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WEISSGLUT: Klassikerinterview aus dem Jahr 2000

Es schien, als hätten die deutschen Sittenwächter ein neues Opfer gefunden. WEISSGLUT sahen sich nach dem Release des “Etwas kommt in deine Welt”-Debüt (1998) einer wahren Hetzkampagne und Hexenverfolgung ausgesetzt. Dieses Interview stammt aus dem Jahre 2000 und wurde nach der Release der “Zeichen”-Scheibe und nach Trennung von Josef Maria Klumb geführt!

Interviews, die wir euch nicht vorenthalten wollen – ein Gespräch mit WEISSGLUT aus dem Jahr 2000 zum Release von “Zeichen”, nach der Trennung von Josef Maria Klumb.

Es schien, als hätten die deutschen Sittenwächter ein neues Opfer gefunden. WEISSGLUT sahen sich nach dem Release des “Etwas kommt in deine Welt”-Debüt (1998) einer wahren Hetzkampagne und Hexenverfolgung ausgesetzt. Klar, kennen wir schon von anderen Band, doch anders als RAMMSTEIN oder die ONKELZ sind WEISSGLUT nicht gänzlich unbeschadet aus der Sache rausgekommen. Schade, kaum einer nahm Notiz von der harten wie melodischen, melancholischen wie brachialen Musik. Der Stein des Anstoßes war Sänger Josef Maria Klumb. Klumb, der vor WEISSGLUT u.a. bei Bands wie FORTHCOMING FIRE, CIRCLE OF SIG TIU, AUS 98, ENDPHASE oder PREUSSAK hinter dem Mikro stand, spielt(e) gerne mit dem Feuer und verbrannte sich schließlich. Das lag zum einen sicherlich daran, dass er bei einem Literatur- und CD-Vertrieb arbeitete (der Name ist mir bekannt, doch soll ich ernsthaft Werbung machen??), der dadurch bekannt, berühmt und berüchtigt wurde, dass die Produkte aus diesem Haus deutlich rechtsradikale Tendenzen aufweisen oder eindeutig als rechtsextrem einzustufen sind. Nein, Josef M. Klumb äußerte sich nie eindeutig und direkt. Er goss durch schwammige Zitate und unbedachte (oder bedachte?) Provokationen und Äußerungen Wasser auf die Mühlen seiner Gegner. Er spielte auf naive (??) Art und Weise mit Symbolen und Worten und betätigte sich auch als Hobby-Lyriker, indem er Gedichte im Auftrag des Rechtsaußenblattes “Sleipnir” verfasste. Alles das wurde ihm zum Verhängnis! Ersetzt wurde der umstrittene Sänger (dessen gesangliche Leistung nie Anlass zur Kritik gab) durch den bisher eher unbekannten Tom von Köngelen, der auf dem Zweitling “Zeichen” seinen gelungenen Einstand geben durfte. Meine Gesprächspartner war Gitarrist Guido Winter, und meine erste Frage war, warum die Band – im Gegensatz zu den beiden o.g. – nicht unbeschadet aus der Sache herausgekommen ist…



Das Thema geht uns mittlerweile schon recht mächtig auf die Nerven. Deine Frage ist natürlich nicht so leicht zu beantworten. Ich denke, wir waren für einige Leute zum richtigen Zeitpunkt da, da diese Leute scheinbar jemanden brauchten, an dem sie irgendwelchen Frust ablassen konnten. Wir hätten natürlich weitermachen können, ohne uns von unserem Sänger zu trennen. Wir hatten uns allerdings durch die ganzen Diskussionen so weit voneinander entfernt, dass wir irgendwann nicht mehr eingesehen haben, dass vier Leute für etwas gerade stehen sollen, mit dem sie nichts zu tun haben. Wir wollten nicht mehr den Kopf für jemanden hinhalten, der die ganze Zeit seinen eigenen Film gefahren hat. Wir kamen dann irgendwann zu der Endscheidung, uns von Josef zu trennen. Die ganze Sache ist halt eskaliert. Du musst Dir nur mal vorstellen, dass wir anderen Vier mit der ganzen Thematik nichts zu tun hatten. Doch wenn man immer und wieder wegen solch einer Sache angepisst wird, dann ist die Stimmung innerhalb einer Band irgendwann mal so versaut, dass es nicht mehr weitergeht. Wir konnten nach der Veröffentlichung kein einziges Konzert spielen (u.a. weigerten sich RICHTHOFEN, die ursprünglich mit WEISSGLUT touren sollten, die Band mit auf Tour zu nehmen, denn “wir hatten einfach keinen Trieb, uns jeden Abend durch einen Haufen von Antifa-Leuten zu kämpfen” – der Verf.), da einigen Veranstaltern massiv Gewalt angedroht wurde. Wir haben auch versucht, mit einigen Gegnern zu reden, doch sind einige von ihnen so stur, dass sie nicht dazu bereit waren. Es ist natürlich extrem ätzend, wenn Du immer nur von irgendwelchen nicht greifbaren Phantom-Extremen angegriffen wirst, die einfach zu feige sind, sich Dir zu stellen…

Wie groß war der Druck des Labels Josef zu feuern? Und habt Ihr jemals eine Namensänderung in Betracht gezogen?

Die Plattenfirma hat zwar keinen Druck auf uns ausgeübt, unseren Entschluss aber sehr, sehr positiv aufgenommen. Eine Namensänderung kam dagegen nie in Frage, denn das wäre doch einem Schuldeingeständnis gleichgekommen.

Josef war / ist ja auch bei FORTHCOMING FIRE, ebenfalls eine “Lieblingsband” der Anti-Fa!!

Er war zwar schon Gründungsmitglied und es ging eine Zeitlang auch gut, doch als die Geschichten immer mehr wurden, mussten wir reagieren.

Gab es einen bestimmten Anlass?

blankDa möchte ich am liebsten gar nichts zu sagen. Teilweise haben wir als Band von den Sachen auch erst dann erfahren, als darüber etwas in den Zeitungen stand. Nur, das glaubt uns keiner. Das mag komisch klingen, aber wenn Du zusammen Musik machst, dann machst Du in erster Linie Musik und lässt Dir nicht von jedem das Leben offenlegen, oder?

Waren alle Vorwürfe an den Haaren herbeigezogen? Ist Josef ein Nazi? Ein naiv-verträumter Spinner? Von anderen Seiten wurde er als „esoterischer Schwarmgeist” bezeichnet…

In der Härte, in der er von den Leuten verurteilt worden ist, hat er es ganz sicher nicht verdient. Das nahm ja Ausmaße an, die man kaum noch glauben konnte. Er ist auf jeden Fall kein Typ, der rumläuft und Asylantenheime ansteckt. Es gab innerhalb des Gefüges WEISSGLUT immer eine Trennung zwischen dem Sänger und dem Rest der Band. Er hat für sich in Anspruch genommen, seinen ureigensten, eigenbrödlerischen Weg zu gehen, ohne zu bedenken, dass alles auf die Band zurückfällt. Wie Josef zu beurteilen ist, kann ich schwer einschätzen, da uns – und da bin ich ganz ehrlich – einfach der Background fehlt, was z.B. das Esoterische angeht. Für uns war der Punkt der, dass er partout sein Ding durchziehen wollte…

Wie hat Josef denn Euren Entschluss – ihn zu feuern – aufgefasst?

blankWie er das aufgefasst hat, weiß ich bis heute nicht, da er ein sehr wechselhafter Mensch ist. Vielleicht war er im ersten Moment ein bisschen erleichtert, dass der ganze Druck weg ist. Andererseits hatten wir mit Josef anschließend auch einige heftige Querelen und Streitigkeiten…

Der letzte Satz wird belegt durch die folgende Äußerung Josef Maria Klumb’s auf der Website der Band : “Hübsch kontroverse Website. Meinungsvielfalt, wie im richtigen Leben. Nur im Musikbusiness wird noch streng katholisch nach Gut und Böse selektiert. Trotzdem möchte ich behaupten dürfen, dass die neue WEISSGLUT-CD in jeder Hinsicht ein Meisterwerk geworden ist. Der neue Sänger ist in der Tat vielseitiger. Rein künstlerisch ein würdiger und eigenständiger Nachfolger. Allein die Interviews stehen im krassen Kontext zu aller handwerklichen Größe WEISSGLUT’s. Teils sehr geschmacklos und erbärmlich was man so alles gegen mich glaubt äußern zu müssen. Liebe Ex-Kollegen überlegt Euch, wie nötig ihr es wirklich habt mir dumm zu kommen. Ich hab noch nicht zurück geschossen, aber ich bringe von nun an schwere Geschütze in Stellung wenn ich weiter als Unmensch für euch herhalten muss. “Fair geht vor” und “Aufrecht wird am längsten”. Josef K., Mai 2000″

Lassen wir dieses Statement kommentarlos stehen, zumal ich es erst nach dem Interview mit Guido lesen konnte. Josef hat durch seine Stimme den WEISSGLUT-Stil sicherlich hörbar geprägt. Da war es natürlich eine schwierige Aufgabe, jemanden zu finden, der ähnlich, aber doch anders klingt und gut zum Stil der Band passt. Sah die Band das ähnlich?

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Die Hauptvorgabe war die, dass der Sänger über einen eigenen Charakter verfügen sollte. Wir wollten auf gar keinen Fall ein Josef Klumb-Abziehbild haben. Wir haben auch etliche Kandidaten getestet und es hätte sein können, dass wir tatsächlich niemanden finden, der diese Maßgabe erfüllt. Dann wären wir natürlich in der Form aufgeschmissen gewesen. Glücklicherweise haben wir Tom gefunden, der zwar schon über einige Paralellen zu Josef verfügt, aber meiner Meinung doch varibaler zur Sache geht. Tom hat sich bei uns beworben. Er war zwar nicht der Einzige, der gesanglich zu uns gepasst hätte, doch natürlich muss auch das Zwischenmenschliche funktionieren. Wir wollten jemanden haben, der die gleichen Vorstellungen und Visionen wie wir hat und merkten gleich beim ersten Telefonat, dass wir da auf einer Wellenlänge sind. Wir haben dann geprobt und nach zwei Proben war die Sache klar…

Wer war denn für die Texte verantwortlich? War Josef noch an der Musik beteiligt?

Nein, Tom hat die ganzen Texte geschrieben und war auch an der Ausarbeitung der Songs beteiligt. Es standen allerdings bereits einige Songfragmente

Eine eher traurige Geschichte ist die des ehemaligen EVEREVE-Sängers Tom Sedotschenko. Er bewarb sich ebenfalls bei WEISSGLUT, bekam die Stelle aber nicht und beging am 01.05.99 in seiner Wohnung Suizid. Wie geht man als Band damit um?

Klar, es ist natürlich ein komisches Gefühl, wenn man hört, dass sich jemand, mit dem Du zweimal im Proberaum gestanden hast, umgebracht hat. Wir sind absolut davon überzeugt, dass unsere Absage NICHT der ausschlaggebende Punkt für ihn war. Das haben uns auch Leute bestätigt, die ihn kannten und mit denen wir telefoniert haben. Er hatte halt massive persönliche Probleme, die wohl ausschlaggebend für ihn und seinen Schritt waren.

Hat Euch die ganze negative Werbung unterm Strich geholfen?

Glaube ich nicht, denn im dem Maße, wie die Presse negativ war, kann ich mir das nicht vorstellen. Andererseits ist das aber auch genau die Art von Promotion, die wir nicht haben wollen. Wir wollen die Leute durch unsere Musik und unsere Texte überzeugen und nicht durch solche Geschichten…

Stilistisch habt Ihr Euch nicht sehr verändert! Ich höre immer noch Bands wie OOMPH, LIFE OF AGONY oder TYPE O NEGATIVE in ihren melancholischen Phasen heraus?

blankEinflüsse anderer Bands findest Du immer. Ich krieg auch immer das große Kotzen, wenn sich Bands selbst als ‘innovativ’ bezeichnen. Denn so richtig neu ist heute nichts und niemand mehr. Wenn etwas ‘neu’ erscheint, dann ist das meistens nur eine Kombination aus alten und bekannten Sachen. Wir versuchen gar nicht progressiv zu sein. Uns geht es um die Songs an sich und wollen, dass die Songs stimmig sind und das transportieren, was wir aussagen wollen.

Vor einiger Zeit hatte ich die Möglichkeit, mir eure EP “Im Staub der Rebellion” zulegen zu können. Allerdings taucht dieser Release in keiner Diskographie aus. Was hat es mit der Scheibe auf sich. Wann erschien das Album?

Das ist einfach ein Demo, das remastered worden und ohne unsere Zustimmung auf den Markt gekommen ist. Die Stücke wurden damals in zwei Tagen aufgenommen und gemischt. Das ist eine ganz dubiose Geschichte, die ich dir zwar erzählen könnte. Nur müsste ich dann ein paar Namen in den Mund nehmen, auf die ich keine Lust habe. Es lief damals über unseren Produzenten, der Sachen gemacht hat, die einem sich echt die Fußnägel aufrollen lassen.

Layout: Alex C.

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