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FALCONER: Grime vs. Grandeur

Wäre das gesichtslose, wenn auch qualitativ akzeptable "Grime vs. Grandeur" FALCONERs Debütalbum gewesen, wären die Mannen um Stefan Weinerhall heute lange nicht so bekannt!

Erinnert sich noch jemand an Stefan Weinerhall und seine Mannen, die einst unter dem Banner FALCONER in nordische Gefilde auszogen und mit vier- und sechssaitig bespannten Äxten sowie ohrenbetäubenden Schlachtengesängen alles dem Erdboden gleichmachten, was sich ihnen auch nur eine Sekunde in Weg zu stellen versuchte? Essenziell sind diese sagenumwobenen Feldzüge zwar noch gar nicht allzu lange her – selbst anno 2003 widmeten sich die Helden auf The Sceptre Of Deception noch folkloristischen Nordland-Einflüssen – doch habe ich nach wochenlangem Mustern des neuen Albums Grime vs. Grandeur die Erinnerungen an Genre-Koryphäen wie das legendäre Debüt schon so weit verdrängt, dass eine Schlachansage wie Mindtraveller für mich genauso gut auch aus dem Mittelalter entstammen könnte.

Aber erstmal der Reihe nach: FALCONER haben anno 2005 wieder einmal einiges an ihrem Line-Up verändert, so sind Bassist Peder und Gitarrero Anders Johansson den beiden Neulingen Marcus Linhardt und Jimmy Hedlund gewichen – vom ursprünglichen Line-Up ist neben Mastermind Weinerhall also lediglich Drummer Karsten Larsson erhalten geblieben. Wie schon beim letzten Album bedeutet bei FALCONER ein so kräftiger Stoß gegen das Personalkarussell weitaus mehr als nur eine veränderte Besetzung, denn obwohl Weinerhall seine Songs im Großen und Ganzen allein schreibt, passt er den Sound immer an die aktuelle Konstellation an: Als nämlich Anfang 2003 der Musical-Sänger Mathias Blad aufgrund terminlicher Schwierigkeiten die Band verließ und der eher in Power Metal-Regionen trällernde Kristoffer Göbel (ex-DESTINY) seine Nachfolge antrat, gerieten die folkloristischen Einflüsse deutlich in den Hintergrund und hätte Mathias Blad nicht noch einige Backing-Vocals beigesteuert, hätten die Fans vielleicht schon etwas früher vom Ausmaß dessen Weggangs einschätzen können.

Auf Grime vs. Grandeur hat sich an der Richtung dieser Entwicklung nicht viel geändert: Die Bezeichnung Folk-Metal trifft auf dem neuen Album jedenfalls (mit gaaanz viel Wohlwollen) nur noch bedingt zu und Sänger Göbel scheint sich nun erst so richtig austoben zu können. Während er auf dem Vorgänger The Sceptre Of Deception noch in gewohnter Blad-Manier eher in mittleren und tiefen Tonregionen agierte, packt er nun tatsächlich seine ambitionierte, aber gesichtslose Power Metal-Stimme aus und trällert des Öfteren in Regionen, die kaum noch auf dem Violin-Schlüssel zu notieren sind. Songs wie Purgatory Time (tatsächlich mit lupenreinen Power Metal-Chorus) und The Assailant hätten auf den Frühwerken FALCONERs jedenfalls so nicht gestanden. Zwei Möglichkeiten ergeben sich also für den Verfasser dieser Zeilen und er entscheidet sich nicht dafür, den neuen Stil der Band, der mit dem typischen FALCONER-Sound meines Erachtens nach gar nichts mehr zu tun hat und jegliche Eigenständigkeit vermissen lässt, von vorne herein abzulehnen, sondern dem Melodic Metal-Album Grime vs. Grimeur eine faire Chance zu geben. Und tatsächlich tummeln sich einige gute bis sehr gute Songs in der Tracklist, besonders positiv stechen der großartige Ohrwurm Humanity Overdose, das erwähnte Purgatory Time und The Return hervor. Auffällig ist die hohe Bandbreite der Stücke, denn neben den erwähnten Power Metal-Anbiederungen finden sich immer wieder diverse Experimente, wie knackige Hard Rock-Riffs und verzerrter Gesang (The Return). Hat man die Songs einmal gehört, erkennt man sie ausnahmslos alle beim zweiten Durchlauf wieder und es lässt sich sogar sagen, dass die Stücke auch eine penetrante Dauerrotation meinerseits sehr gut überstehen können.

Rein qualitativ ist Grime vs. Grandeur also ein durchaus annehmbares Album geworden, wird niemandem weh tun und könnte bestimmt auch eine größere Anhängerschaft für sich begeistern. Im Gegensatz dazu werden Fans der ersten Stunde jedoch dem wunderbaren nordischen Folk Metal-Stil hinterhertrauern, der die Band in den vergangenen Jahren zu wirklich konkurrenzlosen Hits, wie Mindtraveller, Enter the Glade und von mir aus auch Hooves Over Northland veranlasste und bis heute in diesem Genre seinesgleichen suchte – einzig und allein das großartige No Tears For Strangers kann bei mir Erinnerungen an diese Glanztaten wecken. Auch wenn ich mir eigentlich vorgenommen habe, diese abgedroschene Floskel nicht zu benutzen: Würde auf diesem Album nicht der Name FALCONER draufstehen, sondern der einer jungen Nachwuchscombo, wäre das Review um Längen positiver ausgefallen. Man könnte es auch einfacher auf den Punkt bringen: FALCONER haben auch im Jahr 2005 nichts an ihrer Klasse, jedoch den ganz entscheidenden Teil ihrer Eigenständigkeit eingebüßt, was verdammt schade ist und die Band möglicherweise sogar langsam aber sicher in der Versenkung verschwinden lassen könnte! So leid es mir also tut: FALCONER sind mittlerweile austauschbar geworden, deshalb tausche ich jetzt mal die CD in meinem Player aus und höre mir wieder die geniale Debütscheibe an!

Veröffentlichungstermin: 02.05.2005

Spielzeit: 52:47 Min.

Line-Up:
Kristoffer Göbel – vocals

Stefan Weinerhall – guitars

Jimmy Hedlund – guitars

Marcus Linhardt – bass

Karsten Larsson – drums
Label: Metal Blade Records

Homepage: http://www.falconermusic.com

Tracklist:
01. Emotional Skies

02. Purgatory Time

03. I Refuse

04. Humanity Overdose

05. The Assailant

06. Power

07. No Tears For Strangers

08. The Return

09. Jack The Knife

10. Child Of The Wild

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