DORNBUSCH/KILLGUSS: Unheilige Allianzen – Black Metal zwischen Satanismus, Heidentum und Neonazismus [Buch]

Äußerst lehrreiche, interessante, vielschichtige und auch schwer verdauliche Lektüre – und ein Muss für jeden Black Metaller!

Seit 1998 liegt auf den meisten Lesestoffhaufen der Black Metaller neben der Edda, der Satanic Bible und den alten Ablaze-Ausgaben noch ein anderes Buch: das Lords of Chaos von Michael Moynihan und Didrik Söderlind. Mit einer brennenden Kirche auf dem Cover und dem reisserischen Untertitel The bloody rise of the satanic metal underground rückt das Werk in die Nähe von Boulevardzeitungen – und angesichts dessen, dass laut Unheilige Allianzen der eine Autor bei den rechtsgerichteten BLOOD AXIS dabei ist und der andere mal für den norwegischen PLAYBOY geschrieben hat, rückt der politische Zusammenhang bei Lords of Chaos doch in den Hintergrund. Nichtsdestotrotz oder gerade deswegen wurde das Buch ein Erfolg – denn nach einer kurzen Black Metal-Geschichtszusammenfassung gibt es reichlich süffig geschriebene Schilderungen der Szenengeschehnisse in Norwegen in den 90ern, sowie viele Fotos und kurzweilige Interviews mit Szenegrößen. So unterhaltsam es auch war, gewisse Dinge Revue passieren zu lassen, so nervig waren die Folgen von Lords of Chaos. Teenie-Black Metaller, welche zu den Zeiten vom Helvete-Shop noch nicht mal im Kindergarten waren, verschafften sich die Black Metal-Schnellbleiche und führten fortan lächerliche Diskussionen darüber, wie damals doch alles besser gewesen wäre (und nein, sie bezogen sich nicht auf ihre Kindergartenzeit). Nach dem dazugehörigen Metalsampler soll nun auch noch eine Verfilmung des Stoffes angestrebt werden.

Schon zu Beginn von Unheilige Allianzen ist klar, dass das 2005 erschienene Werk von Christian Dornbusch und Hans-Peter Killguss wohl kaum je auf der Leinwand umgesetzt werden wird. Denn Unheilige Allianzen ist anders – keine Sensationslust, keine unterhaltsamen Plaudereien, keine Schönfärberei. Stattdessen Fakten, Quellenangaben und ein eher trockener Stil, der an universitäre Forschungsliteratur erinnert, denn an eine nette Lektüre vor dem Schlafengehen (obwohl – gewisse Abhandlungen zur Corpus Linguistik haben ihren Reiz). Unheilige Allianzen geht tiefer in den Underground, als etwa die 1991 erschienene soziologische Studie von Deena Weinstein zum Heavy Metal, welche eine eher oberflächliche Behandlung des Themas vorzog. Vor allem die Abhandlungen zur deutschen Black Metal-Szene sind sehr ausführlich und trumpfen mit einer Detailfülle auf, die den Leser beinahe erschlägt. Vergleichbar ist diese aufgezeigte Fülle an Verknüpfungen, Vernetzungen und Personenkonstellationen etwa mit einem Bundesliga-Fan, der jeden Spieler der letzten 15 Jahre nennen kann, dazu noch in welchen Clubs er gespielt hat (inklusive die frühen Jahre beim Quartierverein X) und wann er mit welchen anderen Spielern zeitgleich auf dem Rasen gestanden hat. Natürlich ist Unheilige Allianzen spannender als Fußball, aber eine leichte Lektüre ist das Werk in der Tat nicht. Wie bei einer Forschungsarbeit auch wird professionell recherchiert und eine Auflistung der Quellenangaben geliefert – nicht weniger als 1110! Dazu gesellt sich ein Personen-, Band- und Sachregister, welches zum Nachschlagen verleitet.

Inhaltlich widmet sich auch Unheilige Allianzen zuerst einem geschichtlichen Abriss zum Thema Black Metal mit den Urvätern VENOM, BATHORY und HELLHAMMER / CELTIC FROST. Danach beleuchten die Autoren die Szenegeschehnisse in Norwegen in den frühen Neunzigern und zeigen auch Verbindungen zu Black Metal-Geschehnissen in anderen Ländern auf. Dies machen sie in trockener Art und Weise. Sensationslust, Kaffeeklatsch und Polemik sucht man in Unheilige Allianzen vergebens. Einige schwarz-weiße Fotos von relevanten Covers oder diskutierten Personen lockern den Text auf, täuschen jedoch nicht darüber hinweg, dass der hier vorhandene Text keinesfalls leicht verdaulich oder amüsant ist. Bald merkt man auch, dass die Schilderung der Musik an sich nicht im Zentrum steht. Die Autoren richten ihren kritischen Blick primär auf ideologische Hintergründe in den Lyrics oder in Interviews mit den einzelnen Musikern. Unzählige Interview-Aussagen aus Fanzines werden u.a. ausgewertet und anhand dieser die Verbindungen einzelner Musiker, Bands, Vertrieben, Plattenfirmen und politischen Organisationen aufgezeigt. Bei diesen Nachforschungen fällt rasch auf, dass das Spezialgebiet von Dornbusch und Killguss die deutsche Black Metal-Szene ist – und sie zeigen sehr detailliert auf, wer die Fäden in der Hand hat und welche Bands wie mit dem rechten Rand der Szene verbandelt sind. Obschon das schreibende Duo solche Verbindungen auch in anderen Ländern aufdeckt, fallen besonders die Kapitel über die Szene in Deutschland äußerst opulent aus. Im Sinne der Aufklärung werden die Akteure auch namentlich benannt – hinter allen klangvollen Pseudonymen stehen die bürgerlichen Namen der einzelnen Personen, nur ganz wenige bleiben im Schatten der Anonymität. Insgesamt ist besonders löblich hervorzuheben, dass die Autoren stets nüchtern die Unterschiede zwischen Heidentum, Satanismus und Neonazismus analysieren und zu erklären versuchen. So tappen sie nicht in die Falle, alle Black Metaller über denselben Kamm zu scheren und zeigen vielmehr auf, wie Theorien, Überzeugungen oder sogar ein literarisches Werk wie Lord of the Rings von Rechten für ihre Zwecke instrumentalisiert werden.

Unheilige Allianzen hat bloß zwei Schwachpunkte. Zum einen fehlen trotz der Aktualität des Werkes Hinweise auf das Satanistenpärchen Ruda und den Satansmord von Witten. Zum anderen hapert es trotz aller universitären Lesestimmung zeitweise arg bei der Rechtschreibung. Glücklicherweise sind nur weniger Bandnamen davon betroffen, aber wenn von der Leda-Gitarre statt der Leadgitarre die Rede ist, bekommen nicht nur Deutschlehrer Augenbluten. Allerdings machen Killguss und Dornbusch das Ganze mit dem Inhalt ihres Werkes wieder wett. Am Ende stimmen sie denn auch hoffnungsvolle und heilende Worte für das Problem der Unterwanderung von Rechts in der Black Metal-Szene an. Denn laut Killguss und Dornbusch sind ansonsten an Gigs nicht nur Menschen anderer Hautfarbe bedroht, sondern auch Fans, die vielleicht den `falschen` Aufnäher an der Jacke oder ein `falsches` T-Shirt tragen. Um ein solches Szenario zu verhindern, appellieren sie an die Szene, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten und den Rechten das Terrain streitig zu machen, etwa durch das Verwehren des Eintritts an Black Metal-Konzerte.

Fazit: Unheilige Allianzen ist äußerst lehrreiche, interessante, vielschichtige und auch schwer verdauliche Lektüre – und ein Muss für jeden Black Metaller!

Veröffentlichungstermin: 2005

Line-Up:
Christian Dornbusch, Hans-Peter Killguss: Autoren

Reihe antifaschistischer Texte, Unrast Verlag München

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