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STEEL PROPHET: Auf der Wanderschaft

Als bei uns die Promo zum neuen STEEL PROPHET-Album "Beware" eintraf, war eigentlich schon nach sehr kurzer Zeit klar, dass es zu diesem Werk wieder mal ein Interview mit der Band geben muss. Aber man hat ja bestimmte Vorstellung von einem derartigen Gespräch, und so sollte es eigentlich Steve Kachinsky sein, mit dem wir das Interview gerne geführt hätten. Umso überraschender die Antwort des Promoters, dass der sympathische Gitarrist erst wieder in zwei Wochen zur Verfügung stände, was uns allerdings nicht davon abhielt, diese Wartezeit in Kauf zu nehmen. Umso stärker wiegt aber die Erkenntnis, dass es doch einiger Erfahrung im Business bedarf, um die Coolness zu besitzen, genau dann für einige Wochen abzuhauen, wenn gerade die Promo-Arbeit zum aktuellen Album anläuft….

Als bei uns die Promo zum neuen STEEL PROPHET-Album Beware eintraf, war eigentlich schon nach sehr kurzer Zeit klar, dass es zu diesem Werk wieder mal ein Interview mit der Band geben muss. Aber man hat ja bestimmte Vorstellung von einem derartigen Gespräch, und so sollte es eigentlich Steve Kachinsky sein, mit dem wir das Interview gerne geführt hätten. Umso überraschender die Antwort des Promoters, dass der sympathische Gitarrist erst wieder in zwei Wochen zur Verfügung stände, was uns allerdings nicht davon abhielt, diese Wartezeit in Kauf zu nehmen. Umso stärker wiegt aber die Erkenntnis, dass es doch einiger Erfahrung im Business bedarf, um die Coolness zu besitzen, genau dann für einige Wochen abzuhauen, wenn gerade die Promo-Arbeit zum aktuellen Album anläuft….

Du bist also wieder zurück, um Interviews zu geben…

Ja, ich war fünf Wochen lang unterwegs und bin jetzt wieder zurück.

Du warst also wieder in den Wäldern?

Ja, ich wandere durch die Wälder so viel ich kann. Es war exzellent. Für mich ist es großartig, weil ich mich einfach mit der Welt in Einklang fühle. Für mich geht es darum, mein Leben zu vereinfachen und zu den Basics zurückzukehren.

Fünf Wochen ist ganz schön lang…

Ja, das stimmt, es ist lang. Ich bin ständig unterwegs, sehe neue Dinge und in der Zeit habe ich so an die siebzehn Berge bestiegen. Es war eine gute Zeit.

Von Zeit zu Zeit machst du aber auch Musik…

Ja, immer mal wieder…

Für mich war es cool, das neue Album zu hören, da ich mir die Band ohne Rick nicht so recht vorstellen konnte. Beware ist für mich aber der Beweis, dass STEEL PROPHET nach wie vor für hervorragenden Heavy Metal steht und die Band dabei unberechenbar bleibt.

Das ist cool, du meinst, dass man sich nicht sicher sein kann, was als nächstes kommen kann? Es freut mich so etwas zu hören, das ist ein großes Kompliment. Genau das ist es aber – ich fühl mich nicht, als wär ich ausgebrannt. Ich denke, es können noch ein paar Alben kommen.

Auf mich als Außenstehender hat es gewirkt, als hättest du nach der Trennung von Rick erst einmal etwas Zeit gebraucht, um einige Dinge mit dir selbst klar zu machen und erst dann hast du dich an ein neues Album gemacht, ohne die Öffentlichkeit zu sehr einzubeziehen. Ist da was dran?

Ja, das stimmt absolut. Die Trennung von Rick war unabwendbar. Wir hatten unterschiedliche Einstellungen dazu, wie die Musik klingen sollte, wie die Vocals klingen sollten, usw. Der Split wurde dann aber unschön gehandhabt. Wir beide hatten eigentlich vereinbart, dass die Trennung außerhalb des öffentlichen Auges stattfinden soll, damit das Label die Promo-Arbeit und die Veröffentlichung sauber über die Bühne bringen kann und erst später wollten wir das ganze dann verkünden. Rick machte es aber öffentlich, noch bevor das Album erschien und das gab dann böses Blut zwischen uns. Wir haben dann zunächst einfach weiter gemacht, aber die ganze Sache geriet erst wieder richtig ins Laufen, als die Neuen in die Band kamen und wir neu starteten. Es war wieder eine Spannung in der Band. Sobald der Sommer vorbei und die Sache mit Rick abgeklungen war, schrieb ich sofort wieder neue Songs. Ich, Vince und Karl brachten die Lieder zusammen und das war es eigentlich. Den Großteil der Stücke schrieben wir, glaube ich, tatsächlich 2002, es brauchte dann aber eine gewisse Zeit, bis wir einige Demoversionen eingespielt und einen neuen Deal hatten.

Auf eine gewisse Weise wirkt das neue Album wie ein Neuanfang, aber in einem positiven Sinne. Natürlich fehlt mit Rick ein echtes Trademark, aber Beware klingt nicht wie eine Reaktion im Sinne von wir müssen den Leuten beweisen, dass wir es auch ohne Rick schaffen, sondern mehr wie das ist die momentane Situation, das ist Steel Prophet 2004.

Ja schon. Wir haben nicht versucht, etwas zu beweisen. Wir mussten niemandem zeigen, dass wir es auch ohne Rick können. Es war eher so, dass die Band weiter macht, Musik schreibt und das Beste aus sich raus holt. Wir brauchten einfach noch einen Typ, der zu der Band passt. In vielerlei Hinsicht ist Beware für mich das bislang stärkste Album – von den Melodien her und auch von den Songs. Ich denke, es ist ein sehr kraftvolles Album.

Ich denke auch, dass da sehr starke Songs auf dem Album enthalten sind, die man aber erst entdecken muss. Es gibt viele neue Fassetten, die aber ihre Zeit brauchen. Wie sieht es in diesem Zusammenhang denn mit kommerziellen Erwartungen aus? Gibt es die oder war es für euch jetzt als erster Schritt mal wichtig, dass das Album raus kommt?

Wir haben an den Songs schon eine lange Zeit gearbeitet und hatten das Gefühl, dass wir wirklich ein paar richtig gute Lieder zusammen haben. Ganz ehrlich denke ich, dass viele Leute das Album mögen könnten, die die Band bislang noch nicht kannten. Wir erwarten nicht, dass es ein besonders großer kommerzieller Erfolg wird, aber wer weiß. Ein Problem könnte sein, dass viele Leute, die die Band schon kennen, denken könnten, dass sie bereits alles über die Band wissen. Einige Leute könnten sagen ein neues STEEL PROPHET Album? Bah, interessiert mich nicht. Ich hab die Band schon gehört und es nicht gemocht. Aber wenn uns die Leute eine neue Chance geben, könnten sie feststellen, dass sie uns jetzt vielleicht mögen.

Steel
Das neue Line-Up von links nach rechts: Nadir D´Priest, Vince Dennis, Steve Kachinsky, Devin Cafferty, Pete Skermetta

Diese eher lockere Einstellung passt eigentlich perfekt zu dem Eindruck, den man von dir gewinnt. Ich meine, das Album steht kurz vor der Veröffentlichung, die ganze Promoarbeit beginnt, und was macht Steve Kachinsky? Er geht für fünf Wochen in den Wald.

(lacht) Ja, stimmt, was hältst du davon?

Ich finde es ziemlich cool, ich meine es zeigt, dass ihr euch nicht zu sehr von anderen Leuten vorschreiben lasst, wie ihr die Dinge zu tun habt. Aber was sagt eure Plattenfirma dazu?

(lacht) Das Label sagt dazu eigentlich gar nicht viel, aber unser Management wundert sich, glaube ich, schon ziemlich darüber, warum ich einfach für eine Weile verschwinde. Aber ich überlasse das ganze Zeug lieber ihnen, ich habe meinen Teil gemacht, also das Album aufgenommen und jetzt ist es ihr Job, den Business-Teil zu erledigen. Die anderen Leute in der Band können ja genauso Interviews machen und jetzt bin ich zurück und mach auch welche, was ich eigentlich auch ganz gerne tue.

Würdest du eigentlich sagen, dass ihr auf dem neuen Album euren Sound neu definiert habt, oder denkst du, dass es eigentlich nichts gibt, was neu definiert hätte werden müssen – denn die Essenz von STEEL PROPHET ist nach wie vor vorhanden?

Ich denke du hast die Sache eigentlich ganz gut getroffen, es gab da gar nicht viel daran zu ändern, wie ich bislang meine Songs geschrieben habe. Ich kam immer mit den Riffs an, habe alles arrangiert, usw. Normalerweise habe ich es dem Sänger überlassen, die Melodien dazu zu machen. Was sich geändert hat ist, dass Rick nie groß mit Melodielinien ankam, weshalb ich diese auch für ihn geschrieben habe, während Nadir jetzt ziemlich hart an der Musik arbeitet. Er schreibt eine Melodielinie, ist nicht zufrieden damit, schreibt sie noch mal und er setzt das fort, bis er etwas hat, von dem er selbst denkt, dass es stark ist. Immer wenn er mit etwas ankam, war ich total zufrieden damit. Für mich war das zunächst eigenartig, weil es mit Rick so was nie gab. Wir konnten nie sagen geh heim, schreib die Melodielinien und komm mit denen dann zurück. Was wir noch gemacht haben war, die Gitarren auf C herunterzustimmen, was man eher von Death Metal-Bands wie IN FLAMES erwarten würde. Das gibt dem ganzen einen etwas anderen Sound, aber vermutlich werden das die wenigsten bemerken.

Das Thema von der anderen Seite betrachtet: was sind deiner Meinung nach die tragenden Säulen im Sound von STEEL PROPHET heutzutage? Und war das anders, als ihr die Band gegründet habt?

Ja sicher. Heute stehen wir vermutlich für kraftvollen amerikanischen Metal mit amerikanischen oder auch NWOBHM-Melodien. Ich denke, das ist unser Sound. Es sind weniger diese klassischen Major-Melodien, die man bei vielen europäischen Bands zu hören bekommt. Aber das hatten wir eigentlich schon immer, nur früher haben wir uns mehr darauf konzentriert, komplizierter zu klingen. Bei unserem ersten Album wollten wir den ganzen anderen Bands und Fans beweisen, dass wir so komplizierte Sachen spielen können, dass andere nicht mithalten können. Nach einiger Zeit fragten wir uns aber, wem wir das überhaupt beweisen müssen. Es wurde dann mehr so, dass wir einfach gute Songs schreiben wollten, die wir selber mochten.

Auf dem neuen Album scheint es, als gäbe es aus kompositorischer Sicht keine Blaupause. Es wirkt, als hättet ihr einfach das gemacht, was der Song verlangt hat, egal ob man das normalerweise so macht oder nicht.

Ja, das stimmt. Es ist einfach passiert. Die Sachen haben sich so entwickelt, wie sie gekommen sind, es gab keinen Zwang.

In der Vergangenheit hast du einige Male betont, dass wenn es etwas in der Bandkarriere gäbe, das du anders hättest machen wollen, dann wäre es die Änderung des Bandnamens gewesen. Wäre das jetzt nicht der beste Zeitpunkt dafür gewesen?

Ja, du hast absolut Recht und wir haben auch darüber nachgedacht. Es ist so, wie du sagst und wie vorher bereits angedeutet: die Leute meinen eine Band zu kennen, wenn sie sich einmal ein Bild von ihr gemacht haben. Mit unserem neuen Sänger hat sich schon so viel verändert, dass wir durchaus hätten den Bandnamen ändern und neu anfangen können. Wir haben darüber mit Label und Management gesprochen und es gab gute Gründe dafür und dagegen. Am Ende haben wir dann aber entschieden, dass wir den Namen nicht ändern werden, es sprach mehr für diese Entscheidung.

Hatte das auch mit einer gewissen Angst zu tun, dass euch die Leute erst wieder entdecken müssten, dass ihr alles erst wieder neu aufbauen müsstet?

Ja, schon auch. Es sind so viele Dinge, die da rein spielen. Auf eine gewisse Weise wäre es ähnlich gewesen, wie als SANCTUARY zu NEVERMORE wurden. Sie haben eine ganze Weile gebraucht, bis sie wieder etabliert waren, aber gleichzeitig war es für sie das Richtige, NEVERMORE zu werden. Schau dir auf der anderen Seite FATES WARNING an. Sie haben mit einem bestimmten Stil begonnen und hören sich inzwischen deutlich anders an, es sind andere Musiker dabei… Viele Leute sagen, sie hätten den Namen ändern sollen. Wir haben ewig darüber im Kreis gedacht und mussten irgendwann einfach eine Entscheidung treffen. Keine Ahnung, ob es die richtige Entscheidung war, aber sie musste eben gefällt werden.

Den Namen nicht zu ändern passt aber wieder gut in die Tradition von STEEL PROPHET, denn nach all den Jahren gab es immer wieder neue Dinge, mit denen sich die Fans auseinander setzen mussten, ihr standet nie still, auf eine gewisse Weise befandet ihr euch stets auf der Suche…ich schätze dich als jemanden ein, für den es wichtig ist, weiter zu gehen, ohne dabei seine Wurzeln zu verlieren, oder was denkst du?

Nun…ich denke, das ist die Sache bei der Band, man weiß nie, wie das nächste Album ausfallen wird. Wir haben schnellere Alben, langsamere, wir haben mit dem letzten Album Experimente mit den Sounds der 60er und 70er gemacht,… Unsere alten Alben haben einige Thrash-Einflüsse und irgendwie entwickelt es sich immer weiter. Es ist progressiv im Sinne von etwas Neues auszuprobieren. Auf Book of the Dead gab es zum Beispiel auch einen Song namens Oleander, der viele Fans verwirrte, viele haben nicht verstanden, warum es diesen Song gibt. Wir denken aber, dass es okay ist, das zu tun, was wir für richtig halten.

Beim letzten Album hatte ich das Gefühl, dass es ein sehr persönliches Album war. Warst du da sehr enttäuscht, dass es bei den Leuten nicht besonders ankam?

Ja schon. Es war aus vielen Gründen enttäuschend. Für mich als Songwriter war es ein Album, bei dem ich sehr zu meinen Wurzeln zurückgekehrt bin – meine Wurzeln, mit denen ich aufgewachsen bin, es war teilweise, als würde man zu seinen Teenagerzeiten zurückkehren. Die Musik ist so großartig, ich liebe sie und ich dachte, wir könnten da etwas frisches Blut und neue Aspekte rein bringen, was andere auch mögen könnten. Aber die Platte ist nicht so gut angekommen. Die interessante Sache ist aber, dass wenn man die gleiche Sache immer wieder macht, es die Leute schnell satt haben und wenn man etwas ändert, dann will jeder dass es so klingt wie früher.

Das alte Metal-Problem…

(lacht) Ja genau.

Ich habe auf dem Album eigentlich zwei richtige Lieblingssongs: Leahterette und You are my life. Jetzt muss ich als erstes mal fragen: worum geht es eigentlich bei Leatherette?

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Bei Steel Prophet schreibt nun Sänger Nadir D´Priest die Texte und Gesangslinien

Okay…ich hab die Texte nicht geschrieben, also ist es nur meine Interpretation: ich denke, es geht um eine Frau und gewisse Dungeon- und Ketten-Klischees – S&M. Dieser Typ reflektiert seine Liebe zu dieser Frau, die Schmerz und Lust bei ihm verursacht. Es geht um einen Rückblick auf alte Zeiten, aber ich kann das alles nicht genau sagen.

Auf die Art habe ich den Text auch gedeutet, konnte da aber einige Textzeilen nicht so ganz unterbringen. Was ich mich aber in erster Linie gefragt habe: passt so was denn überhaupt zu STEEL PROPHET?

Nun, es ist nicht exakt das, was wir in der Vergangenheit gemacht haben. Es geht aber auch in die Richtung, dass wir sagen here we are – ich schreibe die Texte nicht mehr und es wurde zu Nadirs Domäne und ich wollte ihm freie Hand lassen. Es hat meinen Job einfacher gemacht, ich kümmere mich jetzt um die Gitarrenarbeit und solche Sachen.

Lyrics und Musik scheinen auf dem Album aber dennoch sehr gut Hand in Hand zu gehen. Political Greed zum Beispiel ist der Song mit dem deutlichsten politischen Statement und hat eine gewisse Punk-Schlagseite…

Richtig.

Für mich ist der Text zu dem Song ein sehr interessanter Ansatz: viele Leute sehen heutzutage in der Welt nur noch Schwarz und Weiß, der Text bringt aber zum Ausdruck, dass man niemandem die Schuld für diese Situation geben darf, wir alle tragen unseren Teil dazu bei.

Genau. Es ist ein sehr aufgebrachter Song und reflektiert die Wut, den die Menschen haben. Jeder fühlt sich durch die Taten des anderen zu den eigenen gerechtfertigt, aber es gibt kein Richtig oder Falsch. Bei dem Song geht es um den Hass, dem jeder irgendwie zu verfallen scheint. Der Song ist weder Pro-US noch Anti-US, es geht mehr darum zu sagen was geschieht hier? Es gibt viele schlechte Emotionen und schlechte Motive. Es ist eine schreckliche Situation heutzutage. Der Mittlere Osten ist wie ein Pulverfass. Warum sagt nicht ein Land endlich mal wir beenden den Hass, wir beenden die Kriege?

Diese Lyrics repräsentieren ganz gut meine Gefühle gegenüber der Gesellschaft im Allgemeinen. Ich habe das Gefühl, dass man heutzutage immer jemandem braucht, auf den man mit dem Finger zeigen kann. Niemand ist dazu bereit auch mal zu sehen, dass man vielleicht auch einen Teil zu gewissen Situationen beigetragen hat.

Ja, exakt. Du siehst es in der Weltpolitik und du siehst es in deinem alltäglichen Leben. Niemand will Schuld sein, wenn zum Beispiel was bei der Arbeit schief geht. Sogar im Haushalt. Wir müssen uns alle diesen Vorwurf gefallen lassen.

Meine jetzige Frage mag vielleicht etwas unfair klingen, aber wenn man dieses Thema auf STEEL PROPHET transportiert, wie sieht es da mit Schuld aus, wenn es um die Trennung mit Rick geht?

Oh…ich fühl mich schlecht bei der ganzen Sache. Es hatte viel damit zu tun, dass er das Gefühl hatte, nicht anerkannt zu werden. Gleichzeitig hat er aber auch nicht meine Gefühle wirklich anerkannt und am Ende haben wir entschieden uns zu trennen, um den gegenseitigen Respekt zu bewahren.

Zurück zur Sicht auf die Gesellschaft: spielt das für dich eine Rolle, wenn du Hiken gehst, einfach um dich von den Krankheiten der Gesellschaft zurückzuziehen?

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Gitarrist und Bandkopf Steve Kachinsky verzieht sich gern mal für Wochen in die Wildnis

Ja, es ist schon wichtig für mich, Distanz zu bekommen. Von mir aus auch von der Gesellschaft, aber vor allem vor dieser komplizierten modernen Welt. Für mich ist das Leben eigentlich eine sehr simple Sache: du versuchst Essen zu bekommen, du versucht Wasser zu kriegen, du suchst nach einem trockenen warmen Platz, wo du Schutz findest – du versuchst zu überleben. Die vier oder fünf einfachen Dinge sind alles, was du im Leben brauchst. Das moderne Leben ist aber so kompliziert: du arbeitest um Geld zu bekommen, du produziert etwas, was dir vielleicht völlig egal ist, aber du musst es tun, um Geld zu verdienen, DAMIT du das Essen und den Schutz bekommst. Und gleichzeitig wirst du mit diesen Bildern von irgendwelchen Dingen bombardiert, von denen du glaubst, dass du sie brauchst – ein Fernseher, ein Telefon, ein Computer, all diese Dinge. Das Leben hat aber über Tausende von Jahren komplett ohne diese Geräte funktioniert und die Leute haben es auch da geschafft, ganz ohne diese Dinge glücklich zu sein. Die Leute waren durch die ganze Geschichte hindurch glücklich oder unglücklich. Das Leben mit all diesen Dingen und abstrakten Ideen, um was es im Leben geht zu verkomplizieren, ist eigentlich vollkommen verrückt. Ich versuche, davon weg zu kommen und herauszufinden, wer ich wirklich bin und was ich brauche, um in dieser Welt überleben zu können.

Aber mal ehrlich: wenn du von diesen Touren zurück kehrst – wie lange braucht es, bis du den Fernseher einschaltest, um die Nachrichten zu schauen, oder eine Zeitung kaufst, um zu wissen, was die ganze Zeit in der Welt passiert ist?

Nun, seit ich zurück bin, habe ich nichts davon getan (lacht). Aber es ist wirklich nicht so, dass ich gegen all diese Dinge wäre. Ich versuche einfach, mein Leben so einfach wie möglich zu halten und mich nicht von den Dingen verrückt machen zu lassen, die das Leben so kompliziert machen. Darum geht es mir. Wir sind Menschen, wir sind soziale Wesen, wir brauchen andere Menschen und wir brauchen auf eine gewisse Art auch Unterhaltung und Information. Unterhaltung kann aber auch sehr einfach gehalten sein, wenn man zum Beispiel zusammen kommt und Lieder singt, Karten spielt oder Bilder malt. Jeder hat da sein eigenes Ding und das ist auch okay – ich hab wirklich nichts gegen Fernsehen, Telefone, usw., so lange sie einem guten Zweck dienen. Ich will einfach kein Sklave von all diesen Dingen werden.

Das klingt prima, ich bin der totale Sklave und kann so was nur bewundern…so oft ich mich auch frage, warum ich mir den Stress überhaupt gebe.

Ja eben, man schaut sich das an und fragt sich mann, muss ich diese Rechnung jetzt wirklich für etwas zahlen, was mein Leben so verrückt macht? Wie zum Beispiel das Handy: jeder kann mit dir in Verbindung treten, egal wo auch immer du bist. Davor bist du ausgegangen und wenn dich jemand erreichen wollte, dann musstest du eben daheim sein – jetzt kriegt dich jeder überall und dafür musst du eine Menge Geld bezahlen. Du musst dafür zahlen, um ein Sklave zu werden (lacht).

Wie ist es dann, wenn du unterwegs bist – was siehst du als die furchtbarste Erfindung der Menschheit an und was vermisst du da draußen am meisten?

Nun…(überlegt lange)….die schlimmste Erfindung ist auf eine gewisse Art bestimmt das Auto. Durch das Auto benutzen die Menschen ihre Beine nicht mehr. Du hast Beine, um von einem Ort zum anderen zu kommen. Und wenn du deine Beine nicht benutzt, wirst du fett und krank. Das Auto ist eine klasse Sache für lange Distanzen, aber ich lebe in L.A. und sehe Leute, die für einen Block das Auto benutzen, um kurz was in einem Laden zu besorgen, was vielleicht fünf Minuten zu Fuß zu bewältigen wäre….

…und vermutlich suchen sie zehn Minuten nach einem Parkplatz…

(lacht) Ja genau! Das Auto ist aber auch sicher eine schreckliche Erfindung, weil es mehr Menschen tötet als alles andere. Für mich macht es die Leute faul und es ist eine gefährliche Maschine. Und dann noch das Beste….(überlegt)…ich vermisse am meisten die Süßigkeiten. (lacht) Aber die beste Erfindung ist, glaube ich, wirklich gekochtes Essen.

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Das Coverartwork zum aktuellen Album Beware

Okay, zurück zum Album. Wie ich schon bereits sagte, ist einer meiner beiden Lieblingssongs auch You are my Life. Der Song ist auf seine Art außergewöhnlich und auch sehr emotional, besonders wenn man die Performance von Nadir betrachtet. Ich denke, genau das hast du damit gemeint, als du sagtest, dass sich Nadir sehr stark in das Ganze rein denkt, er scheint diesen Song wirklich zu durchleben. Welche persönliche Bedeutung hat dieser Song?

Ich denke, Nadir wollte einfach darstellen, was ihm seine Familie bedeutet. Es gibt so viele Leute, denen du egal bist, viele sagen dir die Dinge, die du hören möchtest, sind aber nicht da, wenn du sie brauchst. In dem Song geht es darum, darüber nachzudenken, wer die wirklich wichtigen Leute sind und ihnen zu sagen ich weiß, dass ihr für mich da seid und ich werde für euch da sein, wenn ihr mich braucht – und das ist eben die Familie.

Mal von dem ein oder anderen typischen STEEL PROPHET-Thema abgesehen scheinen für mich zwei Dinge auf dem Album eine besondere Bedeutung zu haben: das eine ist die politische Situation, in der wir heute Leben, und das andere sind persönliche Erfahrungen einer bestimmten Lebensphase.

Ich denke da hast du Recht, aber alle Texte sind für Interpretationen offen. Die meisten Lyrics kommen aus Nadirs persönlicher Sicht, es geht um die Dinge, die ihm etwas bedeuten. Aber wie du richtig festgestellt hast, ist er sehr daran interessiert, was in unserer Welt passiert. Und von daher hast du da den Nagel ziemlich auf den Kopf getroffen.

Lass uns zum Schluss auch mal noch über etwas ganz anderes reden: STEEL PROPHET und Keyboards. Ich glaube, es gibt derzeit kaum eine andere traditionelle Metal-Band, die Keyboards derart eigenwillig einsetzt, wie ihr es tut…

Das ist witzig, zumal eigentlich von uns keiner Keyboard spielen kann… (lacht)

Vielleicht ist das ja der Grund dafür…

Das könnte sein. Weißt du, ich mag Keyboards. Ich mag zum Beispiel die Melotrons und all diese Dinge, die wir auf Unseen benutzt haben. Keyboards, die eher wie die frühen Synthesizer aus den 70er klingen. Und ich mag Streicher – ich liebe diese Stringsections, egal in welcher Musik. Wenn man schnellen, schweren Metal spielt, dann klingt es oft so, als würde man für alles dieselben Farben verwenden. Wenn wir die Keyboards verwenden, dann ist es für mich, als nähme man die vorhandenen Farben und würde noch einige Töne hinzufügen, um das Bild schöner werden zu lassen. Deshalb benutzen wir Keyboards. Nadir hat auf diesem Album eigentlich alle Keyboards eingespielt – normalerweise habe ich mindestens die Hälfte der Keyboards eingespielt. Wenn du sie also magst, dann ist das sein Verdienst.

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Steel Prophet: Wir mussten niemandem beweisen, dass wir es auch ohne Rick können

Was ich daran mag ist, dass ihr mit den Keyboards nicht einfach alles zukleistert, wie man es bei vielen europäischen Bands kennt, es geht mehr darum, Akzente zu setzen. Als du vorhin über europäischen Metal geredet hast, hast du auf mich auch etwas den Eindruck gemacht, als wärst du von den Bands hier ziemlich gelangweilt.

Nun ja. Es ist schwer darüber zu reden, denn ich will mich nicht so anhören, als würde ich andere Bands runter machen. Es soll nicht so sein, dass ich sage, alle Ami-Bands sind gut und die ganzen europäischen sind schlecht. Es soll kein USA gegen Europa sein oder so etwas – das hatten wir zu Teilen im Ersten und Zweiten Weltkrieg (lacht). Es gibt bestimmt europäische Bands, die ich sehr mag. EDGUY ist eine prima Band, wenn es um diesen europäischen Sound geht, und das machen sie auf ihre Art auch perfekt. Bei vielen ist es aber so, dass man das Gefühl hat, dass sie zu den großen Acts wie STRATOVARIUS oder HELLOWEEN aufschauen und genau so sein wollen. Und dann wird es langweilig. Wir wollen offensichtlich keine Band sein, die trendy klingt oder eine andere kopiert. In der Vergangenheit wurden wir oft mit IRON MAIDEN oder FATES WARNING verglichen, aber da weiß ich gar nicht, was ich dazu sagen soll…

Mit dem neuen Album scheint ihr euch auf jeden Fall ein ganzes Stück von diesen Vergleichen gelöst zu haben…

Ja schon, es war aber keine bewusste Entscheidung. Ich denke, es ist auf eine gewisse Art auch ein Produkt dessen, dass Rick die Band verlassen hat. Er klang schon stark nach Bruce Dickinson und egal, was wir schrieben, wir wurden immer mit IRON MAIDEN verglichen – egal ob der Song mehr nach JUDAS PRIEST oder DANZIG klingt. Nadir klingt wie keiner dieser großen. Ich habe das ein oder andere Mal gelesen, dass er mit Harry Conklin von JAG PANZER verglichen wurde, aber das ist mir erst aufgefallen, als ich das von jemand anderem hörte – es gibt da eine kleine Ähnlichkeit, aber keiner kann sagen, dass er wie ein Klon klingt, zumal er zuvor noch nie JAG PANZER gehört hat.

Was waren die letzten drei Alben, die du dir selbst gekauft hast oder die dich am meisten beeindruckt haben?

Oh Mann, das ist immer so schwer für mich, zumal ich sehr viele Alben umsonst bekomme. Ich habe, glaube ich, echt schon ewig nichts mehr selbst gekauft. Was ich in letzter Zeit viel gehört habe ist IN FLAMES Reroute to remain, das letzte KILLSWITCH ENGAGE-Album und auch wenn ich das Album noch nicht habe, haben mich GOD FORBID vor kurzem sehr beeindruckt. Die haben sehr gute Double-Guitar-Leads, die an THIN LIZZY usw. erinnern. Am meisten hör ich mir aber tatsächlich eher Sachen wie LED ZEPPELIN, BLACK SABBATH, IRON MAIDEN, JUDAS PRIEST, QUEEN oder DIO…..

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