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AGRYPNIE: F51.4

Eine tief klaffende, schmerzhafte Wunde hat das Hinscheiden von NOCTE OBDUCTA hinterlassen. Verschafft AGRYPNIE die langersehnte Linderung?

Eine tief klaffende, schmerzhafte Wunde hat das Hinscheiden von NOCTE OBDUCTA in der deutschen Black Metal-Welt hinterlassen. Dieses dunkelrote, pulsierende Schmerzauge pocht in der Schwarzmetallerseele, die sich nun eilig einen Ersatz suchen muss. Doch was tun? Die Pein im Alkohol ertränken? Das dürfte kaum von Erfolg geprägt sein, ist ein rechter Black Metaller doch mit Met, Bier und blutergänzten, obskuren Zaubertränken zur Genüge geeicht. Nein, der gierige Blick in den Dunstkreis von NOCTE OBDUCTA verspricht schnellere Linderung. Denn aus dem Nebel taucht AGRYPNIE auf, das schwarzmetallische (Side-)Projekt von Thorsten, dem Unhold, der auf F51.4. die Texte von NOCTE OBDUCTAs Marcel Va.Tr. vertont. Ist dies die Rettung? Oder bietet F51.4. wie die klinische Interpretation des Titels es vermuten lässt, nur einen Pavor Nocturnus, ein plötzliches Hochschrecken aus dem Schlaf, einen von heftiger Angst und unkontrollierbaren Zuckungen beherrschten Zustand, in dem fragmentierte Erinnerungen an die hehren NOCTE OBDUCTA-Zeiten aufkommen?

Das Werk von AGRYPNIE ist mitunter beides, Rettung und krankhafte Schlafstörung. Der gebotene melodiöse Black Metal hat eine gewisse deutsche Aura und nicht nur in Kerkerseelenwanderung ist ein gewisser NOCTE OBDUCTA-Touch festzustellen. Gefühlvolle Lyrics in deutscher Sprache, fern von peinlichen Klischees, bevölkern die Klanglandschaften, in denen ausgedehnte akustische Gitarrenparts genauso ein Zuhause finden wie schöne Bassmelodien oder schroffe, verzerrte Gitarren. Selbst wenn die Songs nicht so fesselnd und überzeugend sind wie diese der genannten verblichenen Größe, so scheint die Rettung doch nah, das Licht am Ende des Tunnels schemenhaft erkennbar. Oder doch nicht?

Ein Irrtum. Die krankhafte Schlafstörung existiert. Zumindest auf AGRYPNIEs F51.4.. Sie erscheint in Form des Drumcomputers, der nerviger ist als christliche Wanderprediger und die täglichen Richterzimmer der Daytime-Perversion zusammen. Manchmal kann man mit einem Drumcomputer leben. Doch derjenige, der bei AGRYPNIE zum Zug kommt, wurde derart schlecht und nervtötend programmiert, dass er die Verlustverletzung aufreißt. Weit aufreißt. Salz hineinstreut. Sie mit Tabasco einreibt. Und danach penibel alle AGRYPNIE-Songs willentlich zerstört, zerfetzt, zerfleddert. Egal, ob schnell in Cogito Ergo Sum oder mit dem Charme eines Geigerzählers in den besinnlichen Passagen von Masken. Dieser Drumsound macht dieses Werk zur Schlafstörung, dieser Drumsound hämmert das restliche Gute dieses Albums aus, weg, auf Nimmerwiedersehen.

Am Ende bleibt die Frage: Warum? Warum konnten es sich AGRYPNIE nicht leisten, warum wollten sie es sich nicht leisten, ihre Kompositionen einem richtigen Drummer mit einem richtigen Sound anzuvertrauen? Schließlich sind hier keine unbedarften Neumusiker am Werk, die irgendwo im Kinderzimmer eine Platte aufnehmen und das vorher noch nie gemacht haben. Letzten Endes beraubt sich F51.4 so seiner Qualitäten, ein vorsichtiges Antesten ist mehr als angesagt. Denn der Nachgeschmack dieses Albums ist – zumindest für mich – bitter. So ist es immer mit der Enttäuschung.

Veröffentlichungstermin: 29.09.2006

Spielzeit: 51:51 Min.

Line-Up:
Torsten, der Unhold (Ex-NOCTE OBDUCTA): Gesang, Gitarren, Bass, Programmierung
Marcel Va.Tr. (Ex-NOCTE OBDUCTA): Texte

Produziert von Vagelis Maranis
Label: Supreme Chaos Records

Homepage: http://www.agrypnie.de

Tracklist:
1. Intro
2. Und führet mich nicht in Versuchung
3. Auf den nackten Korridoren
4. Cogito Ergo Sum
5. Kerkerseelenwanderung
6. Spiegel?
7. Masken
8. Glas
9. Outro

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