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TIAMAT, MOONSPELL, FLOWING TEARS – Stuttgart, LKA, 6.3.2002

Ein gelungener Tourauftakt der drei Gothic Metal-Hochkaräter.

Den Anfang im schwarzen Reigen machten die Saarländer von FLOWING TEARS. Mittlerweile zum Quartett geschrumpft wußten sie die entstandenen Lücken im Sound mittels mitlaufendem DAT zu schließen und sorgten für einen gelungenen Auftakt. Sängerin Stefanie Duchêne wirkte noch ein wenig irritiert ob der vielen auf sie gerichteten Blicke, doch ihre natürliche Ausstrahlung unterstützte den sympathischen Eindruck, den die vier auf der Bühne erweckten. Statt auf große Gesten und Spielereien verließen sie sich – zurecht – lieber auf die Klasse ihrer Songs von Serpentine und Jade. Das soll jedoch nicht heißen, dass bewegungstechnisch Totentanz auf den Brettern angesagt war, vor allem Gitarrist Benjamin fegte wie ein Derwisch über die Bühne. Der erstaunlich starke, ausgeglichene Sound tat ein Übriges, dass für FLOWING TEARS alle Voraussetzungen für einen kleinen Triumphzug gegeben waren…alle bis auf eine: ein würdiges Publikum. Denn die meisten Stuttgarter im bereits gut gefüllten LKA schien es nicht weiter zu interessieren, wer sich da vorne alle erdenkliche Mühe gab, lieber profilierte man sich mit dummen Sprüchen bei den Kumpels. Mehr als schade, denn FLOWING TEARS haben den Durchbruch nach ihrer jahrelangen ausdauernden Ochsentour durch den Underground wahrlich verdient – ein Eindruck, der durch ihren blitzsauberen, zumindest mich und einen Banger vor mir mitreißenden Gig weiter untermauert wurde. Schade nur, dass keine der Songperlen von meinem persönlichen Favoriten Joyparade zum Einsatz kamen…

Als MOONSPELL-Frontmann und Frauenschwarm Fernando Ribeiro mit einer Laterne in der Hand gleich einem Friedhofswächter den Gig seiner Combo einläutete, bot sich ein Bild wie aus einem Tim Burton-Film: Das Keyboard war an einem toten Baum befestigt, überall rankten sich abgestorbene Dornenzweige empor und Bassist Sérgio Crestana schien einem GHOULTOWN-Horrortext entstiegen zu sein. Nach einem mit zwei neuen Songs eher verhaltenen Auftakt, während dem die Band sich erst wieder an die Bühne gewöhnen zu müssen schien, fegte sie spätestens mit dem folgenden Opium alle Zweifel hinweg, dass MOONSPELL langsam abgehalfterte Idole sind. Wenngleich ihre letzten Platten eher zwiespältig gewesen sein mögen, live sind die Portugiesen nach wie vor eine Macht, zumal sie Optik und Musik perfekt aufeinander abstimmen. Ob Fernandos Engelsflügel bei einem Song oder die schimmernden Totenlichterkulissen beim abschließenden mitreißenden Full Moon Madness, immer unterstützten die theatralischen Elemente die Songs, statt von ihnen abzulenken. Zudem legten sich Gitarrist Ricardo Amorim und der abwechselnd die beweglichen Keyboards und die Sechssaitige malträtierende Pedro Paixao gut ins Zeug, schienen ihr Songmaterial geradezu zu leben. Ab der Hälfte des Sets etwa gewannen MOONSPELL nochmal an Intensität, wirkten nun, als ob sie schon seit Monaten auf Tour wären und schafften es, neben dem eindringlichen, ruhigen Magdalene von Sin/Pecado auch neue Songs wie Firewalking und den Titeltrack von Darkness And Hope äußerst intensiv darzubieten. Leider war das Publikum nach wie vor größtenteils nicht aus seiner Starre erwacht, so dass die verhaltenen Resonanzen auf einen gelungenen, wiederum perfekt abgemischten Auftritt Fernando und Co. sichtlich zu enttäuschen schien. Dennoch ließen sie es sich nicht nehmen, in verschiedene Uniformen gekleidet das in Portugiesisch gehaltene Os Senhores Da Guerra zu intonieren. Bleibt zu hoffen, dass MOONSPELL auf den weiteren Gigs der Tour ein dankbareres Publikum vorfinden und diese Liveenergie auch endlich wieder ins Studio retten können!

Nach einer Umbaupause, die von der Mischerin passenderweise mit dem Soundtrack zu A Nightmare Before Christmas unterlegt wurde, war es soweit: TIAMAT traten an zur Ehrenrettung, nachdem ihr letzter Auftritt im LKA auf der Skeleton…-Tour zumindest mir als ziemlich desaströs im Gedächtnis geblieben war. Und die Jungs um Johan Edlund schienen aus vergangenen Fehlern gelernt zu haben, denn schon bei The Return Of The Son Of Nothing wirkte die Band um etliches homogener und eingespielter. Johan Edlund hat zudem nicht nur an seiner Stimme gefeilt – mittlerweile zählt er auch live zu den mit einer charismatischen Ausnahmestimme gesegneten Frontmännern – sondern wirkte trotz seiner zurückhaltenden Art auch von der Ausstrahlung her deutlich souveräner. Mit I Am In Love With Myself dokumentierten die Schweden gleich darauf, dass sie mittlerweile live von der introvertierten Seelenschau abgekommen und zu einer astreinen Rockband mutiert sind. Und so, wie sie das an diesem Abend darboten, war das auch gut so, wenngleich ich bis heute nicht die vernichtenden Kritiken zur in meinen Augen und Ohren mehr als beeindruckenden Deeper Kind…-Tour nachvollziehen kann. Nachdem eine reichlich dilettantische Keyboarderin auf der letzten Tour die Backings zu Brighter Than The Sun versäbelt hatte, holten sich TIAMAT dafür diesmal eine auf die Bühne, die sich damit auskennt. Stefanie von FLOWING TEARS wurde von Johan Edlund auf die Bühne gebeten und erledigte ihre Aufgabe sauber und ehrfürchtig. Schon bei diesem Track, aber auch später bei Vote For Love (wiederum mit Stefanies Unterstützung), Angel Holograms, Cold Seed und dem sonst eher unspektakulären As Long As You Are Mine wurde deutlich, dass TIAMAT live inzwischen einige Briketts mehr ins Feuer legen und somit einiges an rockender Heaviness hinzugewonnen haben. Mit der Brighter Than The Sun-B-Seite Children Of The Underworld zauberten sie zudem eine Überraschung aus dem Hut, nachdem mit The Ar und Whatever That Hurts die Wildhoney-Fans vorläufig zufriedengestellt worden waren. Der Schwerpunkt lag an diesem Abend erwartungsgemäß nicht auf dem ruhigen, atmosphärischen Material der Band, doch mit Phantasma De Luxe und Love Is As Good As Soma bewiesen Johan und seine Sidekicks, dass sie dennoch diese Seite ihres Sounds nach wie vor perfekt beherrschen…einfach zum Sterben schön! Leider verhinderte das nach wie vor unverständlich müde und lasche Publikum, dass TIAMAT sich in einen Rausch spielten, so dass nach einer knappen Stunde bereits Schicht im Schacht war. Immerhin konnte man sich durchringen, die Skandinavier für zwei verdiente Zugaben zurückzuholen, wobei besonders das abschließende Gaia nochmal zu verzaubern wußte. Somit ging ein leider zu kurzes Vergnügen zu Ende, was blieb, war zum einen die Gewißheit, dass TIAMAT wie auf Judas Christ auch live wieder erstarkt sind, zum anderen der Wunsch, dass Thomas Petterson sich endlich, endlich mal auf seinen Allerwertesten setzt und sich die genialen Soli der Wildhoney-Tracks ordentlich drauftut, man weiß mittlerweile nämlich nicht mehr, für wen sein Tonleitergestolpere eine größere Qual ist, für die aus ihrem Rausch gerissenen Zuhörer oder für den sich abmühenden Thomas.

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