Mach deine Schwächen zu deinem Werkzeug

"The Sun behind the Dustbin", das erste Full-Length-Album des Esslinger Duos BEEHOOVER, gehört zu den wenigen Veröffentlichungen, bei denen man kein schlechtes Gewissen haben muss, wenn man zu sehr mit Sprüchen der Marke "vollkommen eigenständig", "kann man nicht beschreiben, muss man gehört haben" und ähnlichem um sich wirft. Wir haben uns mit dem sympathischen Zweier-Gespann Ingmar Petersen und Claus-Peter Hamisch getroffen, um etwas mehr über das neue Album und die Idee hinter der Band zu erfahren.

The Sun behind the Dustbin, das erste Full-Length-Album des Esslinger Duos BEEHOOVER, gehört zu den wenigen Veröffentlichungen, bei denen man kein schlechtes Gewissen haben muss, wenn man zu sehr mit Sprüchen der Marke vollkommen eigenständig, kann man nicht beschreiben, muss man gehört haben und ähnlichem um sich wirft. Wir haben uns mit dem sympathischen Zweier-Gespann Ingmar Petersen und Claus-Peter Hamisch getroffen, um etwas mehr über das neue Album und die Idee hinter der Band zu erfahren.

Ingmar, wir haben kurz beim DOOM SHALL RISE miteinander geplaudert und dabei hast du mir – vermutlich unterbewusst – eine ziemlich schwere Aufgabe gestellt: Thema war, dass beim DOOM SHALL RISE die Unterhaltungen zwischen den Leuten immer sehr stark auf dieses wir sind anders, wir sind etwas Besonderes abzielen und in dem Zusammenhang meintest du dann – ich hoffe ich gebe dich einigermaßen richtig wieder – dass dich auch diese ständige Suche nach Individualität annervt. Es war nicht einfach, Reviews über euch zu schreiben und dabei Worte wie individuell, eigenständig oder eigenwillig zu vermeiden. Erklärt mir, wie das geht…

Ingmar: Ich glaube das Problem ist, dass viele Bands auf Biegen und Brechen den Schubladen zu entfliehen versuchen. Das geht mir persönlich inzwischen etwas auf den Keks, weil es gibt ja zum einen die sehr sympathische Schublade Rockmusik und wenn jemand sagt er macht Rockmusik, dann ist das doch schon mal eine ansprechende Kategorisierung und die Fassette kann man dann eh erst wieder auf der Bühne rüberbringen. Wir sträuben uns da einfach auch selbst, uns einen spezifischen Namen aufzudrücken – wir haben da schon Sachen wie Avant-Rock oder Progressive Doom und die verschiedensten Kombinationen gehört, aber eigentlich kann sowieso niemand was damit anfangen, weil man es hören muss. Deshalb ist die Schublade Rockmusik eigentlich schon genug. POTHEAD haben zum Beispiel damals, als sie einen Schlagzeuger gebraucht haben, einfach eine Annonce Rockband sucht Drummer in die Zeitung gebracht. Da kamen dann 10 Leute und da war dann ein richtiger dabei. Hätten sie sich da im Stil festgelegt, hätte sich vielleicht auch nicht der Richtige gemeldet. Man verschließt sich damit ja auch.
Claus-Peter: Das Ding ist ja auch, dass man doch sowieso individuell ist. Wenn man sich hinsetzt und etwas spielt, dann kommt eh das raus, was in einem steckt. Wenn man nicht bewusst versucht wie etwas ganz Bestimmtes zu klingen, dann entsteht immer etwas Eigenständiges, weil jeder eine persönliche Note hat.
Ingmar: Wenn man sich zu etwas zwingt, dann wird man das auch hören.
Claus-Peter: Ich habe gestern die CD einer französischen Band gehört, die eigentlich sehr ruhige Musik macht, und auf diesem Album war ein rockiges Stück. Das klingt so unglaubwürdig, weil der Sound plötzlich rockig klingt, die Gitarren verzerrt sind, usw. Sie haben einen Rocksong produziert und man nimmt ihnen das einfach nicht ab. Ich denke man fährt wirklich am besten, wenn man das macht, was man machen will und dann wird es automatisch glaubwürdig.

Speziell in der heutigen Metal-Szene beobachte ich aber, dass die meisten zwar von sich behaupten, das zu tun, was in ihnen steckt und doch klingen sie irgendwie gleich oder versuchen sich an jemand anderem zu orientieren.

Ingmar: Die Leute haben ja auch einen Background. Wenn man zur Zeit eben z.B. KILLSWITCH ENGAGE hört – was ja momentan sehr angesagt ist, um jetzt auch mal die Metalcore-Schublade aufzumachen – und wenn man diesen Background hat, dann wird man auch unbewusst so spielen.
Claus-Peter: Da haben wir vielleicht auch den Vorteil, dass wir zu zweit sind. Wir stehen grob auf die gleiche Art von Mucke. Ich leih mir oft CDs von ihm aus und finde es geil, egal was es ist. Wenn wir zusammen spielen, dann kommen wir immer sehr schnell auf einen gemeinsamen Nenner. Das macht es einfacher. Es kann auch sein, dass wenn viele Einflüsse aufeinander treffen, es dann vielleicht vom Fleiß oder vom Anspruch der Leute abhängt, wie es im Endeffekt klingt. Man kann natürlich viele Einflüsse miteinander so verknoten dass es geil klingt, es kann sich aber gegenseitig auch so auflösen, so dass ein Einheitsbrei entsteht.

Als ich eure EP in die Hände bekommen habe, da sah ich das Promobild, ich sah den Infozettel, der ja nur aus einer Grafik bestand, und ich habe euch ohne die Musik zu hören ins Herz geschlossen. Auf dem DOOM SHALL RISE hatte ich ebenfalls den Eindruck, dass ihr die Leute sehr schnell auf eurer Seite hattet, weil ihr anders seid, dieses Anderssein aber nicht erzwungen und sehr natürlich rüber kommt. Im Review habe ich euch letztendlich als natürlich anders beschrieben. Worin liegt der Unterschied?

Claus-Peter: Wir haben darüber auch schon oft diskutiert. Zwei Konzerte sind mir in der Vergangenheit in Erinnerung geblieben: POTHEAD und PRIMUS. Die haben beide Null mit dem Publikum kommuniziert aber eine unheimliche Verbindung zum Publikum aufgebaut. Einfach weil man gespürt hat, dass sie genau das machen, was sie wollen, und das war unglaublich glaubwürdig. Sie haben genau das gemacht, was in ihnen steckt. Wenn man hier in Esslingen auf den Hafenmarkt geht und dabei die Coverbands bei den Oldie-Tagen anschaut, dann sind da verdammt viele Bands, die etwas zu repräsentieren versuchen, was sie gar nicht sind. Wenn man das nicht richtig gut macht, dann wird es verdammt unglaubwürdig.
Ingmar: Ich denke aber, dass bei uns auch die Gefahr besteht, dass wenn uns Leute nicht live gesehen haben, sie sich die CD anhören und es eher na ja finden. Wenn die Leute uns live gesehen haben, dann hat das eine spezielle Wirkung. Man sieht das Gesamtbild, man sieht was wir machen wollen, das ist das Interessante. Man muss die Musik ja nicht mögen um sie gut zu finden. Sie mögen dann vielleicht unsere Musik nicht zuhause hören, aber sie wissen sie live zu würdigen.

Also eine Respektgeschichte…

Ingmar: Eine Respektgeschichte einerseits, andererseits aber, dass es sie zwar kickt, sie aber auch die optische Seite brauchen, damit es die richtige Wirkung hat. Das könnte ich mir zumindest vorstellen.
Claus-Peter: Wenn man zu zweit ist, ist eine Live-Show vielleicht auch intimer. Ich habe vor kurzem eine CD gehört, die ich relativ dröge fand – so ein Jazz-Kram mit Bass und Klavier -, was live aber der totale Hammer war, weil die Musiker sehr stark miteinander kommuniziert haben. Dann sieht man auch ein anderes Gesicht der Musik. Vor einiger Zeit habe ich auch drei solche Rapper gesehen, nicht DEICHKIND aber irgendetwas in der Richtung, und das ist eigentlich überhaupt nicht meine Welt. Aber live hat man erst gesehen, was die überhaupt miteinander machen.
Ingmar: Solange die Leute uns live interessanter finden als auf CD ist die Welt für mich auch in Ordnung. Denn live ist die Wahrheit. Wenn die Leute uns sagen ihr seid auf Scheibe besser, dann haben wir ein Problem. Und das ist das Problem von vielen Bands, dass sie auf Scheibe überproduziert sind und vielleicht mit Dingen arbeiten, die sie live gar nicht umsetzen können – zu viele Stimmen oder Chöre und so weiter. Die verhungern live jämmerlich. Wenn mir mal jemand sagt, dass wir auf Scheibe geiler sind, dann bin ich vermutlich ein bisschen traurig (lacht).

Bei euch kann man das meiner Meinung nach aber auch sehr gut trennen. Live ist es eben die Live-Geschichte und auf Platte kann man noch ganz andere Fassetten entdecken, wenn man sich mit der Musik und dem Drumherum beschäftigt. Es hat dann mehr diesen künstlerischen Anspruch.

Ingmar: Ich glaube wenn Leute unsere Musik zum ersten Mal hören – und ich denke nicht, dass wir komplizierte Musik machen – sie alleine schon durch die Länge der Songs eher abschalten, als wenn sie live damit brutal konfrontiert werden Und uns kannst du auf der Bühne halt auch nicht ausmachen. Gut, in der Doombranche ist das mit der Länge wiederum relativ normal.

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Solange die Leute uns live interessanter finden als auf CD ist die Welt für mich auch in Ordnung. Denn live ist die Wahrheit.

Du hast ja jetzt das Doom-Genre ins Spiel gebracht. Ihr seid relativ schnell in dieser Schublade gelandet, vermutlich da die EP relativ doomig klingt und ihr dann auch den Auftritt auf dem DOOM SHALL RISE hattet. Zu welcher Kategorie Bands gehört ihr? Zu denen, die sich vehement gegen eine solche Kategorisierung wehren, oder die damit recht gut klar kommen?

Ingmar: Ich mag den Begriff Doom eigentlich gerne, und ich höre auch privat recht viel Doom. Jetzt kann man sich natürlich wieder streiten ob CROWBAR z.B. Doom sind. TOOL sind für mich im Grunde auch Doom, denn Doom ist für mich eine musikalische Ausdrucksform, seinen Leidensdruck zu genießen und mit Melancholie zu spielen. Egal, ob das jetzt über Monotonie oder Atmosphäre stattfindet.
Claus-Peter: Wir haben uns aber wie gesagt noch nie groß damit beschäftigt, ich schon gar nicht. Ein paar Songs haben sicherlich nach außen hin ein gewisses Doom-Flair, aber…
Ingmar: Rock. Doom und Progressiv sind wir sicherlich ein bisschen, aber ich sage lieber einfach Rock. Mit Sicherheit kann ich jedoch sagen, dass wir nicht Metal sind. In den Doom sind wir reingerutscht, weil wir immer dachten, dass wir auch eine gewisse Atmosphäre und Melancholie haben.
Claus-Peter: Wir wollten uns auch ein bisschen kategorisieren. Im Pressetext zu unserem allerersten Demo stand: Wir haben keine neue Schublade geschnitzt, sondern daran gefeilt. Wir machen unserer Meinung nach nichts Besonderes, aber wir geben uns Mühe, das was wir machen, ordentlich zu machen. Dieses Doomige kam auch ein bisschen durch unsere Kontakte und wir fanden schon auch, dass wir da ganz gut dazu passen. Das ist außerdem alles sehr sympathisch. Das DOOM SHALL RISE ist ein liebenswürdiges Festival und die Leute sind sehr nett. Mir persönlich sympathischer als so eine Metalcore-Szene, in der viel Aggression am Start ist. Das gibt es in der Doom-Szene überhaupt nicht. Beim DOOM SHALL RISE wird man angemotzt, wenn man ein Papiertuch auf den Boden fallen lässt. Das ist auch das Ding. Vielen Doom-Kram find ich technisch nicht gut gespielt und auch der Sound ist oft nicht gut. Darauf kommt es aber auch nicht an. Die Leute legen auf den Ausdruck wert. Das finde ich sehr sympathisch.
Ingmar: Es kommt auf den Inhalt, und nicht auf die Verpackung an. Dennoch sind viele Doom-Scheiben schlecht produziert, das kann man ruhig sagen.

Ich persönlich höre bei euch aktuell am meisten PRIMUS raus. Ist das ein Einfluss?

Ingmar: Also ich bin mit PRIMUS aufgewachsen, ja.
Claus-Peter: Für mich ganz persönlich hat PRIMUS schon einen enormen Einfluss. Ich hab das irgendwann mal gehört und fand das Trommeln geil. Ich fand geil, was die machen und gerade das Schlagzeug ist super. Ich habe da immer wieder Sachen rausgehört und mich daran orientiert. Der Schlagzeuger war wirklich jemand, der mich beeinflusst hat und würde mich jemand danach fragen, würde ich sagen: DER. Aber trotzdem sind wir über den Punkt hinaus, wo man irgendwas Tolles machen muss – können wir vielleicht gar nicht. ich würde nicht sagen, dass ich ein supertoller Schlagzeuger bin und ich möchte das auch nicht forcieren und dann scheiße spielen. Lieber etwas Einfaches spielen – das aber gut.
Ingmar: Ich würde mich auch nie mit einem Les Claypool in Verbindung bringen wollen. Ich denke dieses PRIMUS-Ding hat einfach etwas mit der Bandkonstellation zu tun. Der Bass ist eben das stilprägende Element und das Schlagzeug ist ebenfalls ein melodieführendes Instrument, weil es die Melodie sehr stark auf den Punkt unterstützt. Aber jetzt rein vom Musikalischen her ist PRIMUS ein ganz anderer Stil, vor allem weil ich den Bass ja eigentlich schon wie eine Gitarre benutze. Wenn Les Claypool das sieht würde er vermutlich lachen.
Claus-Peter: ich denke da sind wir näher bei alten NO MEANS NO, wo auch nur Schlagzeug und Bass am Start war. Wobei das viel monotoner war. Es war alles auf ein Riff aufgebaut, was bei uns schon anders ist, aber von der Art her ähnlich. Das wollten wir eigentlich am Anfang auch immer. Wir wollten eine Gitarre, die den Bass unterstützt und nicht umgekehrt.
Ingmar: Wir wollten es austauschen, die ursprüngliche Rock-Formation umdrehen, indem der Bass das melodieführende Instrument ist und die Gitarre die Rhythmussachen macht.

Meiner Meinung nach klingt der Bass auf eurer EP aber tatsächlich noch stärker nach einer Gitarre, auf eurem aktuellen Album hat sich das doch deutlich geändert und ich finde die EP auch um einiges metallastiger.

Ingmar: Das ist richtig. Wir haben für uns selbst auch rückwirkend gesehen, dass die EP Metal ist und jetzt machen wir Rock. Das ist so der Wandel. Deshalb wird die nächste Platte Noise sein. (schmunzelt)
Claus-Peter: Und dann sind wir fertig.
Ingmar: Oder wir machen Folk.
Claus-Peter: Man muss aber auch sehen wie die EP entstanden ist. Für unser erstes Demo hatten wir einen Sänger und von dem haben wir uns aus persönlichen Gründen getrennt – es hat musikalisch einfach nicht geklappt. Dann haben wir diese drei Stücke gemacht, von denen wir schon immer Fragmente hatten, und aus denen die EP wurde. Irgendwann haben wir dann mit den Songs für das Album begonnen und das hat sich einfach weiter entwickelt.
Ingmar: Die EP war im Grunde das Werkzeug, um uns selbst zu beweisen, dass wir das auch zu zweit können. Wir haben innerhalb von sechs bis acht Wochen beschlossen, dass wir selbst singen und dann ging alles Schlag auf Fall. Denn damit ist die Entscheidung gefallen, dass wir vollständig sind. Wenn du davor immer denkst, dass du nicht vollständig bist, dann spielst du auch anders. Du spielst, als ob etwas fehlt. Als diese Entscheidung gefallen war, war das auch wie eine Befreiung. Wenn man das gleich aufgenommen hätte, hätte man das bestimmt auch noch raushören können. Bei The Sun behind the Dustbin sind dann alle Stücke gleich mit dem Gesang entstanden. Bei der EP war das anders. Da war die Scheibe fertig und der Gesang wurde nachträglich draufgesetzt.
Claus-peter: Wir haben quasi im Studio noch den Gesang geändert und das war bei der neuen nicht so. Da stand alles schon.

Für das neue Album habt ihr euch für die Aufnahmen auf eine Hütte im Schwarzwald verzogen. Zum einen, warum, und zum anderen, wie muss man sich die Situation denn so vorstellen? War das wirklich ein vollkommenes Abschneiden von allen äußeren Einflüssen?

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[Zum Download des Videos zu den The Sun behind the Dustbin-Aufnahmen auf das Bild klicken]

Claus-Peter: Das warum ist eigentlich ganz einfach – wir wollten auf keinen Fall unter Zeitdruck aufnehmen. Wir wussten, dass eine Woche für die Basic-Tracks genug ist, aber wir konnten keine wochenlangen Studioaufenthalte bezahlen. Gemischt haben wir das Album bei mir, da ich ein kleines Studio besitze. Und da haben wir eben das ganze Geraffel mitgeschleppt und es dort gemacht. Das war ein Haus, in dem wir rund um die Uhr ungestört waren – in the middle of nowhere. Und die Situation war eigentlich ziemlich cool. Wir hatten Urlaub und waren allein auf uns gestellt. Wir konnten alles machen, wann uns danach war. Wir haben Mittags angefangen, Spätnachmittags aufgehört und ansonst haben wir Biathlon und Olympia geschaut.
Ingmar: Die Hütte war preiswert und am Arsch der Welt. Wir mussten zwar mit Holz feuern, aber das war für diese Zeit unser. Der richtige Raum, um sich selbst den Platz zu geben.
Claus-Peter: Das ist schon auch geil, wenn man das Schlagzeug bei Kaminfeuer aufnimmt. Das Ding hatte vielleicht 30 qm.
Ingmar: Es gibt da auch einen kleinen Videomitschnitt, den unser Booking-Agent, ein Video-Fetischist, gemacht hat. Ein 2 1/2-Minuten-Trailer mit kleinem Interview.
Claus-Peter: Die Hütte war wie gesagt sehr klein – in der Küche saß Ingmar mit seinem Bass, mein Schlagzeug war im Wohnzimmer aufgebaut und der Regieraum war im Schlafzimmer. Das hat alles sehr gut funktioniert, weil wir die Zeit hatten, das genau so zu machen. Es hat keiner gestört und genervt – keiner hat uns reingeredet. Ich bin meistens früh aufgestanden, hab mir 30 Dokumentationen auf Phoenix angeschaut, Ingmar ist dann später aufgestanden, hat Kasseler gekocht und dann haben wir losgelegt. Es war geil. Eigentlich würde ich das für die nächste Platte wieder bevorzugen. Es ist auch bestimmt unterbewusst cool, weil du so sehr aufeinander hockst. Du beschäftigst dich miteinander und machst miteinander die Musik.
Ingmar: Und man hat die Freiheit zu sagen so und jetzt nehmen wir es auf, selbst wenn es nachts um zwei ist. Z.B. die Akustikstücke entstanden spät in der Nacht. Der Kamin knistert und du hast gar keinen Bock mehr auf Krach und dann schrammelst du eben auf einer alten Klampfe rum. Das ist ein sehr positives Umfeld.
Claus-Peter: Noch ein Punkt ist, dass mir der ganze Technikscheiß tierisch Spaß macht und es super ist, wenn man die eigene Band aufnehmen kann. Es ist auch viel günstiger als in einem Studio. Wenn man alles selbst mischen kann und unter eigener Kontrolle hat, dann ist das schon geil.

Splintered ist für mich der einzige Song, der sich aber wirklich nach Hütte anhört – also einfach drauflos gespielt und das Mikro hingehalten.

Ingmar: Ja, der ist auch wirklich gar nicht bearbeitet.
Claus-Peter: Das war auch so gewollt, so dass er sich derart räudig anhört.

Wie muss man sich die Nacharbeiten zu den Aufnahmen vorstellen? Das muss sich ja doch alles sehr von einer normalen Studioproduktion unterscheiden…

Claus-Peter: Das glaube ich gar nicht. Wenn ich mir die Studioreports im Metal Hammer oder so durchlese, dann wird ja doch viel in seltsamen Locations gemacht. Der Raum, in dem wir das Schlagzeug aufgenommen haben, der war auch einfach gut. Er klang gut.

Es stört also nicht, wenn die Wände nicht gedämmt sind und ähnliches?

Claus-Peter: Nein, das brauchst du auch nicht.
Ingmar: Das Holz hat den richtigen Sound gebracht.
Claus-Peter: Ich habe auch penibel danach geschaut, dass die Mikrofone so passen, dass es von vornherein gut klingt. Ich habe extrem lang rumgemischt – ohne Zeitdruck. Ich denke wir haben einfach sehr sorgfältig gearbeitet.
Ingmar: Wir haben uns nicht unter Druck gesetzt und der Sache so viel Zeit gelassen, wie sie gebraucht hat.

Ist das bei euch so ein bisschen die Arbeitsteilung, dass der eine mehr die Technik übernimmt und der andere die künstlerische Seite?

Ingmar: Es ist ja nicht so, dass Claus dasitzt und sich nen Wolf mischt. Er ruft dann bei mir an, fragt ob ich vorbeikommen kann, um mir was anzuhören, ich bring mich dann entsprechend ein. Klar, er dreht die Knöpfe, er weiß wie man die Mikros richtig hinstellt und wo man hinklicken muss.

Aber speziell bei den Texten liegt der Schwerpunkt z.B. schon bei Ingmar?

Claus-Peter: Das liegt aber in erster Linie daran, dass er schneller dabei ist.
Ingmar: Bezüglich der Mucke ist es so dass wir zu zweit sind und ich habe das einzige wirklich melodieführende Element. Deshalb muss die erste melodiebasierte Idee eben von mir kommen – sonst ist da ja keiner mehr. Beim Songwriting bin schon eher ich derjenige, der rumfummelt, aber letztendlich müssen es beide abnicken und wenn einer nicht zu hundert Prozent von etwas überzeugt ist, dann werfen wir das auch nach dem achtzigsten Mal noch um, wenn es sein muss. Der Song The Sun behind the Dustbin haben wir zum Beispiel sehr oft umgeworfen.
Claus-Peter: Wobei man ja schon auch sagen muss, dass das Aufnehmen und Mischen durchaus auch ein künstlerischer Vorgang ist. Der ist nicht rein technisch zu sehen. Wir haben eine Arbeitsaufteilung, aber es ist zum Beispiel so, dass Ingmar derzeit viel Stress hat, weil er die Homepage umbaut und davor hatte ich viel Stress mit der Produktion.
Ingmar: Was das Songwriting und Texteschreiben angeht, kommt es am Ende dann doch wieder auf 50:50. Ich denke wenn es eine Banddemokratie überhaupt gibt, dann haben wir sie.
Claus-Peter: Das ist auch das geile, wenn man zu zweit ist, dass man solche Dinge ganz schnell regeln kann. Das heißt dann zwar nicht, dass es auch schnell geht, aber man kann es schneller optimieren. Man findet schneller den Punkt, wenn einer nicht zufrieden ist. Bei einer 5-Mann-Kapelle sagt eher mal einer na gut, da leb ich jetzt damit. Bei uns ist das nicht der Fall. Hinter jedem Ton, dem Sound, dem Songwriting, dem Text, hinter jedem kleinen Pups stehen wir beide und das können wir guten Gewissens sagen. Es ist von beiden abgenickt und das ist so, wie wir es haben wollen.

Und man kann sich auch eher mal eine Extravaganz erlauben…

Ingmar: Sicher…
Claus-Peter: …wir müssen es eben beide gut finden.

…zum Beispiel: Coverartwork. Meiner Meinung nach sieht es ein bisschen aus wie ein Ausschnitt aus einem Kinderbuch. Nun weiß man ja, dass ihr beide letztes Jahr Papa geworden seid – hat das euch irgendwie in der Wahl des Covers beeinflusst?

Ingmar: Unbewusst. Wenn, dann unbewusst.
Claus-Peter: Ingmar wollte immer ein Cover, auf dem zwei Typen ein Klavier ziehen. Man sieht auf der Promo jetzt leider nicht, dass es zwei Typen sind, aber das war die Ausgangsposition. Dann haben wir im Internet die Sabine Sandkämper gefunden. Eine Grafikerin, die hauptsächlich mit Kollagen arbeitet. Wir haben angerufen und erklärt, dass wir gerade eine CD machen und ein Cover suchen und sie meinte, dass sie das sogar umsonst machen würde. Wir haben gesagt, dass wir einen Leuchtturm wollen und zwei Typen, die ein Klavier ziehen, und das hat sie dann gemacht.
Ingmar: Wir haben schon Elemente vorgegeben, Grundgerüste, aber die Symbiose kam durch sie zu Stande, durch ihre Art zu arbeiten. Das Interessante war, dass sie vorab unbedingt die Musik hören und die Texte lesen wollte. Das war umso sympathischer.
Claus-Peter: Das ist übrigens die Frau vom PENDIKEL-Gitarrist.

Es ist aber nicht so, dass eure Eltern euch gezwungen haben, dass ihr Klavier spielen müsst und seit dem zieht ihr das als Last hinter euch her?

Ingmar: (lacht) Doch!
Claus-Peter: Bei mir auch, Alter!
Ingmar: Ich wollte Schlagzeug spielen und durfte nicht, stattdessen musste ich Heimorgel spielen.
Claus-Peter: Meine Güte, Fierce zeigt uns den Weg, tatsächlich…
Ingmar: Bei mir war das wirklich so finster, dass da die Erbtanten vorbei kamen und ich denen was auf der Heimorgel vorspielen musste. Und dann kam dieses ach, guck mal der Ingmar, wie süß er ist… und die Mutter ganz stolz daneben. Meiner Mutter will ich keine Vorwürfe machen, aber trotzdem. Aber das heißt nicht, dass ich jetzt Tasteninstrumente scheiße finde!

Es kann also durchaus mal noch vorkommen, dass so was auf euren Alben vorkommt.

Ingmar: Ja, das kann in Zukunft mal passieren.

Der Titel Damn you, Charlie Brown! hört sich auch etwas nach Verarbeitung eines Kindheitstraumas an…

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Wir haben für uns selbst auch rückwirkend gesehen, dass die EP Metal ist und jetzt machen wir Rock. Das ist so der Wandel. Deshalb wird die nächste Platte Noise sein. – die Gegenwart: The Sun behind the Dustbin.

Ingmar: Aber nicht unseres (lacht). Wenn alle Texte so einfach entstehen würden, wie dieser, dann wäre ich froh. Als Texter ist man ja oft in einer wahnsinnigen Notsituation – du hast die Bilder vor Augen aber findest die Worte nicht. Der Inhalt sollte natürlich auch etwas transportieren, wenn auch nicht unbedingt unendlich festgelegt. Andererseits müssen die Wörter auch einfach gut klingen oder die Musik kräftigen. Als ich mir mal Gedanken über einen Text gemacht habe, war ich gerade im Internet unterwegs und bin dumm bei Ebay herumgesurft. Dabei sind mir alte Vietnam-Feuerzeuge aufgefallen. Die Soldaten im Vietnamkrieg haben irgendwann aus Frust dem Land gegenüber zum Teil antiamerikanische oder zwiespältige Sprüche in ihre Zippo-Feuerzeuge geritzt. Zippo ist ja auch immer so ein Vietnam-Symbol gewesen und das ist es heutzutage auch noch. Sie haben die Sprüche selbst in die Feuerzeuge graviert und dementsprechend übel sieht das auch aus. Wie auch immer, im Endeffekt ist jede Zeile in Damn you, Charlie Brown ein Zippo-Feuerzeug-Spruch, hintereinandergesetzt und in eine sinnvolle Reihenfolge zu packen versucht.

Also auch der Titel.

Ingmar: Ja, Damn you, Charlie Brown ist ein Zippo-Spruch.
Claus-Peter: Ein richtiges Anti-Kriegs-Lied. Aber gleichzeitig ist es ja auch witzig, die Mucke ist ja eher lustig. Es hat einen gewissen Karikatur-Anspruch über Charlie Brown, und gerade in der heutigen Zeit über Charlie Brown wieder eine gewisse Brisanz.
Ingmar: Gleichzeitig steckt aber auch eine generelle Aussage und Anti-Kriegs-Haltung dahinter. Wer sollte mehr Anti-Kriegs-Haltung haben als Soldaten im Krieg, die sich gegen den Krieg aussprechen? Kräftiger geht es eigentlich nicht. Demzufolge: wenn alle Texte so einfach wären wie der…

Ich habe auch mal noch ein bisschen im Internet recherchiert, da mir der Spruch we are the unwilling, led by the unqualified, doing the unnecessary, for the ungrateful so bekannt vorkam und wenn ich das jetzt richtig herausgelesen habe, dann ist der Zippo-Spruch die Abwandlung von einem Mutter Theresa-Zitat, der da lautet We Are The Willing. Led By The Unknowing. Doing The Impossible For The Ungrateful – allerdings bin ich mir da auch nicht sicher.

Ingmar: Aha…da bist du uns um ehrlich zu sein ein bisschen voraus. Mit Mutter Theresa hat es für uns nichts zu tun.

Der Text bringt für mich ziemlich deutlich rüber, dass man sich bei euch nie so sicher sein kann, ob ihr eine starke Bildsprache benutzt oder wenn man mal dahinter gekommen ist eigentlich doch sehr direkt seid…

Ingmar: Es ist eigentlich nur Bildsprache. Bevor wir Texte machen, haben wir im Grunde das Video im Kopf.
Claus-Peter: Wir quatschen auch oft darüber, wie das Video aussehen sollte. So geil, dann kommt so dieses Einhorn an, das wird erschossen und kratzt dann mit der Vorderpfote im Schnee – solcher Scheiß. Dann kommen die ganzen anderen Einhörner und recken ihre linken Pfoten in den Himmel und schreien…
Ingmar: …dann kommt ein Typ, sägt das Horn ab und verkauft es als Masturbationsstab. Sowas macht einfach auch Spaß.

Speziell bei Nice romantic evening ging es mir so, dass ich den Song gehört habe und ein Video dazu im Kopf hatte…

Ingmar: Ja das war schon auch so gedacht. Das Lied habe ich zu Hause selbst geschrieben und ich habe mir vorgestellt, wie man die Geschichte um jemanden, der irgendwo mit Mutter Natur oder Mutter Leben nicht gerade gut am Start ist, in Bilder fassen kann – ein typischer Tag, an dem alles Scheiße läuft. Mir ging es aber darum, das so zu verpacken, dass es einen gewissen humoristischen Aspekt hat, aber gleichzeitig todtraurig ist. Mutter hat in dem Song ja auch mehrere Bedeutungen. Einmal ist es eine richtige Mutter, einmal ist es Mutter Erde und der Zwiespalt zwischen Mutter Erde und der wirklichen Mutter hat hier auch etwas Ekliges durch das Spread your legs. Damit kann man die Frauenmitte verbinden, oder dass sich die Erde öffnet und man stirbt. Das wird jeder sicherlich unterschiedlich sehen – ich habe hier diese Bildsprache benutzt und diese Wörter gefunden.
Claus-Peter: Im Prinzip ist es genau das, was bei uns eigentlich immer in jeder Beziehung am Start ist. Wir haben erst ein Bild, wie wir etwas machen. Wie wenn man ein Bild malt und sich zuvor vorstellt, wie es aussehen soll.
Ingmar: Das Bild kann vor der Musik oder nach der Musik kommen. Es kann sein, dass wir schon ein Songgerüst haben und uns dann im Proberaum fragen sag mal, was siehst du da jetzt?
Claus-Peter: Zum Beispiel: Erebus. Es handelt von diesen Typen, die im Eismeer gefangen sind und losziehen, um Zivilisation zu finden. Das muss genau so klingen. Deshalb das ganze Gestampfe. Die Strophen am Anfang sind sehr stampfig gehalten und genau so muss das sein, nicht anders. Genauso ist es beim Mischen. Man fragt sich, was der Song aussagt und genau so muss er dann klingen.
Ingmar: Das sind oft nur Nuancen und vielleicht hören das andere gar nicht. Aber wir können für uns sagen, dass wir es an der Stelle genau aus dem und dem Grund so gemacht haben.
Claus-Peter: Ich denke genau das ist es aber. Dass wir für uns sagen an der Stelle müssen wir genau diese Nuance einfügen – das ist uns wichtig.

Bildsprache heißt in diesem Sinne aber nicht, dass sie besonders kryptisch sein muss. Erebus zum Beispiel ist in seiner Erzählweise ziemlich direkt. Bildsprache heißt hier, dass Bilder im Kopf erzeugt werden.

Ingmar: Ich habe manchmal den Eindruck, wir haben Songs über einfache Dinge, die wir schwierig erklären. Ein Stück wie Paraffin Oiler handelt von einem Leuchtturmwächter, der sich selbst anzündet. Früher wurden – und das gilt heute auch noch – gerade in der Schottland-Region die einsamen Leuchtturm-Wächter Paraffin Oiler genannt. Das sind meist Leute, die sehr traurig und allein gestorben sind. Dennoch sind alle auf ihn angewiesen.
Claus-Peter: Alle brauchen ihn, aber keiner kennt ihn oder dankt es ihm. Am Ende des Songs denkt er sich ganz plakativ Ich sollte mich vielleicht mal rausstellen und anzünden, damit die Leute auch mal sehen: Das bin ich! Im Endeffekt ist es ein ganz einfaches Thema.
Ingmar: Es geht um Enttäuschung, es geht um Geltungssucht Und andererseits um Sehnsucht.
Claus-Peter: Du reißt dir den Arsch auf und keiner sieht es.
Ingmar: Das Thema Sehnsucht sofort auf den Tisch zu packen und darüber einen Song zu machen, der dich inhaltlich direkt anspringt und dir sagt hier, ich bin Sehnsucht, das tut dir weh, das liegt mir nicht und das liegt Claus nicht und deshalb möchten wir lieber diese kleine Geschichte erzählen und wenn sich die Leute dafür interessieren, dann sollen sie sich damit auseinander setzen und dann werden sie das auch irgendwann erkennen. Und wenn sie etwas anderes darin erkennen, dann ist das auch gut.
Claus-Peter: Vielleicht ist das auch alles zu pseudo-philosophisch und die Leute denken sich was ist denn das für ein Scheiß? Aber gut, wir machen das nun eben so und wir können beide absolut nicht auf direkte Texte…
Ingmar: Open your Eyes, open your mind… (lacht) Das wurde schon zu oft gemacht.
Claus-Peter: Das kommt manchmal vielleicht ein bisschen zu oberlehrerhaft. Ich finde, wenn man das so ein bisschen verpackt und eine Geschichte erzählt, dann kann jeder dazu denken, was er will und auf einem Niveau, das er will. Er kann es lustig finden und es als witzige Geschichte einordnen, oder sich vielleicht damit identifizieren, weil er genauso ein einsames Arschloch ist.

Vor kurzem gab es bei mir in der Familie die Situation, dass meine Großtante einen Schlaganfall erlitten hat und sie fast komplett gelähmt im Krankenhaus gelandet ist. Sie konnte nicht mehr reden, sie konnte kein Essen mehr zu sich nehmen, sie lag nur noch im Bett und im Grunde konnte sie nur noch die Augen bewegen. Wie es in ihrem Gehirn aussah, wusste keiner so richtig. Sie war immer eine sehr bodenständige Frau, die sehr geradlinig und pragmatisch gelebt hat und ich bin mir sicher, dass wenn sie etwas nicht wollte, dann in einem Bett zu liegen, nichts tun zu können und auf andere angewiesen zu sein. Die Frage, die zu diesem Zeitpunkt im Raum stand war künstliche Ernährung über eine Magensonde – ja oder nein? Sie selbst konnte diese Entscheidung nicht treffen oder zumindest nicht artikulieren. Kann es sein, dass ich diese Situation in Hospice Inn wieder finde?

Claus-Peter: Schon.
Ingmar: Definitiv.
Claus-Peter: Das war der allererste Song, den wir zu zweit gemacht haben.
Ingmar: Meine Oma war in einer ähnlichen Situation. Ich habe den Song nicht auf meine Oma bezogen geschrieben, aber als ich den Song geschrieben habe, war meine Oma gerade Vergangenheit im Sinne dieser Geschichte, die du gerade erzählt hast. Deshalb ist es eine Thematik, die in diesem Zusammenhang interessant sein könnte, den Text ansich hat allerdings Claus geschrieben. Das, was du gerade erzählt hast, ist ein Bild, das genau die Sache widerspiegelt. Du kannst so eine Thematik nur wirklich gut über solch ein Bild darstellen, indem du Situationen herauskristallisierst. Dadurch bekommt es ein gewisses Feuer und die Leute interessieren sich dafür.
Claus-Peter: Wobei das ja schon ein sehr direkter Text ist, da wird ja nicht wirklich etwas umschrieben. Es ist schon sehr klar, um was es geht.

Mich hat besonders die Textzeile they torture you by loving you beeindruckt…

Claus-Peter: Und das ist eben so. Es ist der Segen und gleichzeitig der Fluch der Medizin. Eigentlich ist der ganze Text schon viel zu direkt. Aber es ist so, dass man als liebender Mensch jemand am Leben erhalten muss, obwohl man ihn dabei vielleicht quält. Man weiß es nicht einmal, weil er nicht antwortet.

Vor allem sind Menschen plötzlich dazu gezwungen, eine Entscheidung zu treffen, die sie gar nicht treffen müssten, wenn man der Natur freien Lauf ließe – die Natur würde die Entscheidung für einen treffen.

Claus-Peter: Es ist fast auch schon ein bisschen wie One von METALLICA.
Ingmar: Im Endeffekt kommt da schon wieder der Schulterschluss zu foul-smelling wheel called downhill – auch wenn es chronologisch nicht passt – in dem es darum geht, dass mit der Erfindung des Rades alles bergab gegangen ist. Durch diese künstlichen, lebenserhaltenden Maßnahmen haben wir plötzlich ein Problem, das ansonst gar nicht vorhanden wäre. Darum geht es in foul-smelling wheel called downhill, dass die Bewegung des Rades immer abwärts geht und abwärts ist im Sprachgebrauch eigentlich immer negativ bewertet. Viele Erfindungen, die der Mensch getan hat – wobei das Rad als Symbol für den Erfindungsreichtum des Menschen steht -, sind nicht gut verlaufen. Die Summe dessen zeigt ganz klar bergab und man muss abwarten, was daraus wird.

Und dann auch dieses gnadenlose – wer im Weg steht, der wird durch den enormen Schwung das Kreuz gebrochen.

Ingmar: Einige schubsen es an, einige knallt es weg.

Das Shame on you bezieht sich direkt auf das Rad.

Ingmar: Direkt auf das Rad, ja. Es ist im Endeffekt ein Klagegesang in direkter Kommunikation mit dem Rad. Natürlich spricht es nicht mit einem, aber man beschimpft es.
Claus-Peter: Man weiß das ja aus dem letzten Jahrhundert von den Wissenschaftlern, die die Atombombe erfunden haben und das hinterher auch nicht geil fanden. Das ist im Prinzip übertragen, symbolisch und kryptisch verpackt.
Ingmar: Wir wollen kein Konzeptalbum daraus machen, aber es ist schon so, dass wir auf dem Album viele Themen aufgreifen, die uns beschäftigen und ineinander greifen.
Claus-Peter: Das passt dann aber auch schon wieder zum Doom, weil wir uns sehr stark mit dem Menschen und seinen Gefühlsregungen auseinander setzen.

Und auch das Dilemma, in dem der Mensch durch seinen Verstand steckt.

Ingmar: Und sich dieser Sache bewusst sein. Nicht nur rumschauen, zur Arbeit gehen und denken das wird schon… Es gibt ja genug Leute, die sich über solche Dinge keine Gedanken machen.

Das schwierige – und in dieser Position sehe ich mich zum großen Teil – ist, dass man sich die Gedanken vielleicht schon macht, aber nicht wirklich aktiv etwas tut. Ich versuche vielleicht meine direkte Umwelt zu beeinflussen, indem ich meine Denkweise lebe, aber wirklich aktiv etwas tun, mache ich so gut wie nicht.

Ingmar: Da muss man sich aber auch fragen: Was heißt denn, wirklich aktiv etwas zu tun? Wir hätten auch alle Zeitsoldaten werden können und uns dafür interessieren können. Das ist auch schon etwas, das mich oft bewegt. Ich möchte eigentlich auch mehr tun, aber ich frage mich dann immer wie. Ist das, was du wirklich dagegen tun willst, herumzulaufen und andere Leute wild machen? Oder kannst du nicht anders, indirekt aktiv sein? Schwierig.

Ich für mich selbst – aber das mag auch wieder eine tolle Entschuldigung sich selbst gegenüber sein – bin zu dem Ergebnis gekommen, dass es vielleicht sinnvoller ist, seine direkte Umgebung zu beeinflussen und im Auge zu behalten. Ich sehe heutzutage in unserer Gesellschaft z.B. kaum Sinn in Demonstrationen. Von wem wird so etwas überhaupt noch wahr genommen?

Ingmar: Wenn, dann muss es sicherlich langsam aus sich heraus wachsen und eine gesunde Kraft entwickeln. Diese Vorschlaghammer-Methoden, das hat die Geschichte ja gezeigt, haben es anscheinend noch nie gebracht. Wenn Sachen wirklich Gehalt haben, dann setzen die sich auch durch.

Beehover
Das Ding ist auch, dass wir uns über jede Note einig sind, die wir spielen. Wenn nach dem Konzert einer kommt und sagt das ist aber scheiße, dann können wir guten Gewissens sagen: Nö, das ist nicht richtig. Das ist das, was wir machen wollen und da stehen wir dahinter und wenn es dir nicht gefällt, dann Arschlecken.

Wieder zurück zu euch. Was hat es eigentlich mit eurem Bandnamen auf sich?

Claus-Peter: Oh. Ich habe mal zwei Semester in England studiert und dort auch mit ein paar Leuten Musik gemacht. Einer davon hat eines Tages mal erzählt, dass er im Fernsehen einen Typen gesehen hat, der sich auf den Körper Bienen hat setzen lassen. Als die Show vorbei war, mussten die ja auch wieder irgendwie weg, und die wurden dann einfach mit einem Staubsauger abgesaugt. Das haben die dann Beehoover genannt und der Typ meinte so zu mir: Alter, total geil, so nennen wir mal ne Band. Die anderen fanden das alle Scheiße, aber ich fand es eigentlich immer einen ganz coolen Namen. Denn das ist eingängig und nicht besser oder schlechter als irgend ein anderer und es gibt eine ganz witzige Geschichte dahinter. Und es ist kein Name, der einen automatisch in eine Schublade steckt. Ich meine, wenn man jetzt so was nimmt wie SACRED STEEL, da weiß man sofort was los ist, hier, Gerrit mit Eierkraulgesang und so weiter. Nicht dass ich das scheiße finde, aber man weiß sofort was es ist. Das klappt bei BEEHOVER gar nicht.
Ingmar: In den Bandnamen haben wir auch nie viel Energie reingesteckt.
Claus-Peter: Der klingt gut, den kann man sich merken und gut schreiben.
Ingmar: Man kann auch Schabernack damit treiben, ihn als normalen Namen B. Hoover, Bi-Hoover – also Doppelstaubsauger -, oder sonst wie verwenden. Es ist ein recht sinnfreier Name. Und das find ich auch gut. Denn wer zu gehaltsschwangere Namen hat, der legt sich ja auch nur fest. Vielleicht wollen wir irgendwann mal Reggae machen, dann können wir den auch noch nehmen.

Was könnt ihr euch denn tatsächlich vorstellen, wie ihr euch in nächster Zukunft weiterentwickelt?

Claus-Peter: Oh, das ist jetzt interessant, weil wir haben gerade angefangen neue Songs zu machen – man muss ja auch mal nach vorne denken. Wir glauben, dass es ein bisschen noisiger klingen wird.
Ingmar: Ich glaube aber, dass wenn eine richtige Noise-Band unsere Musik hören wird, würden die auch sagen jaja, passt schon… In unseren Augen ist es aber tatsächlich etwas voluminöser. Wir nehmen diese etwas positive Melodieführung raus und werden etwas ausladender.
Claus-Peter: Wobei momentan haben wir einen Song am Start, der ist fast schon Disko. Der heißt Dance like a volcano.
Ingmar: Der geht aber auch wirklich so ab. Den Text hat Claus heute bei der Arbeit geschrieben.
Claus-Peter: Insgesamt wird es schon ähnlich. Es wird nicht so sein, dass wir jetzt unbedingt eine Hammond oder eine Orgel mit rein nehmen werden, das nicht. Es soll schon so rockig und wiedererkennbar bleiben.
Ingmar: Es wird eine Veränderung geben.

Ich schätze euch nicht so ein, dass ihr jemals sagen werdet: Das ist jetzt unser Referenzalbum und so wollen wir von nun an immer klingen…

Claus-Peter: Das ist jetzt wieder die Sache mit diesem auf einen Stil festlegen. Die ganzen Rezensionen, die wir bislang gelesen haben sind zwar geil und positiv, aber die schreiben immer was von Jazz und was weiß ich was. Also mit Jazz hat das ja gar nix zu tun und ich weiß auch nicht, wo die das her haben. Das Ganze hat in keiner Hinsicht Jazz-Attitüde. Und nur weil man vielleicht mal eine bestimmte Akkordfolge oder Harmonie spielt, ist das noch lange kein Jazz. Das ist eine ganz andere Einstellung und die haben wir nicht. Es ist nix improvisiert, wie auch manche schreiben. Selbst wenn wir das machen wollten, so hat es sich immer herauskristallisiert, dass es bei uns einfach nicht geht. Es ist doch irgendwie alles festgelegt.

Euer Label hat im Info geschrieben: Die Auseinandersetzung mit Sounds ist intelligent und kopfbetont. Passt das zu euch?

Ingmar: Ja. Ich denke die Auseinandersetzung mit Sounds ist mit Sicherheit auf meinen Mist gewachsen, denn der Claus arbeitet am Schlagzeug nicht mit Sounds in dem Sinne, dass er sie auf Knopfdruck verändern kann. Ich habe eben ein paar Schaltkisten auf dem Boden und damit kann ich Klangfarben erzeugen. Es gibt Leute, die da ordentlich rumtrampeln, damit es möglichst verrückt klingt und es gibt Leute die sagen mir reichen meine Einstellungen am Verstärker und da muss halt Rock rauskommen. Ich habe am Anfang auch darauf rumgetrampelt wie ein Geisteskranker weil ich dachte, dass es immer schön bunt sein muss. Deshalb kommen manchmal zu viele Disharmonien vor, was ich bei unserer EP bemängle. Es klingt alles zu aneinandergestückelt. Ich glaube was mit diesem Satz gemeint ist, ist: Mit diesen Effekten wird die Essenz der Songs heruntergebrochen. Es werden nicht auf Biegen und Brechen Effekte gerissen, sondern songdienlich damit gespielt. Effekte werden benutzt um den Song wachsen zu lassen und ein gewisses Gefühl rüberzubringen. Ich weiß nicht, ob uns das gelingt, das kann man selbst immer sehr schwer sagen. Wenn man eine Steigerung spielen will, dann kann man nicht abrupt 25 Pedale treten und denken der Song steigert sich, sondern man muss songdienstlich mit diesen Effekten spielen. Ich denke das ist damit gemeint.

Für mich funktioniert Musik an erster Stelle gefühlsbezogen und an zweiter Stelle kopfbetont. Viele Bands, die sehr kopfbetont spielen, haben meist das Problem, dass sie sehr konstruiert oder wie am Reissbrett erzeugt klingen. Der Idealzustand für mich ist dann erreicht, wenn mein Gefühl angesprochen wird, ich mich mit der Musik aber auch intellektuell auseinander setzen kann. Wie nah seid ihr eurer Meinung nach an diesem Idealzustand?

Ingmar: Am Anfang, würde ich sagen.
Claus-Peter: Das ist natürlich schon was wir erreichen wollen. Es sind ja mehrere Dinge. Zunächst will man einen interessanten Song schreiben. Was ist ein interessanter Song? Das ist etwas, was man tausend Mal hören kann und immer noch etwas Neues entdeckt. Wir vermeiden typische Akkordwechsel…
Ingmar: …oder wir provozieren sie….
Claus-peter: …oder wir provozieren sie, indem wir sie so spielen, wie man es erwartet, um eine Stimmung herbeizuführen, eine Spannung aufzubauen und dann eine Erlösung. Oder wir machen gerade so, wie man es nicht erwartet, um z.B. ein Unwohlsein hervorzurufen. Wir versuchen das songdienlich zusammen zu packen, damit es nicht zusammengestückelt klingt. Der erste Song unserer EP klingt z.B. meiner Meinung nach ziemlich zusammengestückelt. Wenn man einen anderen langen Song wie Sun behind the Dustbin nimmt, dann ist der ebenfalls sehr lang – fast zwölf Minuten – aber er klingt in sich sehr stimmig. Bei dem ist es uns gelungen, verschiedene Stimmungen und Steigerungen günstig zu verpacken und das ist auch unser Ziel.
Ingmar: Trotzdem sind wir da relativ am Anfang, weil wir erst mit dem Debüt gelernt haben, mit unserer Musik umzugehen. Es war ein bisschen Brechstange und wir haben gemerkt, dass wir Einiges gelernt haben.
Claus-Peter: Viele Leute finden aber genau das Scheiße. Viele sagen zum Beispiel, dass der Song zu lang geraten ist. Aber wir sagen, dass der Song nicht nach der Hälfte zu Ende sein kann. Das geht nicht, er ist noch nicht zu Ende erzählt, es fehlt etwas. Jeder Song ist so lang, wie er sein muss. Die Steigerung ist manchmal genau richtig, wenn sie zehn Sekunden geht, manchmal aber auch, wenn sie sich über zwei Minuten zieht. Es kommt immer drauf an.

Wenn ihr sagt, dass ihr mit dem nächsten Album noisiger werdet, dann stell ich mir vor, dass sich das genau in solchen lang gezogenen Steigerungen äußert…

Ingmar: Das kann schon phasenweise in die Richtung gehen, dass wir genau da ansetzen, was viele Leute scheiße finden. Ja.

Beehoover
Die EP war im Grunde das Werkzeug, um uns selbst zu beweisen, dass wir das auch zu zweit können.

Ich muss jetzt mal noch auf eure Zweierbesetzung zurückkommen. Es ist im Metal-Bereich einfach ungewöhnlich, vor allem Bands, bei denen das auch live funktioniert. TENACIOUS D. fallen mir spontan ein, die das schaffen. Ihr habt damit kein Problem.

Claus-Peter: Vermutlich deshalb, weil wir im Grunde immer zu zweit gespielt haben. Es war nie so, dass wir uns umorientieren mussten, wir haben immer zu zweit gespielt und andere waren eben dabei. Und das hat geklappt oder nicht geklappt.
Ingmar: Das hat auch oft Probleme hervorgerufen, denn als wir auf dem Trip waren, dass wir eine Gitarre brauchen, dann kamen Gitarristen zum Vorspielen und das hatte immer den Charme von Claus und Ingmar spielen gegen die Gitarre. Das hatte phasenweise einen gewissen Charme aber im Grunde war es für den Song immer ein Verlust.
Claus-Peter: Der Bass ist dann immer zurückgefallen zum normalen Bass.
Ingmar: Und ich als Bassist habe mich dann immer der Gitarre angepasst und das Resultat war eine Musik, die wir gar nicht machen wollten.

Wie reagieren Veranstalter und Tontechniker darauf, wenn ihr jetzt zu zweit irgendwo ankommt?

Ingmar: Mittlerweile sehr positiv.
Claus-Peter: Das ist eigentlich ziemlich unproblematisch. Wir gehen hin, erklären, dass wir mit dem Bass spielen und das sie den Bass wie eine Gitarre einstellen sollen. Dann kommt ein ja, alles klar, sie stellen ihr Mikro wie für eine Gitarre hin und das klappt. Aber wir haben den Basssound auch wirklich optimiert. Am Anfang war das ganz normaler Bass. Ingmar spielt einen Fünfsaiter, irgendwann merkten wir aber, dass das so nicht funktioniert. Der erste Song auf der EP wird mit der tiefen H-Saite gespielt und mit dem hatten sie beim Mischen irre Probleme, weil es sich mit dem Schlagzeug gebissen hat.
Ingmar: Es hat sich herauskristallisiert, dass es vom Spielcharakter immer mehr in Richtung Gitarre geht, an sich ja aber ein Bass bleibt. Also haben wir so lange daran herumgedreht bis er über das gesamte Griffbrett eine gewisse Intensität ausstrahlt und in keiner Lage etwas verliert. Das erschwert sich immer, wenn verschiedene Effekte hinzugeschaltet werden, die das Klangbild verändern und das kann die Sache wieder sehr beeinflussen. Alles in allem hat das bestimmt anderthalb Jahre gedauert, bis wir gesagt haben, so, jetzt sind wir da wo wir hinwollten.
Claus-Peter: Das Problem ist natürlich, dass wenn du im Studio bist, du viel mit Mikrophonie machst. Aber beim Konzert muss das so funktionieren, dass der Techniker sein Mikro hin stellt wie er denkt dass es richtig ist, und man dem nicht rein quatscht, weil man ja kein Arschloch ist. Trotzdem muss es funktionieren und das klappt inzwischen ganz gut.
Ingmar: Sogar exzellent. Denn Claus als Schlagzeuger hat die ganz normale Ausgangssituation, nur sein Gesangsmikrophon ist nicht ganz typisch. Ich spiele über eine Gitarrenbox mit einem Bassverstärker, da kommt das Mikro davor und der Mischer mixt das ganz normal über die PA ab – da ist kein Hexenwerk dahinter.

Trotzdem stelle ich es mir sehr schwierig vor, mit zwei Instrumenten den Raum zu füllen und das finde ich das Faszinierende, dass ihr das hinbekommt.

Ingmar: Das kommt erst mal durch diese Vorarbeit, so dass über das Griffbrett immer das Volumen da ist. Ein üblicher Bass ist unten herum schön warm, mollig und fett. Wenn man oben anfängt Akkorde zu spielen, dann ist er erst mal nur nervig.
Claus-Peter: Es ist aber auch ein Songwriting-Ding. Der Bass und das Schlagzeug müssen sich einfach gut ergänzen. Wenn das alles gut passt, dann ist es wichtig, wann Ingmar welchen Effekt einsetzt. Und dann ist wichtig, wie eine Steigerung gespielt wird und wie die Sachen relativ zueinander klingen. Manchmal sind wir auch richtig dünn, aber dann wird es auch wieder richtig fett. Durch die Relation der Sounds entsteht dann wieder der richtige Eindruck.
Ingmar: Man muss sich seine Schwächen einfach manchmal auch zu Nutze machen. Wenn es denn überhaupt eine Schwäche ist – das ist auch relativ. Ich habe gewisse Effektkombinationen, die dünn wie die Sau klingen, aber sie haben einen schönen Klang. Das kann man für den Moment dann aber auch nutzen. Ich glaube nicht dass das Nachteile sind, aber man muss es geschickt einsetzen. Das ist auch das, was meiner Meinung nach im Promozettel gemeint war, dass man nicht aus seinem Equipment oder seinen Möglichkeiten Nachteile zieht, indem man sagt das kann ich jetzt nicht oder das geht nicht, sondern genau das zu seinem Instrument macht. Ob uns das gelingt oder nicht, das lass ich mal dahin gestellt. Es gibt sicher auch Leute die sagen, dass ihnen das auf den Keks geht.

Ich denke bei euch wird es eh so sein, dass man euch, um euch beurteilen zu können, erst mal hören muss, und dann gibt es eigentlich nur Gefallen oder Nichtgefallen.

Claus-Peter: Obwohl wir zum Beispiel auch eine Rezension von einem Engländer bekommen haben, der meinte, dass er es am Anfang nicht so toll fand und nach ein paar Mal hören lief es ihm rein. Ich denke mit einem Mal hören ist es bei uns einfach nicht getan.

Was ich bisher wahrgenommen habe ist, dass alle von euch begeistert sind. Jeder redet nur gut über euch. Hättet ihr damit gerechnet, dass die Leute derart euphorisch reagieren, oder empfindet ihr das gar nicht so?

Claus-Peter: Naja, man freut sich schon über positive Reviews und wenn die Leute einem sagen, dass es ihnen gefällt. Irgendwie bin ich schon stolz darauf und klopf uns auf die Schulter, dass wir das so gut hinbekommen haben. Aber damit gerechnet? Vor dem ersten Konzert hatte ich richtig die Hose voll – die Leute hätten ja auch wegrennen können. Wenn man sich lange Zeit mit etwas intensiv beschäftigt, dann kann man das ja gar nicht mehr beurteilen. Natürlich haben wir die Sachen auch immer im Proberaum aufgenommen und anderen vorgespielt, aber wie es ankommt, das weiß man dann doch nicht so richtig. Damit gerechnet? Ich hätte vorab beim ersten Konzert nicht gedacht, dass es so gut ankommt. Ich hätte aber auch nicht gedacht, dass es schlecht ankommt.
Ingmar: Beim DOOM SHALL RISE zum Beispiel haben wir uns schon immens einen Kopf gemacht – das kann man nicht anders sagen. Ich bin auch mehr der Typ der sich vorab total den Kopf zerbricht, aber wenn es dann so weit ist, dann muss das jetzt einfach mal sein und man sieht was passiert. Claus ist eher derjenige, der dann fünf Minuten vor dem Konzert denkt Mensch du, jetzt geht´s aber los.
Claus-Peter: Ich bin da echt im stillen Kämmerchen gesessen und habe gedacht: Auf was hast du dich da nur eingelassen. Wenn dich jetzt alle auslachen? Du musst ja wieder von der Bühne zwischen die Leute. Wenn wir spielen, ist es dann aber wieder in Ordnung.
Ingmar: Also ich habe mir vorab immer die Gedanken gemacht, ob wir alles so gespielt bekommen, wie wir es uns vorgenommen haben, als ob es den Leuten wohl gefällt. Ich hab mir eher um die technische Seite Sorgen gemacht. Ob jetzt die Resultate gut oder schlecht ausfallen, das wir mir dann ein stückweit sogar egal. Denn es war ja alles vorbereitet – entweder es gefällt ihnen oder nicht, aber es gibt kein zurück mehr. Natürlich finde ich es geil, wenn es jeder super findet. Aber wenn es uns gefällt, was gibt es denn dann zu entschuldigen? Ein immenser Verspieler von mir, auf Grund dessen Claus dann durcheinander kommt – so etwas ist nicht entschuldbar. Es ist unverzeihbar und durch nichts wieder gutzumachen.
Claus-Peter: Aber das Ding ist auch, dass wir uns über jede Note einig sind, die wir spielen. Wenn nach dem Konzert einer kommt und sagt das ist aber scheiße, dann können wir guten Gewissens sagen: Nö, das ist nicht richtig. Das ist das, was wir machen wollen und da stehen wir dahinter und wenn es dir nicht gefällt, dann Arschlecken. Das ist nach langem Überlegen genau das, was wir machen wollen.
Ingmar: Wir hatten von Anfang an auch den Anspruch, dass wenn von drei Leuten bei so einem Konzert es einem gefällt, dann ist die Mission ein stückweit entfernt.
Claus-Peter: Wir hatten auch keine Konzerterfahrung davor. Es ist erstaunlich, dass es aber unterschiedlichen Leuten aus unterschiedlichen Richtungen gut gefällt.
Ingmar: Es scheint genreübergreifend zu funktionieren – das kann man schon sagen.
Claus-Peter: Ich fand da auch eine Kritik vom DOOM SHALL RISE geil, bei dem der Typ meinte: So was Langweiliges will ich nicht hören, da bin ich raus. Da denke ich mir: Relativ gesehen zum Gros der Doombands sind wir doch recht abwechslungsreich und gerade nicht langweilig. Vielleicht war er nur Fehl am Platz.
Ingmar: Aber so unterscheiden sich auch die Kritiken. Bei den einen denkt man: Mensch, der hat es genau so gesehen, wie wir es gemeint haben. Andere sagen war ganz unterhaltsam und andere sagen nur voll öde – braucht kein Mensch – ist was für Leute mit Einschlafstörungen.. Ich bitte dich. Das ist keine fundierte Kritik. Das ist einfach nur Reviewschreiben aus Langeweile.

Beehover
Mit Sicherheit kann ich jedoch sagen, dass wir nicht Metal sind. In den Doom sind wir reingerutscht, weil wir immer dachten, dass wir auch eine gewisse Atmosphäre und Melancholie haben. – trotz gewisser Unterschiede fühlen sich BEEHOOVER wohl im Doom-Genre

Ich habe in meinem Review geschrieben, dass ihr deshalb für einen Reviewer eine Herausforderung seid, weil man sich nie sicher ist verstehe ich die Zwei genau so, wie sie es meinen.

Claus-Peter: Aber wir machen uns selbst ja überhaupt keinen Kopf darüber.
Ingmar: Vielleicht müssen wir da auch an uns arbeiten, dass man es nicht unbedingt verstehen muss. Wenn wir so gehaltsschwanger daherkommen, dass Leute denken verstehe ich das jetzt richtig oder nicht und darüber entschieden wird ob das gut oder schlecht ist, dann ist das der falsche Ansatz. Und da muss man mal schauen, woran das überhaupt liegt. Wobei wir uns da halt auch nicht verbiegen können, weil wir machen, was wir mögen. Ich denke man muss nicht das BEEHOVER-Konzept verstehen, um uns zu mögen.
Claus-Peter: Es gibt ja auch kein BEEHOOVER-Konzept.

Und das ist dann auch wieder die Sache, dass zum einen eine kopflastige Auseinandersetzung mit der Musik stattfindet, die auf der anderen Seite aber nix bringt, wenn das Gefühl nicht angesprochen wird.

Claus-Peter: Vielleicht ist es auch die Sache, dass wir von Natur aus humorvolle Typen sind und gerne Spaß machen, aber andererseits ist die Musik sehr traurig und getragen.
Ingmar: Die Kobmination aus trauriger Musik und humoristischen Ansätze kann vielleicht zu Sodbrennen führen. Damit haben wir aber nicht gerechnet.
Claus-Peter: Auf der Bühne versuche ich auch immer die Ansagen etwas witzig zu machen, so wie ich eben auch sonst bin. Wenn ich vor The Sun behind the Dustbin von den kleinen Kindern erzähle, die nach Hause kommen, die Mutter nicht aufmacht und sie vor der Haustür erfrieren, dann weiß mancher vielleicht auch nicht, ob er das witzig finden soll oder ob ich das Ernst meine. Das weiß ich ja selbst nicht.

Ich denke es hat auch damit zu tun, dass man euch – woher das auch immer kommen mag – als Erstes mal eine künstlerische Tendenz unterstellt.

Ingmar: Aber wir denken uns nicht immer zu jedem Fuck was. Wir wollen gar nicht so künstlerisch sein, wie wir wahrscheinlich wirken. Wenn jemand jetzt denkt, das wäre Circus Sideshow und das einen ganz besonderen künstlerischen Ansatz hat, und wenn er weil er es nicht versteht es deshalb auch nicht gut finden darf – das ist mit Sicherheit nicht unser Ansatz. Das was wir machen ist Entertainment und die Leute, die das hören, sollen sich verdammtnochmal wohlfühlen. Und das versuchen wir über alle emotionalen Gefühlszustände hinzubekommen. Und unsere Art ist eben nicht, traurige Songs mit witzigen Songs abzuwechseln, sondern traurige Musik mit witzigen oder humoristischen Texten zu kombinieren. Und das stößt vielleicht manchmal komisch auf.
Claus-Peter: Wobei die Mucke aber auch witzig ist. Damn you, Charlie Brown ist doch witzige Musik.
Ingmar: Wir sitzen mit Sicherheit nicht zu Hause und denken, dass wir mit Biegen und Brechen etwas Komisches machen wollen, damit die Leute einen schwierigen Zugang haben. Das ist mit Sicherheit nicht so.

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