X-MAS-FESTIVAL 2004: Frankfurt am Main, Cafe Royal – 16.12.2004

Das X-MAS-FESTIVAL 2004 sollte ursprünglich in der Live Arena in Münster-Breitefeld stattfinden. Da diese aber den Sommer über leichte Existenzprobleme hatte wurde das ganze damals nach Frankfurt verlegt. Ein überaus unglücklicher Umstand, möchte man sagen …

BELPHEGOR | THE BLACK DAHLIA MURDER | VADER | FINNTROLL | NAPALM DEATH | MARDUK

Das X-MAS-FESTIVAL 2004 sollte ursprünglich in der Live Arena in Münster-Breitefeld stattfinden. Da diese aber den Sommer über leichte Existenzprobleme hatte wurde das ganze damals nach Frankfurt verlegt. Ein überaus unglücklicher Umstand, möchte man sagen. Die Location Cafe Royal war mir vorher gänzlich unbekannt und ich hätte mir nichts sehnlichster gewünscht, als dass das so auch geblieben wäre. Ein altes Kino (ehemaliges Kino Royal eben) MIT Sitzen, die man nur in den ersten Reihen entfernt hat. Dazu gibt`s eine Tribüne, die ihren Teil dazu beitragen sollte, dass vor der (maximal 30 cm hohen) Bühne weniger los ist als nötig. In dem Bereich, in dem man sich den Pit vorstellt, sind die Reste der Sitze als Stolperfallen zurückgeblieben und rote Beleuchtung sorgt dafür, dass es nie so ganz dunkel wird und hinter der Bühne prangt eine weiße Kinoleinwand. Zu allem Überfluss ist es dann auch noch wirklich kalt, im Cafe Royal. Schlechter geht`s nicht mehr. Oder doch? Es geht! Ein kleines Wasser kostet 3 Euro, ein kleines Bier 3,50 Euro, ein Jackie Cola sagenhafte 7 Euro – alles ohne Pfand. Man fühlt sich nicht betrogen, sondern ausgeraubt. Wenn man auf der Gästeliste steht, darf man die Location nicht verlassen und wieder betreten, einen Stempel gibt es nicht. Wer seine Karte verliert darf ebenfalls nicht mehr rein. Und als ob 28 Euro Eintritt (an der AK) und die absurden Getränkepreise nicht genug wären, wird man auch noch blöd angeguckt, wenn man dem Klomann nichts in die Schale wirft! Nicht mal das Pissen ist umsonst, im Cafe Royal. Wahrhaft königlich.

BELPHEGOR
Aber man ist ja wegen der Musik gekommen und hat nun noch gewisse Hoffnung wenigstens in der Hinsicht nicht enttäuscht zu werden. BELPHEGOR, die die unselige Rolle des Opener hatten, spielten schon, als ich die edlen Räumlichkeiten betrat und es war noch weniger als wenig los. Musikalisch ließen die Musiker nichts anbrennen, aber ihre Show schienen die Österreicher nach der Publikumsreaktion auszurichten, die quasi nicht vorhanden war. Lieder wie Fuck The Blood Of Christ und Lucifer Incestus vom gleichnamigen aktuellen Album bekamen zwar Höflichkeits-Applaus, aber Begeisterungsstürme waren nicht auszumachen. Durchaus verständlich, wenn man die Bühnenshow betrachtete: Die Ösis übten sich im Slow-Mo Bangen, je schwungloser, desto besser. Und bei dem Anblick der drei Trauerweiden (denn so sahen die bewegungslosen Musiker aus) bewegte sich zumindest bei mir wirklich gar nix. Als dann Fronter Helmuth noch eine Saite riss, schwand die letzte Hoffnung. Da ihm die Ersatz-Gitarre beim letzten Gig geklaut wurde, musste man von nun an improvisieren, was heißt, dass er nur noch für die Vocals zuständig war. Der Mann konnte als nicht Gitarre-spielender Frontman aber den (ohnehin schon äußerst knapp bemessenen) Platz zwischen Drumkit und Bühnenende nicht ausnutzen und die unspektakuläre Show endete daher ohne große Eindrücke zu hinterlassen.

THE BLACK DAHLIA MURDER

Energiegeladene Show einer vielversprechenden Band: BLACK DAHLIA MURDER

Als nächstes standen die Amis von THE BLACK DAHLIA MURDER auf dem Plan. Von der sich nun langsam füllenden Location erwartete ich daher etwas mehr. Die (allesamt noch sehr jungen) Bandmitglieder gaben auch gnadenlos Gas und konnten bereits beim ersten Song für einen Pit sorgen. Diesen verteidigten aber über die komplette Spielzeit nur zwei Herrschaften mit ihrem 3,0 Promille-Pogo. BLACK DAHLIA MURDER jedenfalls rockten, was das Zeug hielt. Da ich mit der Band nicht so vertraut war, konnte ich die Songs zwar schwer auseinander halten, aber alle folgten sehr konsequent der Devise: schnell, hart und schnörkellos. Sänger Trevor brüllte und kreischte sich die Seele aus dem Leib und verstand es überaus gut seine Wut auf das Publikum zu übertragen. Er suchte sogar förmlich die Nähe zu den Fans und heizte den Anwesenden gut ein. Auch sonst präsentierte sich die Band sehr eingespielt und absolut spielfreudig. Nach der lahmen Show von BELPHEGOR ein mehr als gelungener Anheizer!

VADER
Dass ein Ausflug in die Frankfurter Innenstadt mit dem eigenen Vehikel ein zeitaufwändiges Unterfangen ist, war auch dem Herrn Rezensenten schon im Vorfeld klar.

VADER
VADER legten ein sauberes Set hin …

Dass sich dieses Phänomen zur Weihnachtszeit, in der weniger die ohnehin schon gehetzten Konzertbesucher als die zahllosen Schnäppchenjäger durch die hessische Metropole tuckern, sogar noch exponentiell verstärken kann, hätte er jedoch nicht erwartet. Demzufolge verpasste man nicht nur den Auftritt von BLACK DAHLIA MURDER: Da das gesamte Billing kurzfristig um eine halbe Stunde nach vorne verlegt wurde (!), waren beim Erwerb der Eintrittskarte schon die unverkennbaren VADER-Rhythmen zu erkennen, die scheinbar schon knapp zwanzig Minuten die zahlreichen Besucher im ehemaligen Kino beschallten. Mit überzeugendem Sound und begeisterndem Zusammenspiel hatten die Polen die Meute scheinbar spielerisch auf ihre Seite bringen können, auch wenn ohnehin schon einige Fanshirts im Publikum durschschimmerten. Abgesehen davon, dass Nachzügler wie ich das Gefühl nicht los wurden, eines der Highlights des Abends schlichtweg verpasst zu haben, konnten die letzten beiden Songs Reborn In Chaos und Epitaph sowie die geniale Zugabe Choices noch restlos begeistern – VADER zünden live einfach noch besser als auf ihren Tonträgern, weshalb auch nicht nur für mich auf völliges Unverständnis gestoßen ist, dass das Quintett mit einer halben Stunde Spielzeit viel zu kurz und insgesamt betrachtet auch viel zu früh an diesem Abend spielen musste. Wie Frontmann Peter aber schon in diversen Interviews angekündigt hat: Die Band wird im nächsten Jahr zurückkehren, um den neuen Silberling The Beast gebührend zu promoten! (Der Pohl)

FINNTROLL
Dann war es Zeit für die finnische Humppa-Fraktion FINNTROLL, die bei Männlein und Weiblein gleichermaßen beliebt zu sein scheint und daher auch viele Besucherinnen in die ersten Reihen lockte. Auch auf der Bühne war quasi repräsentativ die ENSIFERUM-Keyboarderin Meiju Enho zu sehen – sie begleitete die Band über die komplette Weihnachtstournee. Und es konnte über den gesamten Auftritt der Verdacht entstehen, dass die Fingerakrobatin schon immer bei den fünf Trollen mitgewerkelt hat, auch wenn sie durch erhebliche Soundprobleme nur sehr schwer zu hören war. Die Finnen verbreiteten jedenfalls wie gewohnt hervorragende Stimmung, was die ständig nach oben gestreckten Hände im Publikum bestätigten. Ausgelassen stützten die Fans klatschend die Takte des aufgrund des scheinbar schlechten Bühnensounds teilweise etwas holprig intonierten Liedguts, wie Jaktens Tid, Midnattens Widunder oder auch der unsäglichen Singleauskopplung Trollhammaren und wären die Texte nicht allesamt auf Finnisch, so hätten einige Besucher den Songs mit Sicherheit auch gesanglich Tribut gezollt. Während jedoch Die-Hard-Fans der Band über die gesamte Spieldauer in Euphorie schwelgten, musste man als neutraler Beobachter der Combo leider ankreiden, dass sie den Unterhaltungswert über die im Gegensatz zum Vorgänger VADER deutlich zu lange Spieldauer nicht ganz halten konnte, was allerdings weniger von den durchaus abwechslungsreichen Songs, als von der mangelnden Variation auf der Bühne ausging. Vielleicht hätte hier die ein oder andere ausführliche Ansage von Wilska Abhilfe schaffen können! Unterm Strich wurde aber niemand enttäuscht, auch wenn FINNTROLL sicherlich schon bessere Auftritte geliefert haben… (Der Pohl)

NAPALM DEATH
Dann war es endlich soweit: NAPALM DEATH. Die Engländer betraten sehr gelassen die Bühne und zelebrierten ihr Brett. Schwungvoll, wirklich schwungvoll und energiegeladen, wie man sie kennt, bekamen die Anwesenden im Folgenden Stücke aus allen Zeiten der Bandgeschichte zu hören.

NAPALM
Energiebündel Barney Greenway ging ab wie ein Zäpfchen …

Continuing War on Stupidity vom (noch) aktuellen Album, Scum, Life und You Suffer vom Erstling Scum, das Titelstück vom Zweitling From Enslavement To Obliteration durften ebenso wenig fehlen, wie Breed To Breathe aus der – quasi – Hit-Phase der Band. Barney ging ab, als hätte er 10 Monate keinen Auslauf gehabt, nutzte jeden Zentimeter der Bühne aus und beglückte die englischsprechenden Fans, die noch zudem seinen üblen Slang zu verstehen im Stand waren mit intelligenten, aber oft auch bekannten Ansagen – die zu Life ist seit Jahren gleich, aber wen juckts? Den spaßigen Satz nach dem 1 Sekunden-Hit You Suffer (Ihr müsst euch konzentrieren, sonst verpasst ihr die besten Songs) hat man so auch schon gehört, was ihn aber nicht schlechter macht. Vom aktuellen Cover-Album Leaders Not Followers Parts 2 waren auch zwei Songs dabei, Lowlife von CRYPTIC SLAUGHTER und Blind Justice von AGNOSTIC FRONT, vom Vorgänger desselbigen prügelten die Herren uns Nazi Punks Fuck Off um die Ohren. Und zur großen Freude allerseits gab es auch noch zwei Stücke vom kommenden Album The Code Is Red Long Live The Code zu hören. Der Sound war gut, die Band gut bei Laune. An das Fehlen von Jesse Pintado (der anscheinend immer noch mit seinen Alkohol-Problemen kämpft) hat man sich indessen ja schon fast gewöhnt, dafür erledigte Mitch seine Arbeit perfekt und unterstützte Barney sogar bei manchen Songs mit wildem Gekreische. Alles in allem kann man sagen, dass NAPALM DEATH den Besuch im ätzenden Cafe Royal durchaus wert waren, es bräuchte aber schon eine Band ähnlichen Kalibers, um mich da noch einmal reinzubekommen.

MARDUK
Dann war also der – zumindest laut der Running-Order – offizielle Höhepunkt des Abends gekommen: Die Headliner MARDUK enterten die Bühne und unterlegten dies mit einem eingespielten, diabolischen Intro. Bevor die Schweden überhaupt mit ihrem Schwarzmetall-Feuerwerk begonnen hatten, war bereits das mangelhafte Interesse des Publikums zu beobachten. Denn während man sich noch bei NAPALM DEATH gegenseitig auf den Füßen stand und des öfteren mit einem wild pogenden Besucher kollidierte, tat sich bei den einstigen Anführern des schwedischen Black Metals eine gähnende Leere im Café Royal auf – es gingen sogar schon einige Besucher frühzeitig nach Hause. Nun, sicherlich ist die Musik des Quartetts nicht jedermanns Sache und besonders für Leute, die ausschließlich wegen FINNTROLL oder Barney und Co. angereist waren, eher gewöhnungsbedürftig – einen entscheidenden Anteil am Desinteresse dürfte aber auch der schwächelnde neue Output Plague Angel und der neue Fronter Mortuus haben, zumal mit Ex-Sänger Legion das absolute Aushängeschild der Combo von dannen gezogen ist. Dementsprechend kritisch wurde Mortuus also beäugt, als er sich über Klassiker, wie Burn My Coffin oder Panzerdivision Marduk hermachte. Gerade bei Slay The Nazarene war dies aber auch nicht ganz unberechtigt, schließlich fühlte man sich durch den nicht nur durch das Corpsepaint etwas gesichtslosen Sänger zeitweise ziemlich befremdet. Dabei kann man dem guten Mann eigentlich konkret nicht besonders viel vorwerfen, der Vergleich mit Legion ist einfach unumgänglich und trotz stimmlicher Kompetenzen kann Mortuus seinem Vorgänger einfach nicht das Weihwasser reichen. Hinzu kam die insgesamt gesehen langweilige Bühnenpräsenz der Musiker, hier konnten auch die zwischen jedem zweiten Song eingespielten Intros nicht viel ändern. Insgesamt betrachtet haben sich MARDUK also – so leid es mir tut – in den letzten Monaten deutlich zurückentwickelt und einen solchen Headlinerstatus einfach nicht verdient, denn Bands wie VADER, FINNTROLL oder NAPALM DEATH sind den Schweden heutzutage einfach um einiges voraus! (Der Pohl)

Was am Ende bleibt, von diesem Tag, ist der Gedanke an ein abwechslungsreiches Billing, das mit seinen Höhen und Tiefen wenigstens einige Verschnaufpausen bot. Ausgeblieben ist das unvergleichliche Konzert-Feeling. Die Kino-Atmosphäre hat wohl dazu beigetragen, dass viele Gäste vergessen haben, dass sie nicht in der Oper sitzen und demzufolge fehlte nicht nur mir die Ausgelassenheit und Bewegung eines Live-Konzertes. In einer anderen Location wären NAPALM DEATH und VADER zum Beispiel um ein vielfaches besser rüber gekommen, als in der Weite des Kino Royal. Trotzdem kann man davon ausgehen, dass die beiden letztgenannten Bands die Höhepunkte des Abends darstellten und somit war die Reise ihren Aufwand wirklich wert. Ob das allerdings den hohen Eintrittspreis wieder wett macht… das lasse ich jetzt mal so im Raum stehen.

Layout: Fierce und Uwe

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