LUNAR AURORA, DARKSPACE und FOREST OF FOG am 18.2.2006 in der Remise, Wil (CH)

Frühlingserwachen und dennoch frostiger Black Metal – LUNAR AURORA zeigten, wie das live in der Remise geht…

Statt Frost, Eisregen und fiesen Graupelschauern ein laues Lüftchen, einige Wolkenbänke am Himmel, die dann und wann den Mond und die Sterne verdecken – ja, man konnte an diesem Februarabend schon sachte von einem Frühlingserwachen sprechen. Das Ziel des Abends war indes ein frostiges Black Metal-Spektakel, welches jedoch kurzfristig empfindlich zurechtgestutzt wurde: Der zweite Headliner NOCTE OBDUCTA sagte aus gesundheitlichen Gründen leider ab. Nichtdestotrotz erschien reichlich Publikum, welches, ob der Sprachvielfalt zu urteilen, auch aus den Nachbarländern in den Kanton St. Gallen pilgerte, um diese zweite Ausgabe der von Death to Peace organisierten Black Metal-Konzerte zu genießen. Ob der gut gefüllten Remise wurde leider auch bald klar, dass die Konzertorganisatoren wenig gelernt hatten aus dem ersten Gig: Neben den zahlreichen NSBM-Shirtträgern wurden wieder offensichtliche Glatzen-Spacken im Fascho-Outfit reingelassen, anders als beim ersten Death to Peace-Konzert unterließen jene jedoch ihre hirnlosen Grußbekundungen, welche auch in der Schweiz verboten sind.

Nach einem cleanen, frappant an JEAN-MICHEL JARRE gemahnenden Intro begannen die Schweizer FOREST OF FOG gegen 21 Uhr ihr Set. Nicht nur im Opener Begraben in Trümmern der Angst wurde klar, dass der Drummer im Departement Kondition offenbar seine Probleme hat und sich nicht wirklich in die geforderte Tempohöhen schwingen kann. Musikalisch zeigte sich das Quartett meist im Midtempo-Black Metal verankert. Als zweites stand der Song Schwertes Blut (vom Rabenflug-Demo) auf dem Programm, der jedoch trotz stampfender Parts kaum Spannung erzeugen konnten. Zu oft wurden die hausbackenen Riffs wiederholt, die rhythmische Komponente war reichlich uninteressant und schlüssige Übergänge scheinen FOREST OF FOG nicht in ihrem Repertoire zu haben – stattdessen klingen die Gitarren aus, dann folgt das nächste Riff. Das Stage-Acting der Truppe beschränkte sich auf reichlich minimale Aktionen, auch bezüglich Ansagen und Interaktion mit dem Publikum schienen die Schweizer allzu scheu. In Augenblick des Zorns kupferten die Schwarzmetaller dann reichlich bei DISSECTIONs The Somberlain ab, wobei sich dann im Gitarrenbereich happige Schwächen offenbarten – trotz sehr simplen Solos mischten sich einige falsche Töne in die Darbietung, welche reichlich hölzern und lahm wirkte. Zum Glück hatten die Schweizer einen guten Sound erwischt, welcher auch die Basslines hörbar machte. Diese waren in der Tat der einzige wirklich überzeugende Funken in der FOREST OF FOG-Performance – gut überlegte Bassmelodien, vom Bassmann technisch sauber und mit Schmackes vorgetragen. Leider beschränkte sich dieser positive Eindruck auf die Performance des Tieftönerherrschers. Kompositorisch überzeugten die Schweizer trotz einiger zusätzlicher Reminiszenzen an MITHOTYN nicht – zu bieder und 08/15 die Riffs, zu hölzern die Übergänge und abgesehen vom Bassisten schlicht ungenügende technische Fähigkeiten. Den vorderen Reihen schien diese Aufwärmrunde indes zu gefallen, FOREST OF FOG berücksichtigten ihre drei Demos Untergang, Rabenflug und Nebelhymnen mit Songs wie Seelenlos, Das Licht erlosch… und dem Abschluss Wenn ich sterbe. Der neue Song Die Vision untermauerte erneut die guten Ansätze im Bassbereich, doch die anderen Instrumentalfraktionen müssen noch einiges an sich arbeiten und vor allem frischere Ideen ins Songwriting einbringen, um sich vom Korsett des biederen und gesichtslosen Schwarzmetalls zu befreien.

Danach war es wieder an der Zeit für eine Umbaupause hinter dem schwarzen Samtvorhang. Nächste Truppe sollte das DARKSPACE-Trio sein, welches mit Live-Auftritten geizt und einen Teil seiner Aura durch überlange Songs mit schlicht numerierten Titeln à la Darkspace 1.0 erlangt. Mit einem Rauschen wurde der Blick auf die Bühne freigegeben, das Schweizer Dreiergespann mit identischem Corpsepaint zeigte sich in grün-blaues Licht getaucht. Diese an Nordlichter erinnernde Lichtshow änderte sich im weiteren Verlauf der Performance kaum, sondern schien – ähnlich wie die Geräusche dazu – in einer Endlosschlaufe gefangen. Drumcomputergebolze und reichlich Keyboardflächen vom Band gaben dem Rauschen von DARKSPACE auch kein Gesicht, stirnrunzelnd und zunehmend genervt wandte sich ein großer Teil des Publikums ab und konzentrierte sich auf die Merch-Stände, die Pinkelpause und den Bierkonsum. In der Tat schien die erste Viertelstunde ein endloses Geräuschintro zu sein, welches Langeweile zelebrierte. Allerdings blieben die stocksteifen Berner dieser lärmigen Form des Dark Ambient nicht durch den ganzen Gig treu, sondern lockerten sie mit simpel gestrickten Riffs in mangelhafter Qualität auf. Das Gitarrenstimmen zwischen zwei Soundbreipassagen erschien als spannende Alternative zum dargebotenen Müll, der in schnelleren Passagen gleich viel Musikalität wie eine Waschmaschine beim Vollwaschgang aufwies. Der endlos wirkende Auftritt stieß auf wenig Gegenliebe, Ausrufe wie langweilig, haut ab und Strom ab waren noch die harmlosesten. Die vorderen Reihen schienen teilweise wie hypnotisiert, doch die Beobachtung fremder Handydisplays mit gewandten Nachrichten wie Ist die Fotze schon da? war weitaus interessanter als das von DARKSPACE produzierte, voraussehbare Rauschen mit gelegentlich auftauchenden, stumpfen Zwei-Ton-Riffs. Die Freude war groß, als endlich der Vorhang fiel und sich das dreiköpfige Valium-Generikum aus dem Staub machte.

Gegen halb zwölf enterten endlich die heiß ersehnten LUNAR AURORA die Bühne. Ein sphärisches Intro und reichlich artifizieller Nebel umgab den Beginn ihrer Performance, welche die in Kutten gekleideten Musiker mit dem Ars Moriendi-Kracher Geist der Nebelsphären begannen. Bereits die ersten Töne machten klar, dass die Deutschen den vorher aufgetretenen Bands nicht nur optisch, sondern vor allem musikalisch klar überlegen waren. Sowohl technisch als auch vom Songwriting her war das Quintett klar Platzhirsch des Abends, was im weiteren Verlauf auch das groovende, abwechslungsreiche Aufgewacht vom aktuellen Mond-Output und das mit einigen manischen Schreien durch Mark und Bein gehende Der Abend des Werkes Zyklus klar machten. Leider wurde spätestens bei diesem dritten Song klar, dass die deutschen Schwarzmetaller eine allzu positive Beziehung zu den zwei Nebelmaschinen auf der Bühne hatten und damit regelmäßig die vordersten Reihen komplett einnebelten – hier wäre weniger mehr gewesen, denn gerade diese Band wollten ja die meisten diesen Abend wirklich sehen und genießen. Musikalisch hatten LUNAR AURORA nichtsdestotrotz den Durchblick, sei es beim bejubelten Blutbaum (vom …Of Stargates and Bloodstained Celestial Spheres…-Silberling), beim zeitweise treibenden und mit atmosphärischen Keyboards versehenen Kerkerseele (vom Elixir of Sorrow-Album) oder beim räudigen Dämonentreiber (vom Ars Moriendi-Werk). Die Deutschen wirkten stets souverän, obschon Frontmann Aran sein Souffleur-Lyricsblatt auf der Monitorbox positioniert hatte – es aber nicht zu brauchen schien. Leidenschaftlich widmete sich das Quintett seinem Set, welches älteres und neueres Material vereinte, und beschränkte Ansagen auf ein Minimum. Den Abschluss bildete Grimm (vom Mond-Werk), in dem sich LUNAR AURORA nochmals der mahlenden Raserei hingaben und diese mit langsameren Parts, bei welchen Bass und Keyboard eine tragende Rolle übernahmen, kontrastierten. Trotz Applaus und Zugabe-Rufen war um halb eins dann Schluss und das Quintett verschwand im Nebel, in dem es gekommen war und hinterließ einen wirklich überzeugenden Eindruck.

Fazit: Obschon das Konzertveranstalten im Metal-Underground ein löbliches Engagement darstellt, wurde Death to Peace II den im Vorfeld geschürten Erwartungen nicht gerecht – was nicht nur am kurzfristigen Ausfall von NOCTE OBDUCTA lag, sondern auch darin, dass die zwei Schweizer Truppen des Abends vom Niveau her drastisch hinter LUNAR AURORA zurückfielen. Bezüglich letzterem würde eine sorgfältigere Auswahl der Supports sicherlich zur Qualität zukünftiger Abende beitragen. Weitaus dringender wäre jedoch eine klare Absage an eindeutig rechtes Publikum. Oder wie es HELRUNARs Skald Draugir im Interview so treffend formuliert hat: Wie gesagt, wir halten von diesen rechten Verflechtungen in der Black Metal Szene gar nichts. Ich denke sogar, daß Fans und Konzertveranstalter sehr viel verantwortungsvoller damit umgehen sollten, z.B. durch Zusammenarbeit mit der Vereinigung Metalheads against Racism. Neonazis, die sich auf Metalkonzerte begeben, machen doch früher oder später sowieso nur Ärger. Keiner will diese Leute da sehen. Da kann man ihnen auch gleich den Eintritt verwehren. Es bleibt zu hoffen, dass die Death to Peace-Veranstalter in Zukunft auch in dieser Hinsicht mehr Engagement zeigen.

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