MORTIIS: The Grudge

Auch wenn der missratene Bruder von Mr Spock immer noch nicht von seinem Mummenschanz lassen kann, setzt „The Grudge“ ein deutliches Ausrufezeichen hinter den musikalischen Reifungsprozess im Hause MORTIIS.

So ändern sich die Zeiten. Das Erste, was ich von MORTIIS gehört hatte, war ein halb befremdeter, halb amüsierter Bericht eines Freundes von einem MORTIIS-Auftritt beim Wave-Gotik-Treffen, bei dem Keyboardmusik vom Band lief und ein Gnom, der wie der verheimlichte missratene Bruder von Mr Spock aussah und unter „live“ das gelegentliche Krächzen ins Mikro zum erwähnten Keyboardkaraokeband verstand. Mittlerweile betreibt MORTIIS zwar immer noch seinen Mummenschanz, der den Hobbypsychologen auf eine frühkindliche Überdosis Star Trek und The Munsters schließen lässt, bietet musikalisch jedoch bei weitem mehr als bloßes Keyboardgedudel. Anspruchsvolle, düstere Elektromucke, die von zwei Gitarristen mit einer Metal-Legierung versehen wird, hat er sich auf die Fahnen geschrieben. Und das kann sich durchaus hören lassen. „Decadent & Desperate“ verbindet beispielsweise treibende Drums mit blitzsauberen Riffs und einigen überaus packenden Synthiegrooves. Und „Le petit cochon sordide“ macht deutlich, dass MORTIIS drauf und dran ist, zur Spitze des Industrial/Elektrometal-Bereichs aufzuschließen. Der Name NINE INCH NAILS geistert desöfteren durch die Melodien und Songaufbauten des Albums. Langsamere Tracks wie das siebenminütige „The Worst in Me“ weisen eine fast schon zu enge Verwandtschaft zu den geistigen Ausgeburten des Herrn Reznors auf, während „Gibber“ mit seinem treibenden Snarebeat und den Slidegitarren-Samples dreist im Windschatten eines von Jesus gebauten Hotrods daherbraust.

Leider ist der Gesang des Norwegers nach wie vor verbesserungswürdig, da er zu jammerig wirkt und zu eintönig rüberkommt. Die durchaus vielschichtige Musik hätte eine anspruchsvollere, melodischere gesangliche Umsetzung verdient gehabt. Hier und da wäre zudem wünschenswert gewesen, MORTIIS würde seinen Mut nicht immer noch an das Herumlaufen in voller Gnom-Montur verschwenden, sondern in unkonventionellere Arrangements und Sounds investieren. Insgesamt jedoch setzt „The Grudge“ ein deutliches Ausrufezeichen hinter den musikalischen Reifungsprozess im Hause MORTIIS. Jetzt sollte der spitzohrige Zeitgenosse nur noch Gesangsunterricht in seinen Terminplan aufnehmen und sich deutlicher von seinen neuen Vorbildern lösen, um endgültig auf die Überholspur wechseln zu können.

Veröffentlichungstermin: 13.09.2004

Spielzeit: 46:53 Min.

Line-Up:
Mortiis – Gesang, Synthies, Programming

Levi Gawron – Gitarre

Asmund Sveinunggard – Gitarre

Leo Troy – Schlagzeug

Produziert von Mortiis & Vegard Blomberg
Label: Earache Records

Homepage: http://www.mortiis.com

Tracklist:
Broken Skin

Way too Wicked

The Grudge

Decadent & Desperate

The Worst in Me

Gibber

Twist the Knife

The Loneliest Thing

Le petit cochon sordide

Asthma

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