ILL NINO, SPINESHANK, CHIMAIRA – Roadrage Tour 12.10.03 – Köln

Dicke Hosen in Kölle…

Die diesjährige ROADAGE-Tour aus dem Hause Roadrunner Records, die ja bereits im letzten Jahr für kleines Geld interessante Newcomer aus dem eigenen Stall präsentierte, kam diesmal in etwas größerem Rahmen, mit nicht mehr so ganz „newen“ Bands und auch für nicht mehr ganz so kleines Geld nach Köln. Dadurch wurde die ja eigentlich gute Idee dieser Tour leider etwas verwässert, aber es reichte trotzdem für eine komplett ausverkaufte LMH. Horden von jungen, gepiercten, die Hosen unter dem Arsch tragenden Teenies pilgerten, zusammen mit uns nicht mehr ganz so jungen, aber auch sehr, ähem, coolen Alt-Metallern nach Köln-Ehrenfeld und harrten der Dinge, die da kommen sollten.

Als erste kamen CHIMAIRA und heizten mal eben so kräftig ein. Sehr tight, mit annehmbarem Sound und wirklich guten Songs, vornehmlich vom neuen Album “The Impossibility Of Reason“, zogen sie sowohl das junge, als auch das alte Publikum auf ihre Seite und sorgten für viel Bewegung und erste austretende Körperflüssigkeiten. Der selbsternannte „Metal-Moses“ und Sänger Mark Hunter teilte das Rote Meer der Banger wie sein biblisches Vorbild in zwei Hälften, vom Bühnenrand bis zum Mischpult, um es dann mit dem nächsten Song in einen großen Whirlpool zu verwandeln. Die Band hatte das Publikum absolut im Griff und erntete entsprechend positive Reaktionen. Ein sehr guter Auftritt einer vielversprechenden Band.

Setlist Chimaira:

Power Trip

Cleansation, Severed, Eyes Of A Criminal, Down Again, Dehumanizing Process, Pure Hatred



Co-Headliner SPINESHANK hatte danach einen sehr schweren Stand und versagte völlig. Die Jungs sind mittlerweile erfahren genug, um solche Situationen zu meistern, schafften es aber nicht, das Niveau zu halten. Die etwas hochnäsige Performance gepaart mit matschigem Sound – man kann halt einen zweiten Gitarristen nicht durch einen effekt-überladenen Gitarrensound ersetzen – war wenig packend und verleitete eher dazu, sich andere Beschäftigungen zu suchen als Rumhüpfen und Headbangen. Dementsprechend reserviert war dann auch die Reaktionen in der LMH. Der Großteil der Songs verkam durch den schlechten Sound zu einem langweiligen Brei.

Setlist Spineshank: Violent Mood Swings, Asthmathic, Synthetic, Slavery, Cyanide 2600, Beginning Of The End, (Can´t Be) Fixed, Seamless, Transparent, Stillborn, Smothered, Dead To Me, New Disease, The Height Of Calousness

ILL NINO

Der Headliner wusste dann allerdings erwartungsgemäß zu überzeugen. Als Cristián Machado seinen mit einem Pentagramm verzierten Mikroständer ergriff, um das erste „Fuck“ des Abends, dem noch sehr viele folgen sollten, zu brüllen, stand die Halle schon kollektiv Kopf. Die US-Latinos boten musikalische Perfektion, zunächst eingemummelt in dicke Winterklamotten, bis sie dann die neueste Sportswear-Sommer-Kollektion von wahlweise Puma oder Adidas präsentierten. Den Songs tat die Modenschau jedoch keinen Abbruch, sie waren grandios und perfekt vorgetragen. Die Bühnenshow war extrem schweißtreibend und eindrucksvoll, was jedoch auch Irritationen im Fotograben zur Folge hatte. Überragt von tropfenden Bandmitgliedern, überlegte Claudia, ob wohl das Hallendach undicht sei, bis der Blick nach oben leider die eklige Erklärung brachte. Es war kein Wasser auf der Kamera, sondern Schweiß, der von schwingenden Dreads in den Pit vor der Bühne verteilt wurde. Diese hautnahen Impressionen machten die Bitten einiger weiblicher Fans in der ersten Reihe („…Wir woll’n euch nackisch sehen…) noch unverständlicher. Außerdem sah man auch das die Jungs nicht nur dick angezogen waren…

Leider trugen die mit „Fuck“-übersäten und nicht enden wollenden Ansagen des Fronters nicht gerade zum Vergnügen bei, denn wer will schon wissen, was die sonst so für Vorlieben haben und auf Tournee treiben („We are ILL NIÑO and we smoke weed and eat pussies…“).

Ein Mann-ein Wort; eine Frau-ein Wörterbuch; Cristián Machado-eine Enzyklopädie…

Auch so „tolle“ politische Aussagen wie : „…Fuck politics, Fuck XYZ, Fuck alles und jeden… We are the Future, in 15 years this world will be ours!“ nehmen einem nicht gerade die Zukunftsängste. Die Zukunft, von der Senor Machado sprach, stand prompt, in Form von zwei ca 12-jährigen Kids in ILL NIÑO-Shirts, neben uns, die für ihr Wasser noch brav Strohhalme forderten. Allerdings machten sie nicht den Eindruck, über Weed und Pussies schon Bescheid zu wissen. Aber das ist ja auch irgendwie gut so. Daher kann man über den didaktischen Effekt solcher Ansagen durchaus geteilter Meinung sein.

An Musik und Setlist gab es nichts zu meckern, Ex-MACHINE HEAD-Klampfer Ahrue Luster fügte sich optisch, wie musikalisch perfekt ein, wenn man auch den hüpfenden Rucksack von Ex-Gitarrist Marc Rizzo etwas vermisste. ILL NIÑO haben das Zeug zu weitaus Größerem, das kreative Potential und die nötige Ausstrahlung und Performance sind vorhanden. ¡Los Niños van a tener mucho éxito!

Setlist Ill Niño: If You Still Hate Me, I Am Loco, Te Amo…I Hate You, What Comes Around, God Save Us, How Can I Live, Rumba, Unframed, Unreal, Lifeless…Life, Pre-Disposed, Cleansing, Liar

Fazit: Junge deutsche Kids können weder anständig moshen, weil sie dann wohl die modischen Hosen verlieren würden, noch wissen sie, was ein richtiger Pit ist; nach einem Konzert mit einem richtigen Pit müssen mindestens 50 Kids in ärztliche Behandlung, um die Schuhabdrücke professionell aus ihren Gesichtern entfernen zu lassen, und außerdem waren die Kids nicht so verschwitzt wie gewisse Musiker… man sollte dafür sorgen, dass der Schulsport mal Zirkelmoshen, Stagediven und Pitbildung ins Programm aufnimmt, damit sie es dann in 15 Jahren, wenn ihnen die Welt gehört, wenigstens anständig können…

Den Altersdurchschnitt an diesem Abend hoben: Frank Kuhnle & Claudia Feldmann

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