MICHAEL BAY´S TEXAS CHAINSAW MASSACRE [Filmkritik]

Ein detailverliebtes und interessantes Remake, das man durchaus als Pflichtveranstaltung für Horrorfans bezeichnen kann.

Man stelle sich vor, MACHINE HEAD würden auf die Idee kommen ein Re-Make von SLAYER´s Reign in Blood einzuspielen. Eine eigene Interpretation des ursprünglichen Werks quasi, mit der Aufnahmetechnik der heutigen Zeit, den Ideen des Originals, die man zum Teil neu interpretiert und mit der ein oder anderen neuen angereichert hat.

Was in der Welt der Rockmusik eigentlich fast undenkbar wäre, ist im Filmgenre schon Gang und Gebe. Und nachdem gerade im Horrorgenre immer wieder festgestellt werden muss, dass die alten Helden doch immer noch die Besten sind, ist es nicht verwunderlich, dass diese nun auch heute wieder aus der Mottenkiste herausgeholt werden. Jason Vorhees kämpft da plötzlich gegen Freddy Krueger, Michael Mayers ist spätestens seit H20 wieder rehabilitiert und nach einigen eher belanglosen Sequels ist nun also auch Meister Lederfratze wieder am Zug.

Produzent Michael Bay und Musik- und Werbeclip-Regisseur Marcus Nispel haben sich an die schwere Aufgabe eines Kult-Klassiker-Remakes gewagt – keine Fortsetzung des ursprünglichen Werks also, sondern eine Neuinterpretation des bekannten Stoffs.

So beginnt also auch Michael Bay´s Texas Chainsaw Massacre erstmal mit den Fakten – einer rückblickenden dokumentativen Einführung in das kommende Grauen. Schon hier wird klar dass man sich nicht streng ans Original gehalten, sondern tatsächlich neu auslegt hat. Schön aber dennoch, dass die Verfilmung von 1974 immer wieder durchblitzt und man dabei mit einer charmanten Detailverliebtheit vorgegangen ist – das Windrad, die Stahltür, das Huhn im Hewett-Haus – um nur ein paar zu nennen. Auch hat man nicht versucht die Story ins neue Jahrtausend hinüber zu transportieren, stattdessen findet sie nach wie vor im Jahr 1973 statt, dementsprechend hat man dem Outfit der Protagonisten auch diesen 70er-Jahre-Touch verpasst, selbstredend mit einem allgegenwärtigen Bewusstsein für die Jugendmode des aktuellen Jahrzehnts. Charme hat das ganze auf jeden Fall, es zeigt dass die Macher tiefen Respekt vor dem Original aufbrachten und spätestens wenn die Rauchfahne der Kettensäge durch die filmlichtdurchbrochene Nacht weht ist die heile Kettensägenmassakerwelt in Ordnung.

Die Ausgangssituation ist bekannt: fünf junge Leute (zwei Mädels, drei Jungs) sind mit ihrem VW-Bus in der Einöde von Texas unterwegs, diesmal allerdings nicht auf den Spuren der Familienwurzeln sondern ein LYNYRD SKYNYRD-Konzert ist Ziel der Reise, die man zuvor aber noch mit einem kleinen Marihuana-Bersorgungs-Abstecher in Mexiko verbunden hat. Die erste Hitchhiker-Szene offenbart weitere Abweichungen von der ursprünglichen Storyline, die genau wie 1974 recht dürftig ist, was aber auch beim Remake keinen Menschen stören dürfte. Nach ein paar Schockszenen passiert in der ersten halben Stunde noch nicht zuviel, um dann aber recht schnell auf den Punkt zu kommen und den Ereignissen ihren Lauf lässt. So wird man zunächst also schön in die inzuchterkrankte Redneck-Atmosphäre der Gegend eingeführt, die von ihren schrägen Charakteren und der weiten Einöde geprägt ist. Und genau hier wird klar, dass Michael Bays Verfilmung auf der einen Seite realistischer, auf der anderen aber auch mehr Hollywood geworden ist als die Low-Budget-Version aus den 70ern. Dabei hat man stellenweise die Grotesqueität der Hewett-Familie durch die spätestens seit Schweigen der Lämmer, Sieben, MARILYN MANSON oder NINE INCH NAILS etablierte Massenmörder-Ästhetik ersetzt und dennoch wirkt die Redneck-Skurilität auf den Zuschauer irgendwie schräg beunruhigend. Genauso sind aber auch zum Beispiel die Gewaltszenen ziemlich heftig ausgefallen und doch weniger schockierend als noch beim Original.

Ansonsten ist klar, dass es heutzutage wirklich schwer ist, Standards zu setzen, vor allem dann, wenn man versucht sich nicht zu weit von einem Original zu entfernen. Dass so was im Horrorgenre auch heute noch möglich ist, hat sicher Blair Witch Project gezeigt, doch ansonsten lässt sich Hollywood einfach nicht mehr verbergen. Und wenn wir gerade bei Blair Witch sind: den Film hat man nicht nur bei der Namensvergabe der Schlachterei geschickt untergebracht, schon zu Beginn von Texas Chainsaw Massacre hat man auf einen ähnlichen Realismus gesetzt indem man dem Publikum das Vorhandensein von Original-Filmmaterial der Tatortbegehung vorgaukelt. Es passt irgendwie gut.

Große Wendungen und Überraschungen muss man ansonsten nicht erwarten. Es ist dem Team Bay/Nispel wirklich gut gelungen die für unsere Zeit im Original fast harmlos wirkenden Schockmomente gut in den heutigen Kontext zu übertragen, OHNE auf spektakuläre Splattereffekte zu setzen. Von denen gibt es zwar auch den ein oder anderen, dennoch ist es die Situation an sich in der sich die jungen Leute befinden, die einen packt, das ein oder andere Mal erschrecken lässt und vor allem sehr gut unterhält.

Mit Remakes ist es ja immer so eine Sache – die beinharten Fans der alten Tage wird man nie befriedigen können und den Charme eines alten Low-Budget-Kult-Movies ist über die Jahre schlichtweg nicht rekonstruierbar. Dennoch dürfte das Horror-Publikum der nächsten Generation, das hier die erste Begegnung mit dem Blutgericht in Texas (so der deutsche Originaltitel) hat, voll auf seine Kosten kommen. Denn objektiv schlechter als das Original ist dieses Remake sicher nicht. Die Kultfigur Leatherface könnte jedenfalls wieder eine große Popularität gewinnen – ob das den Erstlingssfanatikern lieb ist oder nicht.

Für alle Horror-Freunde ganz klar ne Pflichtveranstaltung und jeder, der die Sinnlosigkeit des Gemetzels bei einem derartigen Machwerk kritisiert bekommt hier auch seine Message: Kinder, nehmt bloß keine Drogen, ihr könntet es wirklich bitterlich bereuen!!

Produziert von: Michael Bay und Mike Fleiss

Regie: Marcus Nispel

Darsteller:

Jessica Biel, Jonathan Tucker, Erica Leerhsen, Mike Vogel, Eric Balfour, R. Lee Ermey u.v.a.

Kinostart: 01.01.2004

FSK: ab 18 Jahre

Im Verleih der Constantin Film GmbH

Trailer: www.tcm.film.de

Veröffentlichungstermin: 01.01.04

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