AYAT: Frauenhass ist eine Form von Rassismus

AYAT-Fronter Reverend Filthy Fuck gibt einen ausführlichen Einblick in das Leben der libanesischen Black Metal Band – inklusive Ausführungen zu Frauen, weißen Schlangen und dem Nahost-Konflikt.

 

Wohl bekannt sind sie, die Sammler exotischer Bands. Da wird die Songqualität plötzlich egal, weil der Übungsschuppen in Timbuktu steht oder 100 Euro für eine EP komplett verständlich, weil die Aufnahmen im Regenwald in Papua Neuguinea stattfanden und das Zirpen einer fünffarbigen Flitzgrille darauf zu hören ist. Auch AYAT könnten sich mühelos hinter ihrem Exotenbonus verstecken und mindere Musikqualität abliefern. Tun sie aber nicht. Lieber überzeugen die Libanesen mit ihrem herrlich dreckigen Album Six Years Of Dormant Hatred und lassen die schwarzmetallischen Mus(i)keln spielen. Zeit, virtuell nach Beirut zu reisen und mit Vocalist Reverend Filthy Fuck Kontakt aufzunehmen.

Soweit ich weiß, bedeutet euer Bandname Zeichen und wird oft im Zusammenhang mit den Suren des Korans benutzt. Allerdings scheint AYAT religionskritisch zu sein. Was hat euch dazu motiviert, diesen Bandnamen zu wählen? Oder verbindet ihr Zeichen mit etwas anderem?

Das ursprüngliche Konzept war so, dass wir jeden Song so schaffen wollten, dass er es wert wäre, Aya genannt zu werden. Aya bedeutet auch eher Wunder als Zeichen. Natürlich wurde die religiöse Assoziation des Bandnamens willentlich in Kauf genommen. Dies deswegen, weil religiöse Geschichten davon handeln, wie etwas über die Proportionen hinaus vergrößert wird – man denke etwa an unglaubliche Trauer, absolutes Vergnügen, der Tod von Millionen, die Rettung der Menschheit. Es ist sozusagen ein Geschäft mit dem Absoluten. AYATs Songs gehen mit Dingen ebenso um. Ich möchte gerne glauben, dass wir Alben kreieren, die mit demselben intensiven religions-artigen Feuer ausgestattet sind. Es ist eine große Verantwortung, aber ich denke, wir sind dafür gemacht.

Religion ist auf jeden Fall auch ein wichtiges Thema in euren Texten und ihr habt mal gesagt, ihr seid kritisch gegenüber dem religiösen Establishment. Was hat diese kritische Überzeugung ausgelöst? Schließlich kommt ihr aus einem Land, das zumindest hier in Europa als eher religiös angesehen wird…

Ich bin aus sehr praktischen Gründen gegen Religion. Ich klage die Religion nicht an, falsch zu sein. Das wäre sinnlos. Religion hat nichts zu tun mit der Realität. Wir müssen wissen, wie wir Mythos (der Glaube) und Logos (das Wissen) unterscheiden. Ich glaube nicht, dass die Ahnen ihren Mythos wörtlich geglaubt haben und es war nie ein Problem für sie, wenn ein neues Logos sich offenbart hat. Sie haben ihr Wissen einfach angepasst. Anders als ihre Nachfahren – die Kreationisten präsentieren sich als ein solches trauriges Beispiel von Verleugnung.

Ich denke, es ist eine neuere Entwicklung, dass wir so engstirnig geworden sind. Alle Religionen wurden von anderen Religionen inspiriert und beeinflusst, und sie waren sehr offen diesbezüglich. Das Anpassen einer alten Arbeit war der Beweis für Authentizität, man glaubte, dass ältere Arbeiten zuverlässiger seien. Erst mit dem Aufkommen des Monotheismus kam diese neue Einstellung, dass man nur von sich selber inspiriert sei und von niemandem sonst, dass man die Worte Gottes in Händen halte. Die Adam und Eva-Story, zum Beispiel, ist 2000 Jahre älter als die jüdische Version, genau wie Noahs Flut und die meisten der alttestamentarischen Geschichten. Alle wurden von babylonischen und sumerischen Legenden genommen. Trotzdem sind religiöse Leute davon überzeugt, es handle sich dabei um das Wort Gottes. Wenn es wirklich die Worte Gottes wären, dann wäre Gott ein Freund davon, sich zu wiederholen. Ich glaube nicht, dass die Ahnen so fanatisch waren wie wir heute. Griechische Götter hatten Humor. Aber der Genesis-Gott ist ein massenmörderisches Arschloch, der nur vor einem Genozid lacht. Religiöse Leute werden immer mörderischer und gefährlicher, weil ihr Gott keinen Humor hat.

Religion gehört nicht mehr zu unserer Welt. Sie ist unzeitgemäß und wir haben nicht die nötige Feinsinnigkeit dafür, zwischen Wissen (Logos) und Glauben (Mythos) zu unterscheiden.

Die Christen sind immer schockiert, wenn sie von den Fatwas der islamischen Scheichs hören – sie glauben, es sei ein Zivilisationsproblem, welches nur wir haben. Zum Glück hat sich Europa – nach Voltaire, Nietzsche, Sartre und den Swinging Sixties – für immer aus dem mittelalterlichen Zeitgeist rausgedacht. Papst Johannes Paul II war fast ein Heiliger und die christliche Welt hat sich demzufolge als heilig angesehen. Konsequenterweise haben sie gedacht, dass der Effort dieses Papstes, kein Arschloch zu sein, auf sie alle zutrifft. Das ist Bullshit. Jetzt, mit Benedikt XVI, ändert sich das Ganze wieder. Er ist die höchste religiöse Autorität in Europa und gibt Statements von sich, welche die Scheichs alle erröten und unter einander Was für ein verrückter Hurensohn! flüstern ließen…

Ich bin noch immer nicht über seine letzten Statements zum Thema Kondome in Afrika und den Inzestfall in Südamerika hinweg. Benedikt XVI hat Tausende zum Tode verurteilt. Und mit diesem Inzestfall hat er Tausende zu totalem erbärmlichen Leid verurteilt. Nicht sehr christlich. Benedikt XVI ist der perfekte Wake-Up-Call für alle Europäer, die gemeint haben, sie seien endlich zivilisiert. Das Problem ist nur, dass wir NIE zivilisiert sein können mit der Last der Religion auf unseren Schultern!

Das hat was. Ist der Libanon eigentlich sehr religiös? Und ist das der Grund, weswegen ihr nur verschwommen auf Fotos zu sehen seid – sozusagen weil es gefährlich ist, in einer libanesischen (religionskritischen) Metalband zu sein?

Der Libanon ist nicht wirklich religiös. Die Zugehörigkeitsgefühle sind eher stammes- und konfessionsgebunden. Religion wird als Entschuldigung benutzt, um einander zu massakrieren, das ist alles. Das verschwommene Bandfoto war nur eine ästhetische Wahl. Wenn Leute wissen wollen, wer wir sind, dann können sie das innert 15 Minuten mittels Recherche rausfinden. Wir haben kein verschwommenes Bild, um unsere Identitäten zu schützen.

Überhaupt ist das Banddasein kein Problem hier, die Libanesen sind ziemlich europäisch eingestellt. Wir haben Musikfestivals und Girls in Bikinis, die in der ersten Reihe am Kreischen sind. Dennoch denke ich, dass eine kontroverse Band wie AYAT einige Probleme kriegen könnte – also ist es momentan besser, diskret zu sein.

Hilft es bei der Diskretion, dass ihr auch in anderen Metalbands spielt, wie etwa WHOREDOM oder TENEBRA? Und gibt es andere libanesische Bands, die du empfehlen kannst?

Wir spielen nicht mehr bei diesen Bands. AYAT ist unser einziges musikalisches Projekt zurzeit. Empfehlen kann ich DAMARs Triumph thorugh the spears of sacrilege.

Und welches war dein erstes Metalalbum?

Ich glaube, es war IRON MAIDENs The Number of the Beast. Aber traditioneller Metal war mir immer etwas zu schwach. Ich wußte es nicht besser, aber ich war immer auf der Suche nach etwas Brutalerem. Obwohl – als ich jung war, gaben mir IRON MAIDEN genau das, was ich wollte. Ich fragte mich einfach, warum Leute diese Musik nicht noch einen Schritt weiter treiben. Für einen libanesischen Metalhead war Anfang der 90er METALLICA das härteste. Das Lustige bei mir war, dass ich mir extremen Metal sozusagen vorgestellt hatte, bevor ich ihn zum ersten Mal hörte. Damals dachte ich mir: Wenn niemand diesen Schritt weiter geht, dann werde ich es tun, wenn ich älter bin.

Da wir erst in den späten 90ern dem extremen Metal ausgesetzt wurden in Libanon, ist es eine interessante Geschichte, wie ich überhaupt dazu kam. Ich war es also gewohnt, Bands wie METALLICA, IRON MAIDEN, MOTÖRHEAD und Konsorten anzuhören – mit anderen Worten: Bands, deren Alben man im Laden kaufen konnte. Und mehr und mehr langweilte mich das schematische Songwriting. Eines Tages war ich in einem Restaurant und hörte mir auf meinem Walkman Metal an. Da sah ich am anderen Tisch einen Typ, der sich ebenfalls was auf seinem Walkman anhörte. Er wurde frustrierter und frustrierter. Dann nahm er das Tape aus seinem Walkman und schmiss es auf den Tisch. Danach suchte er in seiner Tasche nach einem anderen Tape, hörte es an, ärgerte sich, und warf es auf den Tisch. Er machte ein Gesicht, als hätte er eine Schale Scheiße gegessen und ging. Und ich musste einfach wissen, was ihn so angepisst hatte.

Ich ging also diskret rüber zu seinem Tisch und sah mir die beiden Tapes an. Das war ein schicksalhafter Moment in meinem Leben und ich bin froh, dass ich so neugierig rübergegangen bin. Es waren zwei Sony Tapes. Das eine hatte die Aufschrift Doom, das andere Black. Ich nahm die Tapes und hörte sie mir auf meinem Walkman an. Ich heulte beinahe vor Freude. Alle meine Vorstellungen, meine Ideen, waren plötzlich zu musikalischer Realität geworden: verzerrte Gitarren, wahnsinniges Drumming, abartiges Schreien. Es war eine ganz neue Welt, von deren Existenz ich nichts gewußt hatte – und jetzt war sie da für mich.

Diese beiden Tapes habe ich mir zehn Monate lang angehört – weil ich kein anderes, neueres Material kriegen konnte, um meine Sammlung von zwei Extrem Metal-Tapes zu vergrößern. Ich war felsenfest davon überzeugt, dass die beiden Bands BLACK und DOOM die großartigsten Bands auf dem Planeten waren. BLACK waren viel besser als DOOM, natürlich. Ich war der Auffassung, dass DOOM etwas langsam unterwegs waren und zu wenig Enthusiasmus zeigten. Trotzdem fühlten sich beide Bands viel organischer an als die schematischen Strophe-Refrain-Strophe Songs, die ich mir vorher angehört hatte. Erst später, als ich die echten Alben fand, wurde mir bewusst, dass die Tapes nach Genres beschriftet waren und nicht nach Bandnamen.

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Reverend Filthy Fuck liebt Frauen und ihre Körper – aber das nächste Cover konzentriert sich dennoch auf Schweine

Coole Story. Ich wüsste zu gern, welche Bands es am Ende waren… Manchmal sind ja provocative Album-Artworks für Bands ein Problem, man denke etwa an die früheren Zeiten von CANNIBAL CORPSE. Warum habt ihr ein Gemälde einer Nackten als Cover-Artwork?

Das Bild zeigt den Heiligen Antonius und alle Versuchungen, denen er widerstehen wollte. Es ist interessant, dass die gekreuzigte Frau ins Zentrum gerückt wurde – wohl weil die Sexualität am schwersten zu unterdrücken ist. Der weibliche Körper ist ein Wahn, den ich nicht aufgeben will. Ich liebe Frauen und ich liebe ihre Körper. Deswegen habe ich dieses Bild fürs Cover gewählt.

Allerdings wird das Artwork unseres nächsten Albums sich auf Schweine konzentrieren, statt auf sexuelle Themen.

Frauen haben in monotheistischen Establishments (egal ob Christentum oder Islam) traditionell weniger Macht als Männer. Was sind deine Gedanken zu Frauen im Black Metal (v.a. da ihr einen Song habt mit dem Titel Misogyny when we embrace)?

Frauen haben weniger Macht? Nonsens. Sie haben uns im Griff. Der Islam wird als eine der repressivsten Regimes gegen Frauen angesehen, aber wenn man sich sich die Geschichte des Islams anschaut, dann waren Frauen essentiell für den Aufstieg des Islams. Mohammed hatte eine Entourage von stählernen Frauen, die Armeen gegen die Männer aufbrachten, wenn sie es konnten. Ich glaube, Frauen waren immer einflussreich. Die meiste Zeit weigern wir uns, das einzusehen, aber Frauen haben etwas, das wir brauchen. Und da sie die einzigen sind, die uns das geben können, denke ich nicht, dass ihre Autorität in nächster Zeit schwinden wird.

Bezüglich unseres Songs Misogyny when we embrace: Ich glaube, Frauenhass ist etwas, was jeder Mann an einem Punkt seines Lebens gefühlt hat. Quasi das Materialisieren des Hasses auf eine spezifische Frau und das Transferieren dieses Hasses auf alle Frauen. Es ist eine Form von Rassismus, glaube ich. Frauenhass ist nicht etwas, das ich predige, aber es ist ein Gefühl, das ich schon mal hatte in meinem Leben und ich vertusche es nicht. Frauenhass, Rassismus und jede andere hässliche Emotion, die man sich vorstellen kann. Wir alle erkennen die Einfachheit von vorgefertigten Ideen. Sie vereinfachen das Leben so extrem. Und die Mühe, sich mehr Gedanken zu machen und andere zu akzeptieren – das ist eine Mühe, die sich sehr viele nicht machen wollen.

Aber gibt es denn libanesische Metal-Frauen (mal abgesehen von Aisha Suicide)?

Ja, es gibt libanesische Metal-Frauen. Aber Aisha Suicide ist keine von ihnen.

 AYATbandfoto2009vonmoribundcultrecords

Kommen wir zu etwas Anderem, das mysteriös anmutet. Auf eurem Necronarcotic Rehearsal-Demo habt ihr einen Song namens The Little White Snake. Da ihr ja nicht gerade sparsam mit sexuellen Assoziationen umgeht: Von welcher kleinen weißen Schlage singt ihr da?

Einfach über eine gigantische Linie Heroin. Warum? Was hast du dir dabei vorgestellt in deinen dreckigen perversen Gedankengängen? Du siehst Schwänze, wo keine sind. – Und nein, er ist nicht weiß und auch nicht klein.

Haha. Kommen wir wieder auf die Musik zurück, zumindest indirekt. Six Years Of Dormant Hatred erinnert mich sowohl an NATTEFROST als auch an IMPALED NAZARENE. Würdest du Followed by a Century Long Ejaculation lieber mit Hellcommander Nattefrost oder mit Mika Luttinen performen?

Keiner schüchtert mich ein. Und ich sehe niemanden als besser als jemand anderen an. Ich war schon immer ein frecher Quälgeist, der Autoritäten beleidigt hat, seit er sprechen kann. Und ich sehe mich nicht, wie ich spiele und sage Oh, wow, es ist Mika! Alle – Applaus für Mika!, um mehr Zuneigung vom Publikum zu bekommen, nur weil ich mich mit jemandem verbinde, der bereits die ganze Zuneigung des Publikums für sich monopolisiert hat und der bereit dazu ist, mit mir zu teilen. Nein, für das habe ich zuviel Stolz.

Wahrscheinlich reagiere ich da unreif. Aber ich will lieber ein Konzert geben vor meinen Jugendidolen und ihr ganzes Publikum für mich gewinnen, weil unsere Musik besser ist. Meine Bewunderung dieser Musiker stammte nie aus einem Gefühl von Loyalität. Wir sind keine loyalen Individuen. Ich wurde von ihren Werken bewegt, das ist wahr, aber es waren ihre Werke, die mich bewegt haben, nicht sie als Menschen. Wir wollen den König vom Thron stürzen, auf seiner Leiche stehen und die Krone für uns fordern (weil wenn er wirklich ein König wäre, dann wäre das die einzige Liebesmanifestation, die er akzeptieren würde).

Das Größte, was mir in der Zukunft passieren könnte bezüglich meiner Idole, wäre, wenn ich sie kennen und mit ihnen konkurrieren könnte. Aber jeder mit seiner Arbeit. Man braucht nicht mehr als einen Koch in der Küche.

Als Unterstützung bei diesem Unterfangen habt ihr ja das Label MORIBUND CULT im Rücken. Es ist etwas überraschend, so wie kommt es, dass ihr ein amerikanisches Label gewählt habt? Oder haben sie euch gefunden?

Wieso überraschend? Weil wir Araber sind und wir deswegen unsere Wochenenden damit verbringen sollten, amerikanische Flaggen zu verbrennen beim Familienpicknick? Das ist lächerlich.

Wir wählten MORIBUND CULT, weil sie ein Weltklasse-Label sind mit den richtigen Deals. Und sie lieben unsere Werke und wir lieben die Aufmerksamkeit, die wir so bekommen. Es ist eine Beziehung, die auf gegenseitigem Respekt beruht. Dass sie Amerikaner sind oder was auch immer beeinflusst die Qualität ihrer Arbeit nicht im geringsten.

Schön, dass das so gut klappt für euch. Ihr seid ja nur zu zweit bei AYAT, aber manchmal habt ihr Session Musiker mit an Bord. Spielt ihr eigentlich auch live oder gibts von euch nur Rehearsal-Demos und Alben? Wollt ihr überhaupt live spielen?

Fürs nächste Album werden wir vielleicht zum Trio. Mehr Informationen dazu gibts später. Und wir würden gerne live spielen, solange es außerhalb der arabischen Welt wäre. Aber wir müssen schon betonen, dass AYAT nie eine Live-Band waren. Wir haben uns immer auf unsere Aufnahmen konzentriert und nicht, wie wir unsere Musik vor einem Publikum umsetzen.

Ihr macht euch ja auch recht rar im Internet. Ihr habt kein Myspace-Profil und eure Website beschränkt sich aufs Allernötigste. Warum? Und was sind deine Gedanken zum Internet als Black Metal-Musiker?

Ich denke, das Internet ist wundervoll. Ich kann keinen Fehler daran finden. Es ist ein großartiges Medium und die Attacken dagegen sind nur eine Weiterführung der chauvinistischen Attitüde der älteren Generation. Die Erwachsenen haben die Jungen immer für ihre Unterhaltungsmedien verteufelt – in den 1950ern warens die Comics, in den 1960ern Rock, in den 1970ern das Fernsehen, in den 1980ern die Videogames und so weiter.

ABER: Ich weigere mich, das Internet zu benutzen, um mich selbst zu bewerben, weil ich prinzipiell gegen Werbung bin. Vor allem, wenn man eine Black Metal Band ist. Ich hasse das Myspace-Konzept. Ich will nicht mehr Freunde haben und ich bin nicht daran interessiert, mit meinen Fans irgendeinen Kontakt zu haben. Ich spiele hier nicht den harten Typen, ich benutze solches Zeugs selber privat (inclusive Facebook-Profil usw.). Ich bin also nicht immun, aber AYAT muss dem nicht ausgesetzt werden. Black Metal war immer ein obskures Genre gegen Publicity. Ich weiß nicht, wo ich war, als sich das geändert hat.

Das weiß vermutlich niemand so genau. Bleiben wir grad bei der Vergangenheit: Ihr hattet früher einige arabische Songtitel. Warum habt ihr nicht mehr arabische Texte auf Six Years Of Dormant Hatred?

Ein Text reicht, um die Leute daran zu erinnern, woher wir kommen. Aber die Texte sind sehr wichtig bei AYAT und wir wollen, dass die Leute verstehen, worüber wir sprechen. Es pisst mich an, wenn ich keine Ahnung habe, worüber Musiker singen – und ich will das unseren Hörern nicht antun. Ich will, dass sie die Worte auswendig können. Ich will, dass die Texte einen bleibenden Eindruck hinterlassen, man sich an sie erinnert, wenn man duscht oder man mit einer bestimmten Situation in seinem Alltagsleben konfrontiert wird. Ich will nicht, dass die AYAT-Hörer sich eine Kakophonie aus merkwürdigen Silben anhören, nur weil es frisch klingt.

 AYATbandfoto2009vonmoribundcultrecords
 Mit dem Krieg aufgewachsen – AYAT

Von Lyrics, die jeder versteht, kann allerdings auch eine Gefahr ausgehen – für euch, als kritische Band. Ohne jetzt die gesamte politische Bandbreite abdecken zu können: Inwiefern hat euch der Krieg mit Israel beeinflusst? Hat er euch dazu inspiriert, hasserfüllte Musik zu schreiben?

Der letzte Krieg mit den Israeli war einfach eine Belästigung, die unseren Album-Release verzögert hat. Wir wurden während der israelischen Invasion 1982 geboren, wir haben sie das ganze Leben lang erlebt, auf uns wurde geschossen, und dann? Egal welche Inspiration, wir hatten sie schon vorher bekommen. Mehr Kriege werden nur unsere Albumveröffentlichungen verzögern.

Trotzdem – der letzte Krieg mit den Israelis war am nächsten an einem Massaker. Ich fühle keinen Hass gegen die Israelis und kreiere deswegen keine hasserfüllte Musik. Eigentlich tun mir die Israelis leid. Europa war zu rassistisch, um sie zu akzeptieren, also haben sie sie mitten in eine feindselige Umgebung geschickt, inklusive Tonnen von Waffen, damit sie nicht zu schnell umgebracht würden. So wie es momentan aussieht, wäre es ein Wunder, wenn Israel nicht komplett in seiner Paranoia versänke und sich selbst zerstörte. Die Frage ist, ob sie die anderen mitnehmen nach Samson-Style.

Die gesamte Nahost-Krise ist prädestiniert, nie gelöst zu werden, weil sie zu kompliziert und unnatürlich ist. Wenn Europa fähig gewesen wäre, mit seinen jüdischen Mitbürgern zivilisiert umzugehen, statt sich wie mordende, faschistische Arschlöcher aufzuführen, dann wäre die ganze Nahost-Krise gar nicht existent. Die westlichen Medien erwecken den Anschein, als würden die westlichen Diplomaten engagiert versuchen, den Konflikt zwischen den Arabern und den Juden zu lösen, der schon seit Jahrtausenden andauere. Aber das ist historisch inkorrekt. Die orientalischen Juden und Araber kamen durch die Geschichte gut miteinander zurecht. Erst als in den 1940ern die massiven Deportationen von europäischen Juden nach Palästina begannen, gings mit der Beziehung steil bergab. Europa gab ihnen einfach Land, das nicht ihres war und noch dazu in einer Region, wo die anderen Leute sie nicht haben wollten. Und dann sind alle so schockiert, wie kompliziert die Situation ist, wenn sie probieren, sie zum Funktionieren zu bringen.

Und die Lösung werden wir wohl kaum mehr erleben… Wenn es einen Gott gäbe und du hättest einen Wunsch, welcher wäre es?

Ich gehe fest davon aus, dass es keinen gibt. Aber wenn ich sterbe und er sitzt vor mir, schaut mich ernst und tadelnd an, weil er auf einen Wunsch wartet – dann werde ich ihn sicher nicht anpissen. Ich würde wohl Frieden auf Erden wünschen, um einen guten Eindruck zu machen.

Ungewohnte Worte für einen Black Metaller. Und wie sieht die Zukunft von AYAT aus?

Fuck knows.

Bilder: Label
Layout: Arlette Huguenin Dumittan

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