MOTÖRHEAD live am 3. November 2003 im Löwensaal in Nürnberg

Ganz Nürnberg ist heiß auf das seit Wochen ausverkaufte Gastspiel von Lemmy & Co. in Nürnberg. War´s denn auch gut? Der gnadiator war vor Ort …

In Zeiten, in denen jedes imperialistische Brausegetränk von der Werbung postwendend zum Kult erklärt wird, muss man mit der Begriffswahl vorsichtig sein. MOTÖRHEAD sind Kult. Weil sie sich in einem Vierteljahrhundert szeneübergreifend einen Namen gemacht haben. Weil selbst Filmstars, Popsternchen und Prêt-à-porter-Models mit ihren T-Shirts auflaufen, die Truppe selbst es jedoch nie in die großen Arenen dieser Welt geschafft hat. Und weil es nicht mehr viele gibt wie Lemmy.

Lemmy, eigentlich Ian Kilmister. 57 Jahre alt, Pfarrersohn, Rock’n’Roll-Anarchist, Militariasammler, Teilzeit-Schauspieler und Vollzeit-Alkoholiker. Gefärbte Haare, schwarze Stretch-Jeans, weiße Cowboystiefel, Patronengurt und schon 1977, als die erste LP seiner Krawallcombo erschien, ein alter Mann. Auf der klangen die Engländer unwesentlich anders als auf der aktuellen Abrissbirne „Hammered“ (von der es an diesem Abend übrigens kein einziges Lied zu hören gibt; dafür gibt es seit Jahrhunderten nicht mehr live gespielten Stoff wie Shoot You In The Back, Love Me Like A Reptile oder gar die Bomber Single-B-Seite Over The Top) – da sag’ noch mal wer, es gäbe keine Konsequenz mehr auf diesem Planeten! Neulich in Los Angeles, als infernale Trio mal wieder den Vorkasper für IRON MAIDEN mimen musste, bellte Lemmy ins Mikro: „Als wir hier 1981 für Ozzy Osbourne eröffneten, haben Euere Eltern viel mehr Lärm gemacht als ihr!“ So schaut’s dann halt leider mal aus.

In Deutschland indes hatte man all die Jahre auch dann ein Herz für Lemmy, wenn der Rest der Welt gerade mal wieder nichts von kernigem Rock’n’Roll wissen wollte. Auch der Löwensaal ist seit Wochen restlos ausverkauft für die Rückkehr der einstmals „lautesten, hässlichsten und schlechtesten Band der Welt“. Fest steht: Rockmonster wie MOTÖRHEAD werden aussterben, und was dann nachkommt, bleibt abzuwarten. Noch aber schnaufen sie, und das Kennwort lautet: „Authentisch“.

Der Mann, der den SEX PISTOLS das Bassspielen beibrachte, Jimi Hendrix Drogen verkaufte und den Teufel beim Poker über den Tisch zog, reißt seinen geliebten Rickenbacker-Bass hoch und stimmt den Stahlblues an. Jagt den Rock’n’Roll durch den Schredder, befreit den Metal von allem Pomp, presst für die verstorbenen Ramones eine kurze räudige Punknummer ins feiernde Auditorium und macht klar, wer der Chef ist. Das hier ist kein Konzert, das ist ein Ritual. Zelebrierter Anachronismus, von Altersweisheit keine Spur. Wir werden noch unseren Enkelkindern von dieser Band erzählen.

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