BURGFOLK 2005: Der Bericht

Bericht zum BURGFOLK 2005 mit CORVUS CORAX, FIDDLER´S GREEN, POTENTIA ANIMI, FAUN, ELANE, 44 LENINGRAD und CROMDALE.

Das Mülheimer Schloss Broich hat seine Ursprünge in den Jahren 883/884, erbaut als Festung gegen die Normannen. Das BURGFOLK-Festival hingegen gibt es erst seit 2002, eine passendere Location als das alte, mehrfach zerstörte und wieder aufgebaute Schloss hätte man mitten im Ruhrgebiet aber wohl kaum finden können. Das Schloss, in dessen Innenhof auch das CASTLE ROCK-Festival stattfindet, sorgt nicht nur für eine stimmungsvolle Kulisse, sondern ist auch sehr zentral gelegen und mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen. Einziger Nachteil dieser zentralen Lage ist und bleibt die Tatsache, dass die Musik in den Abendstunden sehr pünktlich verstummen muss.

Mit diesem Manko ließ sich jedoch auch dieses Jahr sehr gut leben, auf der Habenseite standen, wie gewohnt, faire Essens- und Getränkepreise und ein im Vergleich zu anderen Veranstaltungen dieser Größenordnung breites Nahrungsangebot. Musikalisch bot das diesjährige BURGFOLK-Festival erneut eine ausgewogene Mischung aus etablierten bzw. momentan stark an Popularität gewinnenden Bands auf der einen Seite und noch weitgehend unbekannten Underground-Combos auf der anderen Seite. Während erstere in Form von CORVUS CORAX, FIDDLER´S GREEN und FAUN starke Leistungen boten, hinterließen die unbekannteren Bands im Vergleich zu den beiden letzten Jahren keinen uneingeschränkt positiven, sondern bloß einen soliden Eindruck. Man darf gespannt sein, ob der deutsche Mittelalter- und Folk-Underground bereits abgegrast ist, oder ob im nächsten Jahr wieder mehr hoffnungsvolle Newcomer präsentiert werden können.

CROMDALE

Ein solider, aber nicht immer mitreißender Auftakt – CROMDALE.

Ganz in der Tradition des letztjährigen BURGFOLK-Festivals, welches vom Auftritt der CONNEMARA STONE COMPANY eingeleitet wurde, fungierten auch dieses Jahr wieder eine Reihe älterer Musiker, die sich dem Celtic Rock verschrieben haben, als Musiker. CROMDALE setzten auf einen Sound, der getragen war von den Ohrwurmmelodien des Akkordeons, rauem Gesang und hier und da eingestreuten, sehr einfach gehaltenen Gitarrensoli – eine Mischung, welche nicht selten zum Hüpfen einlud. Zwar war das Stageacting der Musiker eher zurückhaltend, man es jedoch, durch einige Showelemente die Aufmerksamkeit des Publikums zu erlangen. So tauchte beim BURGFOLK-Samplerbeitrag, The Ferryman, der bleich geschminkte Schnitter auf der Bühne auf, der auch schon zu Beginn des Konzerts zu sehen war, während beim von unzähligen Bands immer wieder gerne gespielten Herr Mannelig Schlagzeuger Marco Sommer mit brennenden Sticks hantierte. Musikalisch konnte die Interpretation dieses traditionellen Liedes allerdings nicht wirklich begeistern, orientierte man sich nach dem gelungenen, ruhigen ersten Teil doch zu sehr an der Version von IN EXTREMO und setzte auf einen langweiligen 4/4-Beat und sehr simples Gitarrenriffing, wie es die bereits erwähnten Spielleute auf ihrem ersten Album verwendeten. Insgesamt aber war der Auftritt von CROMDALE somit ein recht ordentlicher, wenn auch nicht immer mitreißender Auftakt für das vierte BURGFOLK-Festival, welcher vom zunächst noch nicht sehr zahlreichen Publikum auch entsprechend gewürdigt wurde. Insbesondere die flotten I Know I Have To Die, bei dem dann auch die Geige ausgepackt wurde, und Olga, mit dem der Gig beendet wurde, konnten dann noch einmal ordentlich Stimmung machen.

44 LENINGRAD

44
Der Russian-Speed-Folk von 44 LENINGRAD war nicht jedermanns Geschmack.

Mit ihrem Russian-Speed-Folk hoben sich die Potsdamer 44 LENINGRAD vom restlichen Billing und auch von dem, was man bisher vom BURGFOLK gewohnt war, dann sehr deutlich ab. Mit Akkordeon, Trompete und punkigen E-Gitarren schmetterten die Jungs und das Mädel ihre Interpretationen russischer Folklore in einem meist sehr schnellen Tempo ins Publikum. Dank der coolen Bassläufe und des richtig schön versoffenen klingenden Gesangs, der ab und an auch durch die Stimme der Akkordeonspielerin ergänzt wurde, machte dieses Kontrastprogramm richtig Spaß, zumal man nicht nur musikalisch überzeugen konnte, sondern auch optisch einiges her machte. Das Bühnenoutfit des Gitarristen etwa passte wie die Faust aufs Auge, und auch die Balalaika, gegen die der Bassist seinen elektrischen Bass eintauschte, war ein echter Hingucker. Auf Dauer war die Musik der Potsdamer jedoch ein wenig eintönig. Daran konnten auch die Ska-Einflüsse, welche sich in Form von coolen Off-Beat-Gitarren zeigten, nichts ändern, zumal gesanglich trotz dreier Sänger wenig Abwechslung vorherrschte. Möglicherweise war diese Eintönigkeit mit ein Grund dafür, dass 44 LENINGRAD beim Publikum nicht so gut ankamen. Vielleicht lag es aber auch einfach daran, dass die russische Folklore nicht jedermanns Sache ist und sich viele Leute auf mittelalterliche und irische Klänge eingefahren hatten.

ELANE

Elane
ELANE-Sängerin Joran forderte ganz viel Nebel.

Nach dem kurzen Ausflug in die russische Folklore versuchten die Sauerländer ELANE, die Anwesenden mit ruhigen, keltisch geprägten Klängen zu verzaubern, wobei die Percussion und fast alle anderen Instrumente durch einen Synthesizer erzeugt wurden – ergänzt durch leider viel zu selten zu hörende Geigen- und Gitarrenklänge. Daraus, dass sie große Fans von Künstlern wie LOREENA MCKENNITT, ENYA oder CLANNAD sind, machen die Musiker gar keinen Hehl. Von deren Klasse jedoch waren ELANE noch ein ganzes Stück entfernt. Das galt sowohl für die Kompositionen und die oft austauschbaren Melodiebögen, aber auch für Sängerin Joran, die zwar mit einer durchaus wohlklingenden Stimme aufwarten konnte, der es allerdings noch an Charisma mangelte. So richtig wollte der Funke nicht überspringen, was aber wohl auch an den Rahmenbedingungen lag. An einem sonnigen Nachmittag fällt es nun mal schwer, sich in die düsteren, mystischen und meist orchestralen Klänge fallen zu lassen. Joran erkannte das offenbar und forderte ganz viel Nebel. Aufgrund ihrer schüchternen Art und der kaum vorhandenen Kommunikation mit dem Publikum hätte man aber auch meinen können, sie wolle sich nur hinter den Nebelschwaden verstecken.

FAUN

Eigentlich hätten als nächstes POTENTIA ANIMI auf der Bühne stehen sollen, doch standen diese noch im Stau, so dass der Auftritt von FAUN vorgezogen wurde – wenn dieser auch erst mit einiger Verspätung gegen 16.50 Uhr begann. Wie bereits bei ELANE, so gab es auch bei FAUN keinen Schlagzeuger aus Fleisch und Blut. Die elektronischen Elemente, die dem stilecht verzierten Laptop entlockt wurden, wurden jedoch weitaus dezenter eingesetzt und verschmolzen so angenehm mit den Klängen von Laute, Flöten, Dudelsack, Drehleiher und den Percussion-Instrumenten von Rüdi zu einem sehr stimmigen Ganzen. Zusammen mit den schönen, sehr gut ausgebildeten Stimmen von Fiona und Lisa, die mit ihrem meist zweistimmigen und recht tiefen Gesang zu begeistern wussten, erzeugte dies eine mystische Stimmung.

Faun
FAUN-Sängerin Lisa hatte sichtlich Spaß auf der Bühne.

Zwar waren auch FAUN in ihre Musik versunken, dennoch war viel Bewegung auf der Bühne und man merkte ihnen ihre Spielfreude jederzeit an. Insbesondere Drehleier-Spielerin und Sängerin Lisa hatte sichtlich Spaß auf der Bühne, was sich auch auf das Publikum übertrug. Der magischen Atmosphäre, welche die Musiker scheinbar spielend erzeugten, konnte sich so einfach niemand entziehen. Da man auch immer wieder verhältnismäßig flotte, tanzkompatible Kompositionen im Programm hatte, wurde es so schnell nicht langweilig, so dass die Süddeutschen völlig zurecht für eine Zugabe zurück auf die Bühne gebeten wurden. Definitiv der musikalische Höhepunkt des Festivals!

POTENTIA ANIMI

Potentia
Unkeusche Mönche mit Masken – POTENTIA ANIMI.

POTENTIA ANIMI kamen dann irgendwann doch noch an und entpuppten sich eindeutig als die Spaßvögel des diesjährigen BURGFOLK-Festivals. Das machten bereits die albernen Masken deutlich, hinter denen die Berliner bei den ersten Songs ihre Gesichter versteckten, zeigte sich dann aber in den Ansagen und Texten der offenbar ganz und gar nicht enthaltsamen Mönche. Mit ihren Sprüchen waren die Musiker somit immer wieder für einen Lacher gut, wenn diese Art von Humor in der Mittelalterszene auch mittlerweile alte Kost ist. Auch musikalisch gab es bis auf eine durch den Verzerrer gejagte Laute keine großen Überraschungen, der Mittelalter-Rock mit viel Getröte war nicht mehr als solide Hausmannskost, aufgepeppt allein durch den häufig eingesetzten Chorgesang. Dass POTENTIA ANIMI diesen beherrschen und auch wirklich was drauf haben, bewiesen sie durch eine äußerst gelungene A-Capella-Einlage. Der vierstimmige Gesang war professionell arrangiert und ergab einen sehr vollen Klang. Mehr in der Richtung wäre wünschenswert gewesen. Dem Publikum gefiel es jedoch auch so, so dass auch für die Berliner noch eine Zugabe drin war.

FIDDLER´S GREEN

Fiddler´s
Fegte wie ein Derwisch über die Bühne: FIDDLER´S GREEN-Violinist Tobias Heindl.

FIDDLER´S GREEN machen die Folkrock-Szene bereits seit fünfzehn Jahren unsicher und können auf mehr als tausend Konzerte zurückblicken – eine Erfahrung, die man den Erlangern auch anmerkte. Doch so professionell die Band ihren Irish Speedfolk auch spielte: ihren Spaß am Live-Spielen haben die Musiker offenbar auch nach so vielen Auftritten noch nicht verloren. Gekonnt trafen in dem wohl energiegeladensten Set des Festivals harte Rockgitarren auf filigrane Violinenläufe und Mitgröl-Refrains. Bestes Beispiel dafür war das flotte, im 6/8-Rhythmus daherkommende und fröhliche Shut Up And Dance – dem zweiten Teil dieser Aufforderung kam das Publikum gerne nach, angesteckt durch die gute Laune, welche die Band auf der Bühne ausstrahlte. Was Violinist Tobias Heindl da leistete, war schon beeindruckend. Wie ein Derwisch fegte er über die Bühne und hatte auch kein Problem damit, während des Spielens noch einige Backing Vocals zu übernehmen. Abgerundet wurde der Auftritt, bei dem die Songs deutlich härter und druckvoller rüberkamen als auf Platte, durch einen Gastauftritt von Flötist Colin Goldie, der auch schon mit CROMDALE auf der Bühne gestanden hatte und mit dem FIDDLER´S GREEN auch schon in der Vergangenheit zusammengearbeitet haben.

CORVUS CORAX

Nachdem sich der Innenhof des Schlosses bereits bei FIDDLER´S GREEN sehr ordentlich gefüllt hatte, war zum Auftritt des Headliners noch einmal ein weiterer Publikums-Zustrom zu verzeichnen. Die Beliebtheit von CORVUS CORAX, die bereits 2003 das BURGFOLK-Festival headlinen durften, scheint also ungebrochen zu sein. Viel Neues gab es von den Königen der Spielleute zwar nicht zu hören, doch waren die Musiker um den charismatischen Teufel auch mit einem Standardprogramm noch in der Lage die Anwesenden zu begeistern. Die lärmige, wilde und ungestüme Variante der Mittelaltermusik, wie sie von CORVUS CORAX mit allerlei wuchtigen Pauken und durchdringenden Pipes in Perfektion zelebriert wurde, erklang in einem transparenten Soundgewand, so dass auch das bloße Zuhören Spaß machte. Der Teufel jedoch verstand es, das Publikum anzuheizen und hatte es voll unter Kontrolle, so dass auch noch bis in die hinteren Reihen mit geklatscht wurde. Zwar gaben CORVUS CORAX viele alt bekannte Melodien zum Besten, wie sie seit einigen Jahren auch von vielen Nacheiferern verwendet werden, doch kann man ihnen dies wohl kaum zum Vorwurf machen. Die Erwartungen des Publikums jedenfalls wurden hundertprozentig erfüllt, so dass die Spielleute ordentlich abgefeiert wurden – erst als Zugabe gab es dann schließlich doch noch Material vom neuen Album zu hören. CORVUS CORAX zeigten sich in gewohnt starker Form und erwiesen sich als würdiger Headliner, wenn ein wenig mehr Raum für Überraschungen dem Auftritt auch sicherlich gut getan hätte.

Corvus
CORVUS CORAX verstanden es, das Publikum anzuheizen.
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