PROGPOWER Festival 2001

Der Bericht zum ProgPower-Festival, am 05. + 06. Oktober 2001 in Baarlo mit SILENT EDGE, ZERO HOUR, POVERTY´S NO CRIME, PAIN OF SALVATION, SUPERIOR, ANDROMEDA, ANOMALY, WOLVERINE, INTO ETERNITY, VANDENPLAS und ANATHEMA.



Allgemeine Worte… | Freitag | Silent Edge | Zero Hour | Superior | Pain of Salvation | Samstag | Andromeda | Anomaly | Poverty´s no Crime | Wolverine | Into Eternity | Vanden Plas | Anathema

Allgemeine Worte…

Baarlo – eine idyllische Kleinstadt nahe der deutsch-niederländischen Grenze. Ein Ort, in dem vermutlich jeden Tag die Sonne scheint, ein Ort in dem die Menschen friedlich miteinander leben, ein Ort, der die Probleme der Welt nicht kennen zu scheint, ein Ort, aus dem vermutlich sämtliche Bilder für die Ikea-Kataloge herstammen (auch wenn er außerhalb von Schweden liegt) und in dem man noch in aller Ruhe Enten beim Kopulieren zuschauen kann…

Es war schon irgendwie seltsam, als wir am ersten Tag des ProgPower Festivals in Baarlo um die Mittagszeit eintrafen und eine Stadt vorfanden, in der es undenkbar erschien, dass hier eine ganze Horde von Metalfans einfallen könnte, um die Stadt zu belagern. Die Sonne schien, freundliche Menschen allüberall auf den Straßen, kleine blondgelockte Kinder, die in ein Bett von Kuscheltieren in Leiterwägen von ihren genauso blondgelockten Müttern durch die Ortschaft gezogen wurden, hier erschien einfach alles perfekt – das perfekte Idyll. Einfach unerträglich! Wie kann man ein Metal-Festival nur in einer solchen Ortschaft stattfinden lassen? Hier kam man sich ja schon schäbig vor, wenn man sich gemütlich mit einer Flasche Bier in der Hand auf die Parkbank setzte, um sich nur ein bisschen über Metal zu unterhalten. Genauso schwierig war es auch, einen geeigneten Schlafplatz außerhalb von Hotels zu finden. Denn wer – wie man es inzwischen ja so gewohnt ist – damit rechnete, dass man vor dem Festivalgebäude auf einen großen Parkplatz stößt, auf dem man inmitten von Gleichgesinnten die Nacht im Auto verbringt, der musste recht schnell feststellen, dass der Veranstaltungsort mitten in dieser friedlichen Stadt lag und die Parkplätze drumherum genauso. Wird man hier etwa nachts dann irgendwann durch die Polizei wachgeklopft, um sich eine Anzeige wegen Herumlungerns oder Landstreicherei einzukassieren? Oder steht gleich der ortseigene Lynchmob vor der Autotür (denn Polizei haben wir in diesen beiden Tagen nirgends gesehen)? Ja, irgendwann glaubte man es gar mit einer dieser zwielichtigen Ortschaften aus diversen Stephen King-Büchern zu tun zu haben, in denen tagsüber alles perfekt zu sein scheint und nachts merkwürdige Dinge geschehen…..

Aber nein, so schlimm war es gar nicht. Tatsächlich war Baarlo ein wirklich sehr angenehmer Ort in dem sich die zwei Festivaltage sehr gut verbringen ließen und man wirklich nur auf nette Menschen stieß. Und diese Atmosphäre übertrug sich auch ganz deutlich sowohl auf die 600-650 Festivalbesucher als auch auf die Musiker. Denn wo sonst kann man morgens schon beim Bäcker plötzlich neben ANATHEMA´s Vincent Cavanagh stehen, PAIN OF SALVATION beim gemütlichen Stadtbummel beobachten oder einem total besoffenen Erik Nosvold (ZERO HOUR) eine stabilisierende Stütze sein. Musiker und Fans bildeten hier eine feste Einheit und es gab überhaupt keine Berührungsschwierigkeiten, ähnlich wie es zum Beispiel bei den ersten Bang Your Head-Festivals der Fall war, eher sogar noch besser. Und das wussten sowohl Fans als auch Musiker sehr zu schätzen und vielleicht war es auch der friedlichen Atmosphäre von Baarlo zu verdanken, dass bei diesem Festival weder Security noch irgendwelche Absperrbarrieren in irgend einer Form von Nöten waren. Es war wie bereits schon gesagt fast zu perfekt.

Nicht ganz einfach war bei diesem Festival jedoch die Unterbringung. Denn wo man es sonst gewohnt ist, sein Zelt auf einem Campingplatz abzustellen und dort unter Artgenossen die Zeit im Siff zu verbringen, musste man sich hier zunächst erst mal selbst um eine Unterkunft kümmern. Und so wie ich es bereits angedeutet habe gab es direkt neben dem Venue tatsächlich keine Möglichkeit seine Zelte aufzuschlagen. Ein paar wenige, unter anderem auch wir, suchten sich ein gemütliches Plätzchen auf einem nahe gelegenen Parkplatz, der aber doch inmitten eines Wohngebietes neben dem Schlosspark lag, womit sich wieder das Problem auftat, dass man sich gar nicht so sicher war, ob man dort unbedingt so erwünscht war und die Stadt den Veranstaltern evtl. Probleme machen könnte, sollten sich dort zu viele der Festivalbesucher einfinden. Dem war aber nicht so und anscheinend hatte sich der Großteil der Besucher auch eher ein Bett in einem der umliegenden Hotels gesucht, die jedoch eine Autofahrt zum Festival unabdingbar machten. Bei der diesjährigen Anzahl an Besuchern sollte das Thema Unterbringung jedoch nicht wirklich zu einem Problem werden, sollten die Veranstalter jedoch beabsichtigen das Festival in den nächsten Jahren wachsen zu lassen, könnte es aber vielleicht irgendwann zu einem werden.

Ansonsten muss man den Machern des ProgPower Festivals jedoch eindeutig zugestehen, dass sie eine wirklich hervorragende und vorbildliche Organisation abgeliefert haben, die von ein paar kleinen Kritikpunkten jedoch nicht verschont bleiben kann.

Ein Problem war zum Beispiel, dass in der Halle selbst überhaupt kein Essen angeboten wurde. Sich mal schnell einen Happen gönnen, war also absolut nicht drin, was angesichts der Spielzeiten der Bands zwar regelbar war, wer sich aber nicht unbedingt am Samstag Mittag unbedingt gleich den Magen voll schlagen wollte, um dann den restlichen Tag über satt zu sein, der musste eben in Kauf nehmen, evtl. auch mal eine Band zumindest teilweise zu verpassen, um beim Pizzamann oder der Imbissbude einige Geschäfte weiter etwas zum Essen zu erwerben. Eine einfache Essensausgabe mit einigen Standardmahlzeiten im hinteren Teil der Halle hätte da Sinn ergeben.

Wer nun meint, dass man angesichts der oft sehr langen Umbaupausen – ein weiterer Kritikpunkt – ja genügend Zeit gehabt hätte, zwischendurch mal raus zu gehen, der hat eigentlich recht. Das Problem war nur, dass sich der Zeitplan insgesamt immer mehr nach hinten hinausschob, weshalb man irgendwann mal gar keine Anhaltspunkte mehr hatte, wann denn nun welche Band anfangen würde. Diese lockere Organisation ist zwar wirklich sehr sympathisch, schafft aber manchmal doch leichte Verwirrung. Genauso waren die Möglichkeiten, sich die Wartezeiten zwischendurch zu vertreiben recht beschränkt. An Rahmenprogramm bot das ProgPower im Grunde genommen gar nichts, ein Stand mit CDs und Shirts war alles, was da neben der Bühne aufgebaut war.

Umso deutlicher machte dies jedoch, dass es beim ProgPower eindeutig um was anderes ging, als den Besuchern ein Freizeitwochenende zu bieten. Auf diesem Festival hatte wirklich noch die Musik den höchsten Stellenwert, die Musik, die Bands und die Fans. Konkurrenzen zwischen einzelnen Genres gab es einfach nicht, lediglich die Tatsache, dass ANATHEMA Headliner auf diesem Festival wurden, sorgte wohl -wie man vom Veranstalter hörte – doch bei so manchem Fan progressiver Klänge für entsetztes Aufschreien. Aber warum denn nur? Open Minded kann man ein solches Denken wirklich nicht bezeichnen, zumal sich ANATHEMA ihrer Headlinerrolle ja wirklich als würdig erwiesen.

Was das Publikum anging, so war eh auffällig, dass das Durchschnittsalter doch deutlich höher lag, als man es von sonstigen Festivals gewohnt ist. Zwar gab es auch hier genug Nachwuchsmetaller, Rachendrachen und ich mussten uns aber tatsächlich schon zu den jüngeren unter den Anwesenden zählen. Dafür merkte man aber auch ganz klar, dass die meisten Besucher über ihre jugendliche Aufbegehrungsphase bereits hinaus waren und sich mehr auf die eigentliche Sache – die Musik – konzentrierten. Und es war bunt, das Publikum, bunt in vielerlei Hinsicht. Rein outfitmäßig fiel es einem aber eigentlich erst auf, als es immer näher dem ANATHEMA-Gig hin zuging, dass bis dahin schwarze Gestalten nicht unbedingt den Großteil des Publikums stellten. Diese traten eben erst gegen Ende des Festivals hin auf und mischten sich unter das bunt schimmernde Publikum – womit unserer Vampis Klischeedenken von den Proggies mit den ekelhaft bunten Klamotten zumindest teilweise bestätigt wurde. Aber das sollte nicht das einzige Prog-Klischee bleiben, das auf diesem Festival seine Bestätigung fand. Es gibt sie eben doch und Ausnahmen bestätigen zumeist die Regel, wenngleich Ausnahmen auf dem ProgPower öfter zu finden waren, als man es erwartet hätte. Dennoch waren die Gitarren eben zumeist um einiges höher gehängt, mit einem gewissen Intellektuellen-Anspruch hat sich so manch einer offensichtlich gerne geschmückt und brav ist wohl eine Bezeichnung, die für den Großteil des Publikums, ohne dass man das leugnen könnte, einfach treffend war. Kuttenträger suchte man vergebens, dafür traf man aber jede Menge internationale Besucher, womit ich wieder die Kurve zum anfänglichen Begriff bunt gekriegt hätte. Uruguay, Schweden, Italien, England, Deutschland, Holland und so weiter…von den verschiedensten Teilen der Welt konnte man hier Leute treffen und dennoch gab es niemals Verständigungsschwierigkeiten oder Kontaktprobleme. So muss das sein, so wünschen wir uns das.

So und damit will ich es jetzt auch belassen. Ich denke jeder, der diesem Festival beiwohnen durfte, hatte eine Menge Spaß und wird nur Gutes über Baarlo und das ProgPower Festival zu berichten wissen. Ein derartig familiäres, gut organisiertes, friedliches und fannahes Festival kann man sich nur wünschen, und die Veranstalter haben absolut gute Arbeit abgeliefert, was bei der allgemeinen Organisation anfing, über die Auswahl der Bands weiter ging und bei ständig sauberen Klos endete.

Fazit: nächstes Jahr sind wir wieder dabei!!!!

FREITAG

SILENT EDGE

(nach oben…)

Die Ehre das ProgPower-Festival 2001 zu eröffnen hatten SILENT EDGE aus den Niederlanden, die gleich mal eins ganz klar deutlich machten: Das musikalische Level auf diesem Festival würde sehr hoch werden, denn bereits diese ziemlich unbekannte Band kam sehr professionell rüber und hatte vor allem musikalisch einiges zu bieten. Stilistisch bekam man relativ typischen europäischen Prog Metal geboten, der vor allem durch die teilweise sehr langsamen Parts etwas an VENI DOMINE erinnerte (ein Eindruck, der so jedoch bei den beiden Tracks, die es auf der Homepage zum Download gibt, nicht rüberkommt). Insgesamt sind SILENT EDGE sicher nicht der Weisheit letzter Schluss, wenn es um Eigenständigkeit geht, und dennoch hatte das Ganze eine recht persönliche Note, was natürlich auch immer sehr mit dem visuellen Aspekt zusammen hängt. Sänger Willem Verwoert entspricht zwar ganz klar nicht dem Bild eines über die Bühne fegenden Frontmanns, hat aber seine ganz eigene Art des Stageactings mit der er den Songs sehr viel Ausdruck verleiht. Zweiter Blickfang auf der Bühne ist Gitarrist Emo Surripaty, der dann schon viel mehr für Leben auf der Bühne sorgt. Er hatte ja auch sichtlich Spaß an diesem Auftritt und diesen Spaß lebte er in erster Linie an seiner Gitarre aus, die er abends sicher auch zum Schlafen mit ins Bett nimmt. Zumindest könnte man durch seine Flitzefingerfertigkeiten zu diesem Schluss kommen, die er ein ums andere mal gerne unter Beweis stellte.

Neben den beiden Songs des Under a Shaded Moon-Demos, die ziemlich gut ins Ohr gingen, ließ es die Band wie bereits gesagt auch durchaus mal ein ganzes Stück langsamer und dramatischer angehen, eine Eigenheit, auf die die Band aufbauen sollte. Nicht unerwähnt bleiben darf aber auch die lediglich mit Akustikgitarre und Gesang dargebotene Ballade, bei der sich Willem Verwoert mal so richtig beweisen konnte, was durch Emo Surripaty am Ende des Songs gleich noch mit einer mitreißenden Instrumentaleinlage quittierte. SILENT EDGE können sicherlich mit dem Großteil der derzeitigen Prog-Veröffentlichungen locker mithalten, wenngleich auch bei dieser Band einfach noch die eigene Note etwas zu kurz kommt. Für dieses Festival waren SILENT EDGE jedoch ein hervorragender Opener und die Menge war somit schon mal warm gemacht für das, was noch kommen sollte.

ZERO HOUR

(nach oben…)

Die Stunde Null hatte für die Bay Area-Frickelhoffnung ZERO HOUR geschlagen, was ihren ersten Gig auf europäischem Boden anging. Und es sei vorweggenommen: Sie bescherten sich einen unvergesslichen Abend und dem Publikum den ersten großen Höhepunkt des Festivals! Die Kalifornier zockten die auf höchstem Niveau angesiedelten Kompositionen ihres Debüt-Albums The Towers Of Avarice sowie von ihrer Demo-CD mit einer Wucht runter, dass man kaum glauben wollte, dass 11/8-Takte, chromatische Tonleitern und anderer technischer Schnickschnack die Grundlage für die Songs der Kalifornier bilden. Sänger Eric Rosvold war stimmlich voll auf der Höhe und nahm das Publikum mit seiner sympathischen Ausstrahlung schnell für sich ein. An der Schießbude gab der Drummer alles, er prügelte dermaßen auf sein Kit ein, dass man den Eindruck bekam, der Leibhaftige persönlich sei hinter dem Mann her. Dass er damit gelegentlich über´s Ziel hinausschoss und aufgeschreckte Blicke seiner Mitmusiker auf sich zog, sei ihm verziehen, so ahnte man wenigstens, dass das doch vier Vertreter der Spezies Mensch (wenn auch der Untergruppe homo progfrickelensis zugehörig) waren, die da auf der Bühne zugange waren. Das Bruderpaar an den Saiteninstrumenten war zu Beginn noch etwas verhalten, was Gitarrist Troy tags darauf damit erklärte, dass er eigentlich jeden Moment auf der Bühne damit gerechnet habe, dass ihn jemand in den Arm zwickt und alles nur ein schöner Traum gewesen wäre. Doch gegen Ende beim Titeltrack von The Towers Of Avarice gingen auch sie voll aus sich raus, angestachelt von den Beifallsstürmen und den ZERO HOUR!-Sprechchören, die zuvor schon dazu geführt hatten, dass die Band Demise And Vestige kurz unterbrechen musste, während Eric nur ungläubig in die begeisterte Meute vor der Bühne blickte und Hey, there´s a second part to that song! stammelte. Als ZERO HOUR nach einer starken Dreiviertelstunde die Bühne mit überglücklichem Grinsen im Gesicht verließen, hatten sie bewiesen, dass sie mit Sicherheit die Proghoffnung schlechthin für die kommenden Jahre sind!

SUPERIOR

(nach oben…)

Wie SUPERIOR auf dem Terminplan auf diese Stelle gelangen konnten war für viele Besucher des ProgPower-Festivals nicht ganz nachvollziehbar. Zwischen den begnadeten ZERO HOUR und den perfekten PAIN OF SALVATION konnten die Deutschen eigentlich nur verlieren, wenngleich ein anderer Teil des Publikums dies anders gesehen zu haben scheint und die Jungs mit einer Menge Beifall über den gesamten Gig vorantrieb. Dabei hatten SUPERIOR schon von Beginn des Sets mit einem schweren Problem zu kämpfen, hatte sich Keyboarder Jan-Marco Becker doch kurz vor dem Gig eine Verletzung zugezogen, wegen der er den Auftritt nicht bestreiten konnte (er scheint das Glück wirklich nicht für sich gepachtet zu haben). Der Gig wäre also beinahe abgesagt worden, doch die Band stellte ihren Set noch kurzfristig um und so fand der Auftritt von SUPERIOR doch noch statt. Umso mehr hatte jedoch Gitarrist Michael Müller zu tun, der nun also auch noch von Zeit zu Zeit die Keyboards bediente. Aber das half alles nichts. Der Funke mochte bei uns einfach nicht überspringen, was jedoch auch an den Songs lag, die insgesamt einfach zu unausgegoren klangen. Das Material der beiden Alben Behind und Younique war in gewisser Weise zwar schon eingängig, ging aber zum einen Ohr rein und zum anderen Ohr raus. Ein typischer Fall von zu oft schon woanders gehört. SUPERIOR waren irgendwie weder Fisch noch Fleisch und mit jedem neuen Song stieg der Bierholfaktor auf ein weiteres. Aber selbst für denjenigen, der dann tatsächlich mal den Gang an die Theke wagte, entstand beim Wiedereintreffen nicht unbedingt das Gefühl, etwas verpasst zu haben. Dazu waren die Songs des Fünfers einfach zu unspektakulär. Da hatten die englischen Ansagen der Marke We have one new more for you eindeutig den höheren Unterhaltungswert, was die Band dann gleichzeitig auch noch dadurch unterstrich, dass sie sich, um auch mal ordentlich Power zu machen, durchaus mal an einem SKID ROW-Riff (Slave to the Grind) bediente oder am Ende des Sets mit dem Einflicken von METALLICAs Sad but True das eigene Material etwas aufwertete. Aber wie gesagt, ein großer Teil des Publikums sah den Auftritt von SUPERIOR mit völlig anderen Augen und so konnte die Band auf ein begeistertes Publikum blicken das den Auftritt auch noch mit einigen Zugabe-Rufen in die Länge zog.

PAIN OF SALVATION

(nach oben…)

In der Umbaupause vor dem PAIN OF SALVATION-Auftritt war die Spannung fast mit Händen zu greifen. All jene, die diese Ausnahmeband bislang nur von ihren Meisterwerken The Perfect Element pt.I (von mir nur The Perfect Album genannt), One Hour By The Concrete Lake und Entropia kannten, fragten sich, wie die Schweden livehaftig rüberkommen würden. Mit Used gelang der Band ein furioser Auftakt, vor allem der dreadlockbewehrte zweite Gitarrist neben Mainman Daniel Gildenlöw fegte wie ein Derwisch über die Bühne. Dumm nur, dass der bis dahin makellose Sound ausgerechnet beim Headliner des ersten Abends in punkto Matschigkeit locker mit den Everglades mithalten konnte. Zumindest während Used musste man sich auch wenige Meter neben den Boxen die Gitarrenstimmen dazudenken. Das tat der Spielfreude des Fünfers aber keinen Abbruch, mit den Worten This is NOT a PINK FLOYD song stiegen sie als nächstes in In The Flesh ein und behielten auch beim darauffolgenden Song noch die Reihenfolge von The Perfect Album ein, was bedeutet, dass sie ihren größten Trumpf – Ashes – gleich zu Beginn des etwa 100-minütigen Gigs ausspielten. Und ihre Taktik ging auf, denn von da an gab es kein Halten mehr, die Zuschauer, die bei den vorherigen Bands zwar schon nicht mit Beifall sparten, bewegten sich nun zu den bombastischen Klängen (zum Glück sind PAIN OF SALVATION ja nicht so vertrackt, als dass das eher nach spastischen Anfällen denn nach Tanzen ausgesehen hätte, hehe) und sangen lauthals mit. Gänsehaut! Für diese Hookline gebührt Daniel definitiv der goldene Widerhaken, so nachhaltig setzt sie sich im Gehörgang fest! Erste verstohlene Hoffnungen kamen auf, dass die fünf Sympathen vielleicht gar das komplette Perfect Album am Stück aufführen würden. Diese Hoffnungen wurden allerdings gleich im Anschluss zerstört, da PAIN OF SALVATION einen Entropia-Block einschoben. Zwar könnte so manch andere Band des Festivals auch auf dieses Songmaterial noch neidisch sein, doch die mir persönlich mit zu vielen Funkeinlagen versehenen Stücke des Debüts konnten letztlich wohl nur die Fans der ersten Stunde so richtig in Begeisterung versetzen. Auf einen One Hour By The Concrete Lake-Block wartete man hingegen vergebens, denn Göttergaben wie Inside Out und The Big Machine konnten nicht aufgeführt werden, nachdem die Band aus Platzgründen auf die dafür nötigen, speziell gestimmten Gitarren hatte verzichten müssen. Aber immerhin kamen Inside und New Year´s Eve im Laufe des Sets zum Einsatz. Und auch der Bogen zum aktuellen Album fand die sich wie kleine Kinder über die enthusiastischen Publikumsreaktionen freuende Band wieder. Das ruhige Instrumental Falling leitete The Perfect Element ein, bei dem dann nochmal die Halle kopfstand. Im Zugabeblock folgte schließlich der endgültige Höhepunkt: die Livepremiere von Undertow, einem Stück der gerade im Entstehen begriffenen neuen CD. Mit seinem ruhig-melancholischen Charakter und tollen, leidenschaftlichen Gesangsmelodien sorgte der Track für kollektiven Speichelfluss, der wohl noch bis zum Release Anfang 2002 unvermindert anhalten dürfte.

SAMSTAG

ANDROMEDA

(nach oben…)

Mittags halb zwei in Baarlo: Nach einer mehr oder minder gemütlichen Nacht im Auto, die von neugierig an die Scheibe klopfenden Kindern beendet wurde, und einem Vormittag im – wie sollte es anders sein – idyllischen Park des Schlosses von Baarlo zusammen mit Enten, Rehen und anderem nicht minder idyllischen Viehzeugs nahm der zweite Tag des PROGPOWER-Festivals seinen Anfang. Als erste mussten ANDROMEDA aus Schweden auf die Bühne, denen die frühe Tageszeit angesichts der bereits zahlreich anwesenden – weil vermutlich die Idylle draußen nicht länger ertragenden – Menschenmenge vor der Bühne nichts ausmachte. Sie präsentierten sich bereits ausgeschlafen und agil, während sie die ersten Tracks von ihrem seltsamerweise beim Deathmetallabel War Music erschienenen Debüt Extension Of The Wish darboten. Während das Debüt noch vom ehemaligen DARKANE-Sänger Lawrence Mackrory veredelt worden war, konnte die Band nun einen neuen Frontmann vorweisen, der zwar jung aussah, aber schon sehr professionell mit dem Mikroständer rumzuwirbeln verstand. Gerechter Lohn für die spielfreudigen Schweden: ausgiebiger Beifall und dicht gefüllte Reihen vor der Bühne. Sie dankten´s den Fans mit ihrer recht vertrackten und harten, aber immer melodischen Variante progressiven Edelmetalls. Die gelegentlich futuristisch anmutenden Duelle zwischen Keyboards und Sologitarre erinnerten sogar an eine Prog Metal-Variante von NOCTURNUS, während Bass und Drums eine solide und ebenfalls auf hohem spieltechnischen Niveau angesiedelte Basis für die gefällig anzuhörenden, wenn auch noch mit einem leichten Mangel an Eingängigkeit ausgestatteten Kompositionen des Quintetts legten. ANDROMEDAs Auftritt konnte den ersten kleinen Hunger nach komplexer Musik sehr gut stillen und stellten somit das perfekte Prog-Knoppers des Festival-Samstags dar.

ANOMALY

(nach oben…)

Mit ANOMALY trat nun eine Band auf den Plan, die im Grunde genommen wirklich nur für die hartgesottenen Progfans bestimmt ist. Da rauchten die Köpfe, da verkrampften sich die Muskeln. Wer schon immer die jazzige Seite von DREAM THEATER mochte und darüber hinaus sogar gerne noch ein bisschen mehr der Musik mit dem Doppel-Z in deren Sound sucht, für wen Gesang bei der Musik keine wirkliche Rolle spielt und wer Musik gerne auch mal in mathematischen Formeln ausdrückt, der war mit den Holländern ANOMALY sicher gut bedient. Rein instrumentaler Prog Metal (ja tatsächlich, die Band schrubbte auch gerne mal ordentlich) und so gut wie kein Stageacting sind sicherlich nicht die besten Vorraussetzungen, um das Festivalpublikum über eine Spielzeit von 50 Minuten mitreißen zu können, wenngleich ANOMALY das Beste daraus machten und vor allem durch eine sehr sympathische Art Pluspunkte sammelten. Aber auch wenn es sich hier um ein Progmetal-Festival handelte, kann man nicht unbedingt sagen, dass ANOMALY eine Festivalband sind. Selbst wenn da bestimmt drei bis vier reine 4/4-Takte zu vernehmen waren, blieb von der Musik so gar nichts hängen, und je länger der Gig sich zog, umso mehr erschlaffte man innerlich. Wenn von Seiten des Keyboards nicht immer wieder auch mal für die ein oder andere Melodielinie gesorgt worden wäre, wäre bei so manch einem sicherlich irgendwann der Schädel geplatzt, und genauso sorgte der teilweise sehr ungewöhnliche Keyboardsound dafür, dass man immer wieder aufhorchte und sich nicht völlig im Gefrickel verlor. Die instrumentalen Qualitäten dieser Band sind unbestritten. Nachzuvollziehen sind die Songs von ANOMALY jedoch einfach nicht, zumindest nicht, wenn man die Band mal eben so auf einem Festival kennen lernt. Die Niederländer haben hier sicher eine guten Gig hingelegt, wir waren allerdings erst mal bedient und brauchten eine kleine Ruhepause um das Gehörte erst mal zu verarbeiten.

POVERTY´S NO CRIME

(nach oben…)

So fiel der Auftakt der POVERTY´S NO CRIME-Show für uns leider dem dringenden Verlangen nach fester Nahrung sowie nach einer Durchlüftung der noch vom ANOMALY-Gefrickel überhitzten Gehirnwindungen zum Opfer. Die restliche halbe Stunde zeigte, dass wir nichts Essentielles verpasst haben konnten. Im Gegensatz zu SUPERIOR konnten die Herren allerdings die Fahne des deutschen Prog Metals hochhalten, ihre Kompositionen konnten eben nur nicht wirklich fesseln, weshalb der Bierholimpuls nicht ganz abgestellt werden konnte. Und genau da dürfte das Manko dieser Band liegen: Lange schon werden die Jungs aus dem Pott als große Talente geführt – zu lange. Ähnlich wie im Fußball, wo jemand wie Kristian Lisztes mit dem Begriff ewiges Talent aus dem Geschäft geredet werden kann, droht POVERTY´S NO CRIME der dauerhafte Aufenthalt in dieser Schublade. Denn ihren Songs fehlt bei aller Befähigung und allem Ideenreichtum das letzte packende Element, das tiefer eindringt ins Bewusstsein. So blieben Spielfreude und eine trotz der eigenwilligen Optik durch und durch sympathische Ausstrahlung der Jungs auf der Plusseite, und es ist ihnen zu wünschen, dass sie diese Eigenschaften bald mit wirklich ergreifendem Songmaterial paaren können!

WOLVERINE

(nach oben…)

Eine der Bands, auf deren Live-Auftritt ich mich bei diesem Festival sicher am meisten freute waren WOLVERINE aus Schweden, die für mich mit ihrer Debüt-EP Fervent Dream bereits einen echten Klassiker veröffentlichten, den ich immer wieder gerne mal einlege. Etwas skeptischer war ich jedoch bei den ersten Hörproben des neuen Albums, die mir insgesamt einfach etwas zu brav klangen. Doch entweder hat die Band noch mal ordentlich an dem Material gefeilt oder WOLVERINE wissen einfach, dass sie live um einiges mehr Druck machen müssen als auf CD. Dennoch startete die Band zunächst mit einem recht verhaltenen neuen Stück das mich schon befürchten ließ, dass dieser Gig eine Enttäuschung werden könnte: kaum Aktion auf der Bühne, Atmosphäre wollte nicht so richtig aufkommen und irgendwie hatte ich mir einfach etwas mehr Energie für diesen Gig erhofft. Doch schon beim zweiten Song sollte alles anders werden. More than Grief brachte ordentlich Bewegung auf die Bühne und man merkte deutlich, dass diese junge Band neben viel Gefühl auch ordentlich Metall im Herzen trägt, und vor allem Schlagzeuger Marcus Losbjer brachte durch seine Growls eine gesunde Portion Aggressivität in den Sound. Rein optisch waren WOLVERINE sicherlich *die* Ideale-Schwiegersohn-Band des Festivals bei der die beiden Schnuckel-Zwillinge Mikael und Stefan Zell ganz klar im Mittelpunkt des Geschehens standen. Doch auch der spitzbübische Metal-Gitarrist der Band – Per Broddesson – konnte sich recht schnell nicht nur beim weiblichen Publikum der Sympathien des Menge gewiss sein und der neue Mann am Bass war eh einfach nur zum knuddeln. Und so hüpften und bangten die Jungs über die Bühne, hatten sichtlich Spaß an ihrem Auftritt und gaben diese Freude auch gerne an das Publikum weiter. Neue Songs wie My Room oder The Storm Inside (grandioser Song mit massig guten Ideen) fügten sich perfekt neben dem Material der Debüt-EP ein und vor allem His cold Touch überzeugte durch seine enorme Tiefe und grandiose Hooklines. Habe ich irgendwann mal was davon geschwafelt, dass mir die neuen Sachen zu brav wirken? Von wegen…WOLVERINE bewiesen ein sehr gutes Gespür für die ausgewogene Mischung aus Härte und Melodie und wenn die Jungs diese Energie auf ihre CD bannen konnten dann kann man sich wirklich auf ein weiteres Meisterwerk der Schweden freuen. WOLVERINE haben eine Menge zu bieten und auf dem ProgPower 2001 auch bewiesen dass sie eine richtig gute Live-Band sind. Mit dem neuen Label DVS Records im Rücken dürften der Band nun auch alle Wege für den größeren Erfolg offen stehen und man darf sich wirklich darauf freuen die Schweden dann vielleicht auch mal in Deutschland auf Tour erleben zu dürfen.

INTO ETERNITY

(nach oben…)

YYYYYYYuuuuuuuaaaaeeeessssss! Was für ein Auftritt! WOLVERINE haben den Power-Faktor des ProgPower 2001 zwar schon im Vorfeld etwas angehoben aber INTO ETERNITY boten genau das, was die durchgefrickelten Prog-Köpfe jetzt dringend mal benötigten: das absolute METAL-Brett!!! Und INTO ETERNITY waren genau die Richtigen für diesen Job. Stellt euch das Material des Debüts einfach mal ohne Keyboards, ohne die produktionstechnischen Spielereien und mit einer absolut harten Produktion und einiges mehr Aggressivität vor und ihr wisst ungefähr was einen bei INTO ETERNITY live erwartet. Mann, was haben die Kanadier aus Saskatchewan für eine Show abgezogen. Aggressiver Gesang, harte Gitarren, Propellerbanging, die idealen Zutaten für eine energiegeladene Show, und dass die Jungs genau zum richtigen Zeitpunkt auf die Bühne kamen, scheint ihnen auch vollkommen bewusst gewesen zu sein, zumindest wirkten die Kanadier, als wären sie mit der Einstellung und jetzt knüppeln wir alles nieder auf die Bühne gegangen. Wer dachte, dass Songs wie Torn, Silence through Virtue, Speak of the Dead oder Sorrow schon auf CD eine enorme Power besitzen, der sollte mal erleben, wie diese Dinger live krachen. Wo auf dem Album noch viel mit Technik verändert wurde, wird auf der Bühne auf solche Spielereien gänzlich verzichtet und INTO ETERNITY zeigen ohne Netz und doppelten Boden, von welchem Kaliber ihre Songs tatsächlich sind. Sehr viel hat die Band hierbei ihrem Sänger Tim Roth zu verdanken, den man auf den ersten Blick als eher zurückhaltend einschätzen würde, der auf der Bühne aber dermaßen viel Ausstrahlung rüberbringt, dass einem sofort klar ist, dass hier ein kommendes Sternchen der kanadischen Metal-Szene am Start ist. Und was seinen Gesang angeht, so ist es wahrlich bemerkenswert mit welcher Leichtigkeit er von seinem Grunzgesang, der mich live immer wieder an IN FLAMES Shouter Anders Friden erinnerte, in die enorm melodischen Teile der Songs überging und diese punktgenau darbot. Geil! Und auch INTO ETERNITY ließen es sich nicht nehmen, an diesem Abend gleich einige neue Songs darzubieten, die ebenfalls einen verdammt guten Eindruck hinterließen und erneut um einiges aggressiver rüberkommen als die MP3s, die auf der Homepage der Band zum Download bereit stehen. Allen voran konnte hierbei der wohl brutalste Song überzeugen, den ich bislang von der Band zu hören bekam (dessen Titel mir aber leider nicht bekannt ist), der wirklich alles niederbließ. Welch Eingängigkeit das neue Material besitzt, stellte die Band mit Absolution und dem mit einer BLIND GUARDIAN-Melodie gespickten Shallow unter Beweis. Insgesamt gehörten INTO ETERNITY sicher zu den größten Live-Überraschungen des gesamten ProgPower Festivals 2001 und mit ihrer völlig überzeugenden Live-Performance erhalten INTO ETERNITY ohne Konkurrenz ganz klar den Most-Metal-Award dieser Veranstaltung! Genial! Und wie begeistert die Band selbst von ihrem Auftritt und dem Festival war zeigte sie deutlich, als Tim nach dem Gig von ihrem ehemaligen Keyboarder erzählte, der kurz vor dem Vertragsabschluss mit DVS-Records die Band verließ in der irrigen Annahme, dass INTO ETERNITY eh nie ein Album veröffentlichen und durch die Gegend touren werden: Wenn wir zuhause sind, werden wir ihm erst mal die Bilder vom Publikum vor die Nase halten, mal schauen, was er dann sagt!

VANDEN PLAS

(nach oben…)

Der Auftritt von VANDEN PLAS markierte einen Wechsel in der Atmosphäre. Waren bislang an dem Tag Bands aufgetreten, denen die Freude über ein so großes, dankbares Publikum anzumerken war, so wirkten die Pfälzer von der ersten Sekunde an professionell und abgebrüht, zugleich aber nicht im geringsten arrogant oder distanziert. Im Gegenteil, Sänger und Stefan-Cousin Andy Kuntz band das Publikum immer wieder mit ein und animierte die Meute zum Mitklatschen. So machte sich der Unterschied zu den vorhergegangenen Bands schlichtweg in einem höheren Maß an sicherem Auftreten bemerkbar. Nur gelegentlich ging Andys Hang zu großen Posen ein wenig übers Limit. Sänger, Gitarrist und Bassist (der aus einem hippen Modemagazin gefallen zu sein schien, seiner seltsamen Optik nach zu urteilen) wussten ansonsten aber zu jedem Zeitpunkt, wie sie sich zu postieren und zu präsentieren hatten, um wirklich Eindruck zu machen. Entsprechend tight auch die Darbietung…Tracks wie der mächtig druckvolle Opener I Can See über das ausgedehnte You Can Fly und die Far Off Grace-Hämmer Inside Of Your Head, Into The Sun und Far Off Grace (Killer!) machten den Auftritt von VANDEN PLAS derart kurzweilig, daß Fierce danach so seine Probleme damit hatte, mich davon zu überzeugen, dass die Band durchaus länger als 20, 30 Minuten gespielt hatte. Bei aller Härte und Technik scheint den Liedern des Fünfers ein Element innezuwohnen, welches einen alles um sich herum vergessen lässt und einen auf einen wundervollen musikalischen Trip mitnimmt. VANDEN PLAS´ Musik, wie sie sie an diesem Abend darboten, geht nahe, berührt einen tief und entlässt einen mit neugewonnener Energie. Da machte es auch nichts mehr, dass kaum einer Andys Ansage bezüglich dem geteilten Leid, dass an dem Abend sowohl Holland als auch Deutschland die direkte Qualifikation für die WM verpasst haben, verstand. Vielleicht war das Publikum gerade wegen der vielschichtigen Musik von VANDEN PLAS in dem Moment ganz woanders, wo der Fußball nicht hinpasste, weshalb die Band dieses Unverständnis einfach als Kompliment sehen sollte…

ANATHEMA

(nach oben…)

ANATHEMA live zu sehen, das hat immer einen Hauch von Las Vegas. An guten Tagen spielt die Combo aus der Heimatstadt der BEATLES locker hochkarätige Kollegen wie TRISTANIA und TIAMAT an die Wand, an schlechten Tagen – zuletzt vor einem Jahr in Leipzig – kann man schon froh sein, wenn die Jungs vor lauter legalen und weniger legalen Substanzen im Blut nicht von der Bühne fallen und sich nicht nur über ihre düsteren Texte totlachen, sondern sich an diese überhaupt noch erinnern können. Also versuchte ich – eher vergeblich – meine von ihrem A Fine Day To Exit-Meisterwerk geweckten Erwartungen nicht zu sehr in den Himmel wachsen zu lassen. Nun, beim Progpower präsentierten sich ANATHEMA irgendwo zwischen den beiden Extremen. Einerseits schienen die Jungs dermaßen zugedröhnt, dass ein Zuschauer im Publikum angesichts der starren Mimik der Gebrüder Cavanagh sich zu einem Weckruf veranlasst sah und die Konzertbesucherin neben mir knapp davor war, die beiden Rotschöpfe zum Ausnüchtern erst mal vor die Türe in den Regen zu stellen. Andererseits sind Songs wie Deep, Fragile Dreams (in einer herrlichen Akustikversion) und Empty alleine schon Garanten für einen emotionsgeladenen Abend. Und so nach und nach realisierten die Liverpooler dann auch, dass sie gerade einen Headlinergig spielten, und rissen sich am Riemen. So wurde nach einem etwas zwiespältigen Start noch einiges an Boden gutgemacht, und spätestens bei Underworld, das fast noch intensiver als auf Platte wirkte, hatten sie sich und die Menge im Griff. Wäre der Sound nicht so mörderlaut gewesen, hätte man sicher den einen oder anderen Glücksseufzer hören können. ANATHEMA konzentrierten sich auf die letzten drei Werke, die sie da etabliert haben, wo sie mittlerweile hingehören: an der Spitze der Gothicszene und auch weit darüber hinaus anerkannt. Deep, Pitiless, Forgotten Hopes und das in meinen Augen unnötige Instrumental Destiny Is Dead von Judgement, Fragile Dreams, Empty, Inner Silence und zu meiner positiven Überraschung Feel von Alternative 4 sowie Pressure, Looking Outside Inside, Leave No Trace, Underworld, A Fine Day To Exit und Temporary Peace vom neuen Album füllten den größten Teil des Sets aus. Persönlich vermisste ich Panic, Lost Control, Regret, Anyone, Anywhere sowie den ein oder anderen Track von Eternity. Hinzu kamen dafür jedoch als Entschädigung das in eine ellenlange, psychedelische Improvisation mündende A Dying Wish und als Zugabe Comfortably Numb, eine PINK FLOYD-Coverversion, wie sie nur diese Band spielen kann: nahe am Original, aber doch mit eigener Note und emotional fast noch nahegehender als das Original. Zum Sterben schön! Einziger Schwachpunkt in der Liveshow war leider der Ersatzbassist, der den Charme eines 16-jährigen Musterschülers aus Burg Schreckenstein versprühte, die Emotionalität und Spielfreude eines Computers ausstrahlte und dabei so unauffällig und unbeteiligt am rechten Bühnenausgang verharrte, dass er überhaupt nicht dazuzugehören schien. Zum Glück machte Sänger Vinnie dieses Manko mit seinen beeindruckenden Gesangslinien und äußerst unterhaltsamen Ansagen mehr als wett. Sei es die angesichts des Zustandes der Jungs durchaus eindringliche, wenn auch eigentlich ironisch gemeinte Aussage Just say no, kids!, die Geburtstagsglückwünsche an seinen Bruder Danny, dem das gar nicht recht war, oder das ehrlich begeisterte We found it!, als die Band endlich den Weg zurück aus der psychedelischen Welt moderner Improvisationskunst bei A Dying Wish in den Schlussrefrain fand. Definitiv ein denkwürdiger Auftritt, auch wenn sich die Band am Morgen danach vermutlich eher an wenig erinnern konnte und kleinere Schönheitsfehler auftraten – zugleich auch ein grandioser Abschluss eines gemütlichen, schönen Festivals. Die wenigen, die früher gegangen sind, sind auf alle Fälle selbst schuld, denn die vier Herren (den Schulbub am Bass jetzt mal nicht mitgerechnet) sorgten für ein harmonisches Chill-out, nach dem jeder sich glücklich und zufrieden auf den Heimweg machen konnte.


WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner