KATATONIA: The Great Cold Distance

Verstörend, kalt, schwermütig, begeisternd. Das erste Highlight des Jahres.

Wenn sich gute Laune plötzlich in bedrückendes Schweigen verändert, wenn man dieses Flaue Gefühl im Magen hat, dass nichts mehr so ist wie vorher, dass es keine Möglichkeit mehr gibt umzukehren, dann vergisst man diesen Augenblick seinen Lebtag nicht mehr. Als ich The Great Cold Distance zum ersten Mal hörte, war mir noch nicht klar, dass dies der Beginn einer Liaison sein sollte, die tiefer und aufwühlender werden würde, als ich es mir in meinen kühnsten Träumen ausmalen würde.

KATATONIA stehen drei Jahre nach ihrem letzten Output dort, wo sie ihre Reise zuletzt beendeten. Viva Emptiness, sicherlich eine große Scheibe, erzeugte jedoch nicht durchgehend Gänsehaut, wo The Great Cold Distance voll ins Schwarze trifft: Vorbei sind die schönen, melancholischen Momente, die dem Hörer ein Lächeln auf die Lippen zauberten, stattdessen vergehen KATATONIA endgültig ihren schwermütigen Stimmungen. Kälte bestimmt das Gesamtbild dieses Albums, die fünfzig Minuten todtrauriger Musik zeigen KATATONIA konsequenter als selten zuvor, pendeln zwischen selbstzerstörerischen Zusammen- und wütend-metallischen Ausbrüchen und finden so perfekt die Balance zwischen den Extremen.

Stichwort Härte: Natürlich haben KATATONIA sich nicht auf ihre Wurzeln zurück besonnen, sondern bieten leicht zeitgemäße Härte. Das hat nichts mit Anbiederung an gängige Trends oder Ähnliches zu tun, oh nein. KATATONIA haben viel mehr ihren eigenen Stil gefunden, der sich vor allem aus dem Zusammenspiel von Gitarrist Anders Nyström und Sänger Jonas Renkse zusammensetzt. Will heißen, dass die Kontraste aus massiven, tiefergestimmten Riffs und dem zerbrechlichen Gesang ganz klar das Gesicht der Band sind. Doch ganz wichtig sind auch die leiseren, traurigen Stellen, in denen sich das aufbaut, was sich später wieder entlädt.

Dabei ist es ganz natürlich, dass es gediegenere und heftigere Nummern auf The Great Cold Distance gibt. Der Grundtenor bleibt jedoch derselbe. Seien es traurig-schöne Stücke wie Deliberation, My Twin, July oder In the White oder heftigere Lieder wie Leaders, Rusted und The Itch, was KATATONIA auf diesem Album geschaffen haben ist fast ausschließlich großartig. Einzig Consternation fehlt eine klare Linie, etwas Besonderes. Und die verzerrten Vocals machen es leider nicht besser. Doch dies ist der einzig fragwürdige Track auf einem Album, das so unglaublich viel Herz und Schmerz beinhaltet, wie man es nur ertragen kann.

The Great Cold Distance zieht den Hörer zweifellos runter, macht aber gleichzeitig süchtig. KATATONIA verschmelzen hier alles, was man an ihnen liebt, konsequent und selbstbewusster denn je, was sich vor allem an dem erneut verbessertem Gesang ausmachen lässt. Außerdem beeindruckend wie präzise und heavy das Drumming die Riffs unterstreicht, die dieses Mal sogar einen kleinen Abstecher in Richtung modernem, komplexem Thrash machen – MESHUGGAH light lassen grüßen. Ansonsten kann man KATATONIA mit keiner anderen Band mehr vergleichen, sie spielen in ihrer eigenen Liga anspruchsvoller, düsterer Musik.

Wer dennoch denkt, dass moderner Metal emotionslos sei, hat sich getäuscht. Zwar ist dieses Werk wie ein kalter und strenger Winter, doch gerade deshalb spürt man die Musik deutlich, sie geht unter die Haut, sie wirkt nicht aufgesetzt. Dies ist ein ehrliches, aufrichtiges Album, das viel mehr Gefühl transportiert als manch Scheibe, die verkrampft auf altmodisch getrimmt wurde. Keine Berührungsängste, liebe Freunde der alten Schule, auch ihr könnt hier getrost reinhören. Überhaupt, vom wunderschönen Artwork und der massiven, drückenden und glasklaren Produktion her bleiben keine weiteren Wünsche mehr offen. Dieses Album stellt sogar Last Fair Deal Gone Down in den Schatten, auch wenn diese beiden Alben nicht wirklich miteinander verglichen werden können.

Fakt ist, dass dieses Album eines der intensivsten und verstörendsten Werke ist, die ich seit langem gehört habe. Und nach einer kurzen Eingewöhnungszeit weiß es auch diejenigen zu begeistern, die sich etwas völlig anderes erhofft hatten. The Great Cold Distance ist das erste wirkliche Highlight des Jahres und es werden sich einige weitere illustre Bands an KATATONIA und dieser Atmosphäre messen lassen müssen. Doch seid gewarnt: The Great Cold Distance wird nicht nur eure Stimmung umpolen. Apathie nicht ausgeschlossen. Große, kalte Leere. Herrlich.

P.S.: Voiceovers sind Bullshit, besonders hier, Peaceville!

Veröffentlichungstermin: 10. März 2006

Spielzeit: 51:51 Min.

Line-Up:
Jonas Renkse – Vocals

Anders Nyström – Guitars

Fred Norrman – Guitars

Mattias Norrman – Bass

Daniel Liljekvist – Drums

Produziert von Anders Nyström und Jonas Renkse
Label: Peaceville

Homepage: http://www.katatonia.com

Tracklist:
1. Leaders

2. Deliberation

3. Soil´s Song

4. My Twin

5. Consternation

6. Follower

7. Rusted

8. Increase

9. July

10. In the White

11. The Itch

12. Journey through Pressure

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